Startseite Kultur Verdienen die ORF-Mitarbeiter zuviel, Herr Lockl?

Verdienen die ORF-Mitarbeiter zuviel, Herr Lockl?

von Max

Lothar Lockl tritt ab: Der grüne Stiftungsratsvorsitzende des ORF hat heute, Dienstag, seine letzte Sitzung. Ein Gespräch über Budgetvorgaben und das Image des ORF.

KURIER: Vor fast genau fünf Jahren haben wir ein Interview zu Ihrem Antritt als Stiftungsrat geführt: Die Headline lautete: „Der ORF wird massiv sparen müssen.“ Die Headline könnte man eigentlich eins zu eins übernehmen, oder?

Lothar Lockl: Ja. Sie verzerrt aber, weil der ORF ja kein Sparverein ist. Es geht verloren, was der Wesenskern ist: Der ORF ist eine Art Scheinwerfer, vor allem für österreichische Kunst und Kultur, für den österreichischen Sport. Wird dieser Scheinwerfer abgedreht, wird es finster. Dazu informiert der ORF über Geschehnisse in den Regionen und in der Welt, zum Beispiel mit dem neuen Streamingkanal ORF ON oder dem neuen Kinderkanal. Die Quoten sind insgesamt hervorragend, also das Programm wird genutzt.

Als die FPÖ/ÖVP-Koalitionsverhandlungen geplatzt sind, hat man am Küniglberg nahezu ein erleichtertes Seufzen vernommen. Dann haben ÖVP, SPÖ und Neos die Gebühren eingefroren. Das kostet  perspektivisch 220 Millionen Euro. War das abzusehen? 
Die Politik hat natürlich das Recht, bestimmte Sparvorgaben zu machen. Aber gleichzeitig sollte man auch dazu sagen, was ein öffentlich-rechtliches Medienunternehmen in Zukunft leisten soll? Das fehlt. Nur mit beidem zusammen kann man die richtigen Prioritäten setzen. Darüber hinaus gibt es beim Sparen für mich eine rote Linie: Der ORF hat viele partnerschaftliche Aufgaben: Zum Beispiel die Förderung der österreichischen Filmwirtschaft, der österreichischen Kultur, des österreichischen Sports, aber auch vieler regionaler Festivals. Bedroht sind natürlich auch österreichische Produktionen, wie der „Tatort“. Österreich ist ein Tourismusland, steht für Gastfreundschaft. Und es gibt Untersuchungen, dass sich rund die Hälfte der Menschen bei der Wahl ihrer Urlaubsdestinationen von Bildern leiten lassen, die sie in großen Serien, Kinofilmen oder Fernsehdokumentationen sehen.

Der öffentliche Fokus liegt trotzdem darauf, was der ORF nicht hat. Wenn die Nationalmannschaft in einem Bewerb erfolgreicher ist als erwartet und die Spiele sind nicht im ORF zu sehen. Dann regt sich der Impuls: Die Leute zahlen für etwas, das sie nicht bestellt haben, 180 Euro im Jahr. Der ORF ist das größte Kommunikationsunternehmen des Landes – wo ist da der Fehler versteckt? 
Ich denke, dass es eine verzerrende Wahrnehmung ist. Die Meinungsforschungsdaten zeigen ja, dass rund 75 Prozent der österreichischen Bevölkerung mit dem ORF sehr zufrieden oder zufrieden sind. Das ist auch im Europavergleich einzigartig. Ich bin überzeugt, ein Teil hängt auch mit der Medienlandschaft insgesamt zusammen. Der eine geht auf den anderen los und man hat eine Hick-Hack-Kultur etabliert, wie sie sonst nur in der Parteipolitik vorherrscht.

Der PR-Experte
Lothar Lockl arbeitet mit seiner Agentur Lockl&Keck als Experte für Strategie und Kommunikation.

Van der Bellens Mann
Im Jahr 2000 stieß Lockl zu den Grünen unter dem damaligen Vorsitzenden Alexander Van der Bellen. Als Kommunikationschef und später als  Parteisekretär  managte Lockl die Wahlkämpfe der Partei. Van der Bellen blieb er auch nach seinem Ausscheiden treu: Lockl verantwortete dessen ersten Präsidentschaftswahlkampf 2016. 

Der Nachfolger
Als Favorit für die  Spitze des Stiftungsrates gilt Heinz Lederer. Der SPÖ-Stiftungsrat soll heute, Dienstag, im Gremium gewählt werden.

Aber was hat der ORF selbst falsch gemacht? Sogar in der Medienpolitik ist das Thema toxisch: Wer sich für den Öffentlich-Rechtlichen ausspricht, kann eigentlich schon wieder einpacken. 
Wir brauchen eine stärkere Antwort auf die Frage, was der ORF in Zukunft leisten soll. Das zweite ist, es braucht sicher noch mehr Innovationskraft in der digitalen Welt. Und das Dritte ist: In manchen Teilen atmet der ORF noch immer die abgestandene Luft eines Monopolisten. Es braucht die richtige Mischung von Selbstvertrauen in das eigene Produkt, aber auch Demut, Augenhöhe und Wertschätzung gegenüber den Kundinnen und Kunden. Da ist der ORF auf einem guten Weg, aber noch nicht dort, wo er sein sollte.

Verdienen die ORF-Mitarbeiter zu viel? Moderator Robert Kratky und Multi-Funktionsträger Pius Strobl verdienen mehr als der Generaldirektor, der immerhin 425.000 Euro bekommt. 
Wenn der ORF in Vergleich gestellt wird zu anderen staatlichen oder staatsnahen Unternehmen, dann ist er bei der Gehaltsstruktur ungefähr im Mittelfeld. Nur gibt es bei anderen nicht die Gehaltstransparenz, die der ORF hat. Was schon stimmt: Es gibt ein großes Gehaltsgefälle. Jungen Kolleginnen und Kollegen verdienen im ORF im Verhältnis zu manchen Kollegen mit älteren Verträgen relativ wenig. Das ist auch für die Unternehmenskultur eine echte Herausforderung.

Ein nicht verstummender Vorwurf: Man muss bezahlen, aber ist dann mit Journalistinnen und Journalisten konfrontiert, deren Weltanschauung in der Berichterstattung spürbar ist. Das geht weiter mit unklugen Postings auf Social Media, wo Politiker verächtlich gemacht werden. 
Ich bin überzeugt, dass die Glaubwürdigkeit des ORF und das Vertrauen in Zeiten von künstlicher Intelligenz und Algorithmen aus USA und China, die nur auf Empörung aus sind, essenziell ist. Insofern halte ich es für wichtig, dass es in den letzten Jahren gelungen ist, einen neuen Ethikkodex zu verankern, der eben sagt: Auch, was Social Media betrifft und die Äußerungen dort hat man auf Objektivität und Unparteilichkeit zu achten. Umgekehrt sind aber insbesondere Moderatorinnen oft in der Öffentlichkeit Anfeindungen von kleinen Minderheiten ausgesetzt, gegen die man sich wehren muss.

Kann man wirklich von einer kleinen Minderheit sprechen, die laut ist? Die FPÖ hat einen Anti-ORF Wahlkampf gemacht und ist erste geworden. 
Wenn ich jetzt diese wirklichen Exzesse hernehme, unterstelle ich das jetzt nicht einer politischen Partei. Das eine ist Kritik am ORF als solches, das ist legitim, und das andere sind ganz gezielte Attacken unter der Gürtellinie. Auch umgekehrt halt ich nichts von einer Verächtlichmachung von Politikern. Kritik und Respekt gegenüber den Institutionen der Demokratie schließen sich nicht aus.

Peter Westenthaler ist von der FPÖ in den Stiftungsrat geschickt worden. Er bezeichnete den ORF als durchgeknallt und Propagandamaschine. Man kann einen Stiftungsrat nicht abberufen, auch wenn er sich unternehmensschädigend äußern sollte. Ist das klug? 
Das Aktienrecht unterscheidet sich insofern vom ORF-Gesetz, als für Stiftungsräte keine expliziten Bestimmungen vorgesehen sind, was die Konsequenzen eines unternehmensschädigenden Verhalten wären. Was den Kollegen Westenthaler betrifft: Wir haben in sehr vielen Bereichen unterschiedliche Einschätzungen und Haltungen gehabt, was den ORF betrifft, aber auch dem Umgang mit dem Publikum. Ich muss auf der anderen Seite sagen, es hat auch Dinge gegeben, wo er bestimmte Fehler aufgezeigt hat, die ich nachvollziehen konnte.

Kann sich der ORF eigentlich die Austragung des Song Contest leisten? 
Ja, jedenfalls. Das ist ja auch keine Aufgabe für den ORF allein, sondern das ist eine Riesenchance für Österreich. Und ich muss ehrlich sagen, mir hat dieser erste Reflex auch ein bisschen gestört, wo man dann irgendwie gleich mal alle potenziellen Probleme aufzählt, wenn man so etwas gewinnt. Ich freue mich drauf und bin sehr optimistisch, dass das eine gelungene Veranstaltung wird, die Österreich gut tun wird.

Sie sind vor fünf Jahren in den Stiftungsrat geschickt worden. Danach wurde enthüllt, es gebe zwischen türkis und grün einen Sideletter, wo drin steht, die Grünen bekämen den Vorsitz des Stiftungsrates. Jetzt sind die Grünen nicht mehr in der Regierung und sie scheiden aus dem Stiftungsrat aus. Erklären Sie mir bitte nochmals die Politikferne des ORF. 
Dass in einer Demokratie Stiftungsräte in einem öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen, von der Politik anhand von Wahlen bestellt werden, halte ich für legitim. Sobald man bestellt ist, hat man allerdings eigenständig zum Wohle des Unternehmens und seines Publikums tätig sein. Für mich war es ein Privileg, diese Funktion auszufüllen, auch wenn sie ehrenamtlich war.

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