Die Red Devils kamen gegen Ipswich Town nicht über ein 1:1-Unentschieden hinaus. Wer sich ein Fußballspektakel erwartete, sah sich enttäuscht. Vor dem Portugiesen liegt noch viel Arbeit, um den englischen Rekordmeister wieder auf die Siegesstraße zu bringen.
3-4-3 sorgte für Probleme
Manchester United startete in derselben Formation, die Amorim bei Sporting Lissabon so erfolgreich einsetzte. Ein 3-4-3 mit zwei zentralen offensiven Mittelfeldspielern, das man gut und gerne auch als 3-4-2-1 bezeichnen kann.
Die Probleme auf Grund des neuen Spielsystems entstanden jedoch weniger bei der Heimmannschaft aus Ipswich sondern eher bei den Red Devils selbst. Amorims System ist anspruchsvoll und laufintensiv und man merkte schnell, dass die Laufwege und vor allem auch die Abstimmung im Defensivverhalten noch nicht eingespielt waren. Im Spielaufbau fehlte die Präzision, sodass sich das Team aus dem Old Trafford stellenweise schwertat sich zu befreien oder einen geordneten Spielaufbau aufs Feld zu bekommen.
Die aufgezeigten Probleme dürfen nicht überraschen, denn die verhältnismäßig kurze Zeit, die Amorim auf Grund der Länderspielpause mit der Mannschaft hatte, ließ wohl nur die Möglichkeit zu grundlegende Abläufe einzustudieren.
Komplette taktische Umstellung
Manchester United unter Erik ten Hag war vor allem für eines bekannt: Die Mannschaft machte die Räume sehr eng. Hatte der Gegner den Ball verschob der Rekordmeister meist in die eigene Abwehrhälfte, gepresst wurde selten, die Red Devils machten das Feld dafür eng. Gewann man den Ball, war der Spielaufbau aber dennoch eher langsam, sodass es dem Gegner oft gelang seine Formation wieder einzunehmen. Da die Bälle selten im Angriffsdrittel gewonnen wurde, waren die Wege zum gegnerischen Tor meist sehr weit.
Unter Ruben Amorim gilt defensiv vor allem eines: Die Mitte muss zu sein. Im Aufbauspiel geht es dafür schnell, oft mit langen Bällen. Erzeugt wird die Gefahr über die Seite, in concreto über die beiden Flügelspieler, die teils lange Sprints zurücklegen oder die beiden zentralen offensiven Mittelfeldspieler, die sich zusätzlich auf die Seite fallen lassen. So gesehen beim 1:0 von Manchester United.
War das Spiel unter ten Hag eher gemächlich, geprägt von kurzen Antritten aber viel Dauerlauf, so ist Amorims System von einer hohen Körperlichkeit, langen Sprints, Explosivität und Schnelligkeit geprägt.
Überraschungen in der Startelf
Davon gab es einige.
Amorim entschied sich in seinem ersten Pflichtspieleinsatz für einen Dreierkette gebildet aus Nazraoui, de Ligt und Evans, dahinter Schlussmann Onana.
Im Vierermittelfeld nahmen Dalot, Casemiro, Eriksen und Diallo Platz. Die zwei Offensivpositionen wurden von Fernandes und Garnacho bekleidet, im Sturmzentrum startete Rashford, der nach einem mehr als 50-Meter-Lauf von Diallo das 1:0 in Minute 2 besorgte.
Nun war es weniger die Nominierung von Jonny Evans, die für Verwunderung sorgte, sondern jene von Casemiro, Eriksen und Rashford. Der zuletzt erstarkte Ugarte, der Wiedergenesene Mainoo sowie Hojlund nahmen stattdessen auf der Bank Platz.
Viele offene Räume auf beiden Seiten
Manchester United schaffte zwei Dinge nicht. Jene Räume, die Ipswich bot zu nützen und die Räume im eigenen Defensivverbund zu schließen.
Vor allem Casemiro und Eriksen wirkten oftmals überfordert. Zu langsam, im Zweikampf zu weit weg vom Gegenspieler, körperlich nicht fit genug – alle das führte dazu, dass die Dreierkette teils einen schweren Stand gegen die sehr offensiv eingestellten Tractor Boys hatte.
Speziell Ende der 1. Spielhälfte war es nur eine Frage der Zeit, wann Ipswich den mehr als verdienten Ausgleich erzielen würde. Es passierte schlussendlich in Minute 42 durch einen für André Onana unhaltbar abgefälschten Weitschuss von Omari Hutchinson. Der starke Onana war es, der die Red Devils schon früher vor dem Ausgleich bewahrt hatte.
Wurde Ipswich unterschätzt?
Eine Frage, die man sich stellen muss, ist, ob Amorim mit einem defensiveren Ipswich gerechnet hatte. Nur so kann man die Aufstellung von Casemiro und Eriksen erklären, die teils ziemlich überfordert mit einem sehr offensiv pressenden und gewohnt aggressiven Ipswich waren.
Das hohe Pressing der Tractor Boys war entscheidend dafür, dass Manchester United oftmals unkontrolliert mit langen Bällen agieren musste, auf die die Ipswich-Verteidigung gut eingestellt war. Das 1:0 für die Red Devils war de facto der einzige gröbere Schnitzer in der Verteidigung des Tabellen-Achtzehnten. Keeper Muric war geistig noch in der Kabine und unterschätzte den Flankenball von Diallo, den Rashford ins Tor spitzelte.
Danach ging aber nicht mehr viel bei den Red Devils und auch wenn der Ausgleich für Ipswich auf Grund des unhaltbar abgefälschten Schusses glücklich war, so waren die Tractor Boys dem Sieg am Ende näher als der Rekordmeister aus dem Old Trafford. Die Spieler von Ipswich, die mit Leidenschaft, Einsatz und schnörkellosem Fußball punkteten und Manchester United mehrmals vor Probleme stellten, die oft nun Onana in letzter Sekunde beheben konnte, waren ihren Kontrahenten in vielen Belangen überlegen.
Das Duell der Trainer entschied Kieran McKenna für sich, der seine Mannschaft perfekt auf die Red Devils eingestellt hatte. Die großen Gewinner auf Seiten der Red Devils waren sicherlich Onana und Diallo, die mit starken Leistungen herausragten.
Was braucht Amorim für sein System?
Blickt man zunächst auf die Dreierkette, so braucht der Portugiese drei schnelle und passsichere Verteidiger. Es dürfte daher nicht überraschen, wenn Luke Shaw in Zukunft Jonny Evans auf der linken Verteidigungsposition ersetzt.
Im zentralen defensiven Mittelfeld braucht es zwei zweikampf- sowie laufstarke und technisch versierte Spieler. Hier scheint die Lösung wohl eher bei Ugarte und Mainoo zu liegen als bei Casemiro und Eriksen.
Auf den Flügeln braucht es zwei pfeilschnelle Spieler. Diallo hat alles dafür getan, um auch nächstes Spiel von Beginn an dabei zu sein. Um den anderen Flügel werden Rashford und Garnacho rittern. Der Argentinier hat sich auf der Position im offensiven Mittelfeld nicht ganz so wohl gefühlt, wie erhofft. Eine Lösung könnte sein, dass Garnacho auf den Flügel wechselt, Rashford mit Fernandes im offensiven Zentrum agiert und Hojlund in die Sturmspitze geht. Dalot wird auf dem Flügel einen schweren Stand haben und am Ende des Tages mit Nazraoui um den letzten verbleibenden Platz in der Dreierkette kämpfen. Der größte Wackelkandidat könnte aber trotz Torerfolges Marcus Rashford sein.
Viele Analysten hatten vor dem Amtsantritt von Amorim bei Manchester United darüber spekuliert, ob der Portugiese bei Manchester United die richtigen Spieler für sein System hat. Betrachtet man die Red Devils genauer, so sind die Einzelspieler nicht so weit vom taktischen Anforderungskatalog entfernt, wie viele denken.
So sollte es nicht überraschen, wenn Amorim zukünftig mit folgender Aufstellung an den Start geht: Onana – Nazraoui, de Ligt, Shaw – Diallo, Mainoo, Ugarte, Garnacho – Fernanades, Rashford – Hojlund.