Startseite Politik Verhandlung gegen Egisto Ott und Hans-Jörg Jenewein gestartet

Verhandlung gegen Egisto Ott und Hans-Jörg Jenewein gestartet

von Max

Schwere Geschütze hat der Staatsanwalt am Freitag am Wiener Landesgericht im Prozess gegen den früheren Chefinspektor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Egisto Ott, den ehemaligen freiheitlichen Nationalratsabgeordneten und nunmehrigen parlamentarischen Mitarbeiter Hans-Jörg Jenewein und zwei weitere Angeklagte aufgefahren. Ott habe sich „vom Staatsschützer zum Gefährder staatlicher Organisationen“ entwickelt, bemerkte der Anklagevertreter.

Ott habe „Polizeikolleginnen und Polizeikollegen“ gefährdet und speziell einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts mit der Weitergabe personenbezogener Daten – dessen Geburtsdatum und polizeilichen Werdegang – an Dritte sogar „in Lebensgefahr gebracht“, sagte der Staatsanwalt. Ott habe weiters „die Zusammenarbeit von Österreich und befreundeten ausländischen Nachrichtendiensten“ gefährdet und das Vertrauen der heimischen Bevölkerung in die Institutionen und Funktionsträger „untergraben“. Zur Motivation des strafrechtlich relevanten Vorgehens verwies der Staatsanwalt auf die erste, aus Vorwürfen gegen Ott herrührende Suspendierung des Ex-BVT-Chefinspektors, der „in die Sicherheitsakademie, zur Polizeischule abgeschoben“ worden sei. Das habe bei Ott „Hass und Wut auf das BVT geschürt.“

Otts Verteidiger: „Aus politischen Gründen angeklagt“

„Er war und ist Staatsschützer“, konterte einer der beiden Verteidiger Otts, der Wiener Anwalt Joseph Phillip Bischof. Ott habe als Polizeibeamter „maßgeblich zur Aufklärung der Briefbomben-Serie beigetragen“ und bei der Befreiung von österreichischen Geiseln im Ausland mitgewirkt: „Er war und ist Staatsschützer. Er ist kein Lebensgefährder.“ In ungewöhnlich deftigen Worten geißelte Bischof in Richtung der Staatsanwaltschaft die lange Ermittlungsdauer des Verfahrens: „Wenn ich sieben bis acht Jahre in den Hut scheiß‘, bin ich als Verteidiger zu recht weg vom Fenster.“

Bischof und der zweite Verteidiger Jürgen Stephan Mertens betonten die Schuldlosigkeit des 62-Jährigen. Ott sei auch nicht „von Hass getrieben“, sondern sei „ein Kritiker“, wie Bischof anmerkte. Er sei im BVT „massiv auf die Nerven gegangen, weil er so viel kritisiert hat.“

„Er ist aus politischen Gründen angeklagt. Er war sehr unangenehm“, sagte im Anschluss Mertens. Ott – laut Mertens der SPÖ zurechenbar – sei „vom von der ÖVP umgefärbten Innenministerium“ mit einer Fülle von Vorwürfen überzogen worden. Dabei habe er keine Amtsgeheimnisse weitergegeben. Die Informationen seien zum Teil „sogar im Amtsblatt gestanden“, bemerkte Mertens.

Jenewein für Staatsanwalt im Zentrum des Verfahrens

Im Zentrum des Verfahrens sah der Staatsanwalt Jenewein, der von 2017 bis 2019 für die FPÖ als Abgeordneter dem Nationalrat angehörte. Unter Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) kam es am 28. Februar 2018 zu einer umstrittenen, später für rechtswidrig erklärten Hausdurchsuchung beim BVT. Jenewein habe „die Hausdurchsuchung im BVT in der öffentlichen Meinung rechtfertigen“ und „die Führungsebene des BVT diskreditieren“ wollen. Das würden „über 100 Seiten an Chatprotokolle“ belegen, meinte der Staatsanwalt. Zu diesem Zweck habe er sich von Ott und der Drittangeklagten, einer ehemaligen Kabinettsmitarbeiterin Kickls mit Informationen über BVT-Beamte und deren Kontakte beschaffen lassen. Der Staatsanwalt bezeichnete Ott und die 53-jährige Frau wörtlich als Jeneweins „Zulieferer“.

Laut Anklage soll es zwischen Ott und Jenewein ab August 2018 eine „Kooperation“ gegeben haben. Jenewein, der dem parlamentarischen BVT-U-Ausschuss angehörte und kurzzeitig auch FPÖ-Sicherheitssprecher war, habe sich von Ott Informationen über ein Treffen des so genannten Berner Clubs – ein Treffen der Geheimdienst-Direktoren sämtlicher EU-Staaten, der Schweiz und Norwegens – beschafft. Ott – zu diesem Zeitpunkt bereits vom Dienst suspendiert – soll dem Politiker eine Liste mit den Namen von BVT-Beamten übermittelt haben, die an dieser länderübergreifenden Begegnung von Nachrichtendienst-Mitarbeitern teilgenommen hatten. Auch auf die Zusammensetzung der „Soko Tape“, die nach dem Ibiza-Video zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe eingerichtet wurde, soll Jenewein Ott angesetzt haben. Der Ex-Politiker soll weiters die so genannten Pilnacek-Chats weitergeleitet und verbotenerweise Fotos im U-Ausschuss aufgenommen und diese an Ott gesendet haben.

Jeneweins Verteidiger machte Immunität geltend

Jeneweins Verteidiger Christoph Rother wies zunächst sämtliche Vorwürfe gegen seinen Mandanten zurück. Dieser habe die Namen der gegenständlichen BVT-Beamten bereits gekannt. Jenewein habe sich als Fraktionsführer im parlamentarischen U-Ausschuss „für Missstände im BVT interessiert“ und habe „aus Gründen der Bequemlichkeit am kurzen Weg eine ganz kurze Abfrage veranlasst“. Bedenklich sei das insofern nicht gewesen, weil es um keine Amtsgeheimnisse gegangen sei.

Rother machte im weiteren geltend, dass für Jenewein nach wie vor die parlamentarische Immunität gelte, auch wenn dieser nicht mehr dem Nationalrat angehöre: „Die endet nicht. Auch nicht mit dem Ausscheiden aus dem Nationalrat.“

Darüber hinaus verwies der Anwalt auf das Informationsordnungsgesetz, das den Umgang mit klassifizierten Informationen und nicht öffentlichen Informationen im Bereich des Nationalrates und des Bundesrates regelt. Die Weitergabe von vertraulichen Informationen sei nur dann unter Strafe gestellt, wenn es sich dabei um solche der Klassifikationsstufe drei oder vier handle, bemerkte Rother. Im gegenständlichen Fall gehe es aber nur um Informationen auf den Stufen eins und zwei. „Der Anklage fehlt die rechtliche Grundlage“, meinte daher Rother. Und weiter: „Es war der Wille des Gesetzgebers, die Abgeordneten zu schützen.“ Allenfalls wäre Jenewein für dessen verfahrensgegenständliches Vorgehen im U-Ausschuss ein Ordnungsruf im Parlament bzw. vom Nationalratspräsidenten eine Ordnungsbuße zu verhängen gewesen.

Eine Anklageschrift und drei Strafanträge

Prozessgegenständlich sind mittlerweile nicht weniger als drei Strafanträge und eine Anklageschrift. Neben der ehemaligen Kickl-Mitarbeiterin ist auch ein deutscher Bekannter Otts mitangeklagt. Beide bekannten sich eingangs des Verfahrens „nicht schuldig“. Inkriminiert sind die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs, der Verletzung von Amtsgeheimnissen und datenschutzrechtlicher Bestimmungen.

Jenewein soll von Oktober 2018 bis Mai 2019 die damalige Kickl-Mitarbeiterin beauftragt haben, ihm Berichte mit Informationen zu Teilnehmenden an zwei Treffen europäischer Nachrichtendienste zu liefern. Im Juni 2020 soll Ott seinem deutschen Bekannten vertrauliche Informationen „gesteckt“ haben. Der in diesem Zusammenhang als Bestimmungstäter angeklagte Deutsche – eigenen Angaben zufolge mit Ott befreundet, bis 2018 „als Quelle“ für das BVT tätig und nun im privaten Personenschutz beschäftigt – nannte diese Vorwürfe „völlig absurd“. Er sei „nicht schuldig“.

Die Verhandlung hatte erwartungsgemäß mit auf die Angeklagten gerichtetem Blitzlichtgewitter begonnen. Neben Pressefotografen waren auch Film-Teams anwesend. Als sich ein im Publikum anwesender prominenter Journalist von seinem Sitzplatz erhob und mit seinem Smartphone Ott fotografierte, griff Ott in eine Sakko-Innentasche und fotografierte „zurück“. Das empörte den Journalisten, der Ott aufforderte, sein Verhalten einzustellen, da nicht sichergestellt sei, ob das Foto allenfalls weitergeleitet werde. Ott steckte daraufhin das Handy wieder ein, verwies jedoch darauf, der betreffende Journalist sei eine Person des öffentlichen Interesses, worauf der Journalist erwiderte, es seien „auch andere, Ermittler“ da.

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