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Wahlbeteiligung steigern: Junge Menschen entwickeln starke Konzepte

von Max

Im Rahmen unseres WZ-Engage-Events entwickelten engagierte junge Menschen spannende Ansätze, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Die WZ legt diese Vorschläge der Demokratie-Expertin Lena Schoissengeyer vor und prüft mit ihr deren Umsetzbarkeit.

WZ | Verena Franke

Eine Idee aus dem Workshop war es, einen Informationsfolder vor der Wahl an alle Haushalte zu schicken. Darin sollen die Parteien und ihre Positionen verständlich und übersichtlich dargestellt werden. Was halten Sie von dieser Idee?

Lena Schoissengeyer

Der Gedanke eines Wahlfolders ist interessant. Er würde die Informationen direkt zu den Menschen bringen, ohne dass sie aktiv danach suchen müssen. Besonders spannend finde ich, dass diese Idee von den Jugendlichen selbst kam, die das Schweizer Modell bereits kannten und sich gefragt haben, warum es so etwas in Österreich nicht gibt. Die junge Generation ist es gewöhnt, Informationen schnell und einfach über ihre sozialen Netzwerke zu bekommen, und der Aufwand, sich politische Inhalte selbst zu erarbeiten, wirkt oft abschreckend. Was mir jedoch besonders wichtig erscheint, ist die Frage der Zielgruppe. Man sollte sich überlegen, wie man ihn gezielt für bestimmte Gruppen nutzbar macht, wie etwa junge Menschen oder Menschen mit Lernschwierigkeiten. Eine spannende Idee.

Bewusstsein schärfen statt materieller Anreize.

Lena Schoissengeyer

WZ | Verena Franke

Eine andere Idee war es, anzukündigen, dass es nach der Wahl Gastronomie-Gutscheine gibt. Diese sollen als Anreiz dienen, zur Wahl zu gehen, und politische Diskussionen im Gasthaus fördern. Wie sehen Sie das?

Lena Schoissengeyer

Die Idee ist nachvollziehbar, aber ich stehe solchen externen Anreizen skeptisch gegenüber. Ein Gutschein mag kurzfristig Menschen motivieren, aber ich fürchte, dass langfristig die eigentliche Motivation, nämlich aus Überzeugung zu wählen, verloren geht. Hinzu kommen organisatorische Hürden. In ländlichen Gebieten, wo es weniger Gasthäuser gibt, könnte das Angebot verpuffen. Auch der Aufwand für die Gastronomie wäre nicht zu unterschätzen. Ich denke, man sollte eher daran arbeiten, durch politische Bildung das Bewusstsein für die Bedeutung der Wahl zu stärken, statt materielle Anreize zu schaffen. Ich denke, dass Aufklärung und die Schaffung eines Bewusstseins für die Wichtigkeit des Wählens wirkungsvoller wären.

WZ | Verena Franke

Ein weiteres Thema war das Wahlrecht. Viele junge Menschen, die in Österreich leben, arbeiten und Steuern zahlen, aber keine Staatsbürger:innen sind, fühlen sich ausgeschlossen, weil sie nicht wählen dürfen. Wie stehen Sie dazu?

Lena Schoissengeyer

Das ist eine berechtigte und wichtige Frage, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ich verstehe die Frustration dieser Menschen sehr gut, besonders wenn sie seit vielen Jahren hier leben und Teil der Gesellschaft sind. Das kann schnell zu einem Gefühl der Ungerechtigkeit führen. In Österreich gibt es die Pass Egal Wahl, bei der Menschen ohne Wahlrecht symbolisch abstimmen können. Das zeigt, wie viele Menschen vom politischen Prozess ausgeschlossen sind. Die Frage des Wahlrechts ist heikel, da es traditionell an die Staatsbürgerschaft gekoppelt ist. Dennoch wäre es sinnvoll, über kommunale Wahlrechte für Langzeitbewohner ohne Staatsbürgerschaft nachzudenken.

Politische Bildung hängt in Österreich stark von der Lehrperson ab.

Lena Schoissengeyer

WZ | Verena Franke

Ein zentrales Thema beim WZ-Engage-Event war die politische Bildung. Viele Teilnehmer:innen haben sich gewünscht, dass politische Bildung bereits in der Volksschule verankert wird. Wie beurteilen Sie diesen Vorschlag?

Lena Schoissengeyer

Politische Bildung ist das Fundament jeder funktionierenden Demokratie, und ich stimme den jungen Menschen vollkommen zu, dass sie so früh wie möglich beginnen sollte. Derzeit hängt es in Österreich stark von der Lehrperson ab, wie viel Raum diesem Thema eingeräumt wird, und das schafft eine gewisse Ungleichheit. Ich denke ebenfalls, dass politische Bildung schon in der Volksschule sinnvoll wäre, vorausgesetzt, sie wird altersgerecht vermittelt. Themen wie Verantwortung und Mitbestimmung lassen sich schon im jungen Alter spielerisch vermitteln. Langfristig würde dies die politische Beteiligung stärken und das demokratische Bewusstsein schärfen. Wenn wir politische Bildung frühzeitig in den Schulalltag integrieren, schaffen wir eine Generation, die später bewusst und reflektiert am politischen Leben teilnimmt. Die Forderung nach mehr politischer Bildung ist nicht neu. Sie wird von verschiedenen Seiten, wie der Bundesjugendvertretung, schon lang erhoben. Dennoch gibt es Widerstände, solche Reformen umzusetzen. Oft liegt es an der Frage, wo die Stunden im Lehrplan herkommen sollen. Aber ich halte es für unumgänglich, hier langfristig eine Lösung zu finden, wenn wir die politische Partizipation der kommenden Generationen stärken wollen.

WZ | Verena Franke

Auch über das Fehlen von Begegnungsräumen wurde diskutiert. Viele Dorfgasthäuser schließen, was den sozialen Austausch erschwert. Wie wichtig sind solche Räume für den politischen Diskurs?

Lena Schoissengeyer

Das Thema ist für mich besonders wichtig, denn sie sind das Herzstück eines lebendigen gesellschaftlichen Dialogs. Dorfgasthäuser, aber auch andere öffentliche Treffpunkte, waren lange Zeit Orte, an denen Menschen zusammenkamen, um sich auszutauschen – oft über politische Themen. Wenn solche Orte verschwinden, geht auch ein Stück soziale Kultur verloren. Besonders in ländlichen Gebieten wird das schnell zu einem Problem, da es dort ohnehin schon weniger Gelegenheiten gibt, sich zwanglos zu treffen. In Zeiten von Social Media ist es schwierig, echte politische Diskussionen zu führen, da die Anonymität oft den Respekt untergräbt. Es braucht Orte, an denen Menschen zusammenkommen können, ohne konsumieren zu müssen – sei es in Jugendzentren oder Vereinen –, in denen eine Gemeinsamkeit verbindet. Diese Räume fördern nicht nur den sozialen Austausch, sondern auch den politischen Diskurs. Wichtig ist, dass es neutrale, offene Räume sind, die den Dialog ermöglichen. Es wäre eine lohnende Investition, solche Räume zu fördern, denn sie tragen maßgeblich dazu bei, die politische Kultur zu stärken.


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Infos und Quellen

Genese

In Kooperation mit dem Zentrum für Medienwissen der Mediengruppe Wiener Zeitung (ZfM) veranstaltete die WZ am 14. September das WZ-Engage-Event, für das sich junge Menschen anmelden konnten. Es wurde in Gruppen darüber diskutiert, was passieren muss, damit mehr Menschen zur Wahl gehen. WZ-Redakteurin Verena Franke hat die Ideen journalistisch aufgegriffen und die Demokratieexpertin Lena Schoissengeyer mit diesen Vorschlägen und Überlegungen konfrontiert.

Gesprächspartnerin

Lena Schoissengeyer studierte Deutsch, Geschichte und Politische Bildung an der Universität Wien und absolvierte den postgradualen Master Europäische Studien an der Universität Wien. An dieser promoviert sie im Arbeitsbereich Didaktik der Politischen Bildung zum Thema Politische Bildung in der Offenen Jugendarbeit in Österreich. Sie arbeitete im Bereich der politischen Partizipation von Jugendlichen auf Bezirksebene, der Gesundheitsförderung und als Lehrerin. Seit März 2024 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Demokratiezentrum Wien tätig.

Daten und Fakten

  • In Österreich sind alle Personen wahlberechtigt, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und am Tag der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet haben (Personen, die spätestens am 29. September 2024 ihren 16. Geburtstag feiern). Wählen ab 16 ist in Österreich seit 2007 gesetzlich möglich. Österreich war mit dieser Regelung das erste Land in der Europäischen Union.

  • Die Zahl jener Menschen, die in Österreich leben, aber nicht wählen dürfen, ist stark gestiegen. Zu Jahresbeginn lebten laut Statistik Austria 1,49 Millionen Menschen im Wahlalter mit einer anderen Staatsbürgerschaft in Österreich. Beinahe jede/jeder fünfte Bewohner:in ab 16 Jahren darf nicht politisch mitbestimmen. Rund 760.000 stammen aus anderen EU-Ländern.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien

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