Morgen ist Nationalratswahl. Georg Renner hat die Wahlprogramme für dich gelesen.
Heute habe ich ein bisschen Arbeit für euch. Am Sonntag ist Nationalratswahl, so viel setze ich als bekannt voraus. 6,4 Millionen Österreicher:innen entscheiden darüber, wie sich der nächste Nationalrat zusammensetzt, was traditionell wiederum dafür den Ausschlag geben wird, wie unsere nächste Regierung ausschaut. Wie es dazu Schritt für Schritt ab dem Zeitpunkt kommt, wenn das Wahlergebnis feststeht, wird uns an dieser Stelle kommende Woche beschäftigen.
Am Wahltag selbst werde ich übrigens mit den Kolleg:innen vom Social-Team der WZ im Parlament sein; schaut gern auf dem WZ-Tiktok-Kanal rein, wir berichten den Wahlabend über live.
Aber zurück in die Gegenwart: Heute möchte ich noch einmal darauf zurückkommen, wer da eigentlich zur Wahl steht – und was die einzelnen Parteien uns für den Fall versprechen, dass sie in der neuen Legislaturperiode etwas zu sagen haben. Dafür stellen Parteien normalerweise ein mehr oder weniger umfangreiches Wahlprogramm auf – das, abgeleitet aus den Ideologien und Grundsatzprogrammen, die die Parteien üblicherweise viele Jahre oder Jahrzehnte begleiten, Ideen, Konzepte und Pläne für den aktuellen Zeitpunkt enthält.
Ich habe die vergangenen Tage damit verbracht, diese Programme zu lesen – ich würde ja sagen, „damit ihr es nicht müsst“, aber das stimmt eben nur bedingt. Eure Stimme ist wertvoll, und wenn ihr diesen Newsletter lest, macht ihr euch sehr wahrscheinlich mehr Gedanken darüber als viele andere, wem ihr sie am Ende gebt.
Und da gibt es tatsächlich wenig verbindlichere Quellen als diese Wahlprogramme – die handelnden Personen können schon wenige Tage nach der Wahl weg sein (allein, wenn wir die zu Ende gehende Periode anschauen: Drei der fünf aktuell im Parlament vertretenen Parteien sind 2019 mit anderen Spitzenkandidat:innen ins Rennen gegangen, nur Werner Kogler von den Grünen und Beate Meinl-Reisinger von den Neos sind Veteranen auf Platz 1), und internationale politikwissenschaftliche Studien zeigen, dass Parteien tatsächlich dazu tendieren, viele ihrer Versprechen im Wahlkampf umzusetzen, wenn sie an die Macht kommen – und sich das mit ihren Koalitionspartner:innen machen lässt.
Eine gute Alternative können natürlich matching-Systeme wie Wahlkabine.at sein, aber für die eher textorientierten Typen habe ich hier einen kurzen Überblick.
Also: Ich habe die Programme jener sechs Parteien gesammelt, die nach den letzten Umfragen gute (im Fall der „Bierpartei“ wackelige) Chancen haben, in den Nationalrat einzuziehen. Am Anfang jedes Abschnittes habe ich das pdf der jeweiligen Langversion des Programms verlinkt. Ich würde empfehlen, die zumindest einmal zu überfliegen; meine Notizen dazu sind eben nur ein kurzer Überblick – besser, ihr macht euch selbst ein Bild.
ÖVP
Die ÖVP legt in ihrem Programm den Schwerpunkt auf Leistung, Familie und Sicherheit. Sie will Steuern und Abgaben senken, die Wirtschaft entlasten und Leistung stärker belohnen. Im Bereich Familie setzt sie auf „Wahlfreiheit“ bei der Kinderbetreuung und Entlastung von Familien. Bei der Sicherheit stehen der Kampf gegen illegale Migration, der Schutz der Grenzen und eine Stärkung von Polizei und Bundesheer im Fokus. Zudem will die ÖVP die Digitalisierung vorantreiben und den Wirtschaftsstandort stärken.
Drei konkrete Vorschläge, die stellvertretend für das Programm stehen:
SPÖ
Die SPÖ fokussiert stark auf die Schlagworte soziale Gerechtigkeit, Bekämpfung von Armut und Ungleichheit. Sie will Österreich zu einer „Mitmach-Republik“ machen, den Sozialstaat und öffentliche Dienstleistungen stärken. Außerdem bekennt sie sich zu „Verteidigung und Ausbau der Demokratie und des Rechtsstaats“ und grenzt sich von rechten Parteien ab.
Drei konkrete Vorhaben:
FPÖ
Die FPÖ legt ihren Schwerpunkt auf eine „Festung Österreich“ mit strikter Migrations- und Asylpolitik, Schutz der Grenzen und Remigration von Ausländern. Sie fordert mehr direkte Demokratie, eine Stärkung der nationalen Souveränität gegenüber der EU und die Bewahrung der Neutralität. Wirtschaftlich setzt sie auf Entlastungen, Bürokratieabbau und die Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Im Sozialbereich will die FPÖ, Österreicher:innen bei Sozialleistungen und Wohnungsvergabe bevorzugen. Kulturell betont die Partei traditionelle Werte, lehnt „Genderwahnsinn“ ab und will den „politischen Islam“ bekämpfen.
Drei konkrete Vorschläge:
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Wenn ein Volksbegehren vom Nationalrat abgelehnt wird, soll es zu einer verpflichtenden Volksabstimmung kommen, wenn vier Prozent der Stimmberechtigten (ca. 250.000) das Anliegen unterstützen.
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Steuerliche Begünstigung für Unternehmen, die in Österreich produzieren: Betriebe in österreichischem Besitz, die in Österreich rot-weiß-rote Produkte erzeugen, sollen steuerliche Vorteile genießen.
Grüne
Die Grünen setzen einen starken Fokus auf Klimaschutz und Energiewende, mit dem Ziel, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen, erneuerbare Energien massiv auszubauen und aus fossilen Brennstoffen auszusteigen. In der Wirtschaftspolitik wollen sie Green Jobs fördern, eine ökosoziale Steuerreform umsetzen und eine Kreislaufwirtschaft etablieren. Zentrale soziale Anliegen sind leistbares Wohnen, Armutsbekämpfung, mehr Chancengleichheit im Bildungssystem und ein Ausbau des Sozialstaats. Die Grünen treten für mehr Transparenz und Kontrolle in der Politik, eine Stärkung der Frauenrechte und die vollständige Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen ein. In der Migrationspolitik setzen sie auf „Menschlichkeit und Ordnung“ mit legalen Fluchtrouten, schnelleren Asylverfahren und besserer Integration.
Drei konkrete Vorschläge aus dem Programm:
Neos
Die Neos präsentieren sich als unabhängige und unverbrauchte Reformkraft, die bereit ist, in der nächsten Regierung Verantwortung zu übernehmen und Österreich nach „verlorenen Krisenjahren“ wieder in die richtige Richtung zu führen. Der Schwerpunkt liegt auf umfassenden Reformen in allen Bereichen, von Bildung und Wirtschaft über Klimapolitik bis hin zu Justiz und Europa, mit dem Ziel, Österreich moderner, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger zu gestalten. Zentrale Themen sind die Entlastung von Bürger:innen und Unternehmen, die Förderung von Innovation und Unternehmertum, eine transparentere Politik sowie eine stärkere europäische Integration.
Drei konkrete Vorschläge aus dem Programm:
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Es sollen 20.000 zusätzliche Lehrkräfte eingestellt werden, um jedem Kind die besten Chancen zu geben. Zudem soll ein Rechtsanspruch auf qualitätsvolle Bildung und Betreuung ab dem 1. Geburtstag eingeführt werden.
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Im Rahmen einer Steuerreform soll ein persönliches Pensions- und Vorsorge-Konto mit einem jährlichen Freibetrag von 3.000 Euro eingeführt werden.
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Partei- und Ministerienkassen sollen bis zum letzten Cent alle Ausgaben veröffentlichen; die Parteiförderung soll halbiert werden.
Bier-Partei
Das „Menü“ der Bierpartei ist weitaus unkonkreter als die ausführlichen, mehrere hundert Seiten starken Programme der etablierten Parlamentsparteien. An erster Stelle steht hier ein „Entpolitisierungspaket“, das Transparenz, Sauberkeit und Pragmatismus das Wort redet, ohne sich in Details zu verlieren. Viele Punkte des Bier-Programms sind vorerst nur Überschriften, häufig mit dem Verweis, Details mit Expert:innen ausarbeiten zu wollen.
Drei (halbwegs) konkrete Vorschläge:
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Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
Wahlprogramme der Parteien