„Jetzt brauch’ ich wirklich bald einen Tresor für mein Gold“, sagt Stefan Burmetler und lacht. Der erst 17-Jährige hat schon wieder einen Bewerb der „World Series“ im Tischfußball gewonnen und dafür neben den 634 Euro Preisgeld ein Blättchen mit genau elf Gramm Gold von Hauptsponsor „philoro“ bekommen.
Sieben Stunden später gewinnt der Maurer-Lehrling nach dem Mixed-Bewerb auch bei den Herren. Für den Finalsieg – ausgerechnet gegen seinen älteren Bruder Daniel – gibt es 1.000 Euro und 31 Gramm Gold.
Sportart Tischfußball
Stefan Burmetler aus Kirchberg im Pielachtal ist das junge Gesicht einer aufstrebenden Sportart, die in St. Pölten auf insgesamt 90 Tischen von Donnerstag bis Sonntag 494 Athleten versammelt.
Sportart? Tischfußball, in Österreich besser bekannt als „Wuzzeln“ und beliebt als lustiger Zeitvertreib untertags im Büro, abends im Wirtshaus oder bis spät in die Nacht im Lokal, erlebt gerade einen ähnlichen Aufstieg wie vor ein paar Jahren Darts.
„In fünf Jahren, allerspätestens in zehn, sind wir eine anerkannte Sportart“, kündigt Wolfgang Breuer vom Verband TFBÖ an. Aktuell sind die Wuzzler bereits assoziiertes Mitglied bei Sport Austria und bekamen erstmals eine Förderung. „Deswegen kann ich halbtags für den Verband arbeiten. Sehr hilfreich ist auch unser Hauptsponsor ’philoro’, der einen begeisterten Tischfußballer als Chef hat“, erzählt der gelernte Optiker Breuer, der in St. Pölten auch noch Turnierorganisator ist.
„In fünf Jahren, allerspätestens in zehn, sind wir eine anerkannte Sportart“
Immer im 2-5-3-System
„Aber jetzt muss ich selbst spielen, mein Gegner wartet schon“, sagt die Nr. 76 der Welt und legt den Ball hin zum ersten von maximal fünf Sätzen auf je fünf Tore.
Weltweit sind die beiden Mannschaften stets in zwei Farben vor dem Tormann im 2-5-3-System aufgefädelt. „Mit der Stange nicht durchdrehen“ und „Keine Tore mit der Mittelreihe“ gelten fast überall als eherne Wuzzel-Regeln.
Auf der „World Series“, dem größten, vier Mal pro Jahr ausgetragenen Turnier-Format gilt aber nur die erste. „Mindestens einmal pro Match schieße ich mit der Mitte. Damit sich der Gegner nicht zu sicher sein kann, dass ich eh mit der Mitte auf die vorderste Reihe mit den drei Stürmern passe“, erzählt Stefan Burmetler. Dauerfeuer aus der Distanz wäre aber nicht sinnvoll, zu gut verteidigen die Wuzzel-Experten.
Was im Wirtshaus ebenfalls nicht zu sehen ist, heißt „pinnen“ – oder auf österreichisch „einzwicken“: Dabei wird der Mittelstürmer auf den Ball gedrückt, die Hand auf der Stange bis zum Handgelenk nach unten gerollt – damit die Rotation maximiert wird – und dann mit viel Schwung abgezogen. Der Ball beschleunigt dadurch so stark, dass der Schuss mit freiem Auge kaum wahrgenommen werden kann.
Das treffende Verbandsmotto lautet „Easy to play, hard to win“. Ein Jahr lang, schätzt Breuer, müsste mit einem Experten trainiert werden, um aus einem Wirtshaus-Wuzzler einen Turnier-Teilnehmer zu machen.
Verein statt Beisl
„Derzeit, und sicher auch in den nächsten Jahren, steigt das Niveau massiv. Die Burmetler-Brüder gehören zur ersten Generation, die nicht als Teenager im Beisl, sondern ganz klein, noch auf einer Kiste stehend, im Verein gelernt hat“, erzählt Verbandspräsident Thomas Wagner, der ebenfalls aus dem Pielachtal kommt und Lehrmeister der Burmetlers war: „Ich spiele hinten, Stefan vorne.“
Es ist nämlich so, dass weltweit kein Spieler vorne und hinten gleich gut spielt. Nicht einmal bei den Kirchbergern, die im Herren-Bewerb die Champions League gewonnen haben. Trotzdem wechselt Stefan auf dem Weg zu Gold im Mixed-Bewerb mit seiner Partnerin Melissa Mosser – einer Defensivspezialistin – öfters kurz den Platz: „Da gehts auch um Psychologie und Strategien. Es spielt sich ja so viel im Kopf ab.“
Der im Wirtshaus beliebte „Trash Talk“ ist freilich verboten. Gesprochen werden darf nur in (maximal) zwei Time-outs pro Satz und zwischen den Ballwechseln. Ansonsten ist ein Klaps auf den Hintern Stefan Burmetlers durch seine wesentlich ältere Partnerin Melissa schon der Höhepunkt an Emotion.
Außerdem überwacht der Schiedsrichter, ob eh nicht am Tisch gerüttelt wird – das wäre ein schweres Foul.
Der Tisch ist überhaupt ein eigenes Kapitel. Es gibt fünf führende Anbieter, in St. Pölten wird – so wie meistens in Österreich – auf der italienischen Marke „Garlando“ gespielt. Weil die Tisch-Unterschiede, etwa beim Tempo, so groß sind wie Tennis auf Sand oder Rasen, darf bei der WM 2025 in Saragossa jedes Team eine Marke auswählen. Nach jedem Satz wird der Tisch gewechselt. Und in einem Entscheidungssatz wird sogar nach jedem Tor der Nebentisch aufgesucht.
Es besteht kein Zweifel: Die Wuzzler wollen ernsthafte Sportler sein und sind als Tischfußballer auf dem besten Weg dorthin.