Startseite Kultur „Wahnsinn! Wir sorgen für Verwirrung!“

„Wahnsinn! Wir sorgen für Verwirrung!“

von Max

Kapriziös? Steif? Reserviert? Keine Spur. Auch wenn man Stefanie Reinsperger noch nie persönlich begegnet ist: Man meint, eine alte Bekannte zu treffen, um sich endlich wieder auf den neuesten Stand zu bringen. Obwohl die Plauderei nicht im Café Heumarkt stattfindet, sondern im wenig heimeligen Erzherzogzimmer des Burgtheaters. Jedenfalls: Steffi Reinsperger ist nach sieben Jahren zurück. Schön. Aber warum?

KURIER: Joachim Meyerhoff hat in seinem neuen Buch „Man kann auch in die Höhe fallen“ Berlin als „Säurebad“ beschrieben. Und Wien als „Paradies“. Sehen Sie das ähnlich? Oder warum sind Sie nach sieben Jahren zurückgekehrt?

Stefanie Reinsperger: Also, ich hatte eine wundervolle Zeit in Berlin. Aber Stadt ist einfach sehr groß, sehr fordernd, sehr schnell. Und an jeder Ecke gibt es 4.000 Optionen. Wennst nach der Vorstellung mit den anderen überlegst, wo wir noch hingehen können, artet das in eine 40-minütige Diskussion aus. Und: Berlin ist halt nicht mein Zuhause. Meine Familie war mir zu weit weg. 

Sie lebt in Baden? 

Nein, in Biedermannsdorf. In Baden bin ich nur rausgeschlüpft, weil wir keine Zeit g’habt haben, nach Mödling zu fahren. Dieses Gefühl der Heimatlosigkeit kam, ehrlich gesagt, schon vor Corona und hat sich während der Pandemie verfestigt. Ich hab‘ gemerkt, ich will wieder dahin, wo ich den Humor verstehe.

Aber in Dortmund bleiben Sie schon Kommissarin?

Das letzte Jahr war etwas turbulent, meine Sachen lagerten wegen diverser Projekte an vier verschiedenen Orten. Ein Köfferchen bleibt aber in Dortmund. Ist ja die schönste Stadt in NRW. 

Zumindest die Stadt mit dem schönsten „U“.

Es kommt natürlich immer darauf an: Sind die Bücher spannend? Aber derzeit ist kein Ende in Sicht. Wir haben gerade drei Teile abgedreht und warten darauf, dass sie ausgestrahlt werden. 

Wie hat es Sie überhaupt ins Ruhrgebiet verschlagen?

Mit Moritz Führmann, dem Mann von Anna Schudt, war ich vor vielleicht zwölf Jahren in Düsseldorf engagiert. Er kam einmal ganz aufgeregt auf eine Probe: „Bist du deppert! Die machen einen neuen ,Tatort‘ und meine Frau ist die Kommissarin!“ Deshalb hab‘ ich den Dortmunder „Tatort“ von Anfang an geschaut – eben weil ich Anna und Moritz gut kenne. 2022 stieg Anna aus (Kommissarin Martina Bönisch starb den Serientod, Anm.), und ihre Agentin – sie ist mittlerweile auch meine – brachte mich als Nachfolgerin ins Rennen. Das wusste ich damals gar nicht. Als ich zum Casting eingeladen wurde, dachte ich mir: „Hä? Versteh‘n die mich dort überhaupt?“

Vielleicht wollte man ja einen Fremdkörper?

Wir haben in der Serie erzählt, dass meine Figur in Österreich aufgewachsen ist. Aber ich spreche ein eher neutrales Hochdeutsch!

Mit fällt auf: Österreicher in Berlin assimilieren gerne. 

Nee, wirklich? Det gloob ich jetzt nich! Ich finde das schrecklich! Auch wenn die Deutschen das Wienerische nachmachen. Aber ja, ich red‘ dort schon viel hochdeutscher. Das merke ich immer, wenn ich zurückkomm‘ und mein Papa sagt: „Was ist mit dir? Hör auf, das kann ich gar nicht ertragen, wenn du so red‘st.“

Wenn Sie bereits 2020 eine Sehnsucht nach der Familie hatten: Warum haben Sie noch vier Jahre zugewartet?

Die Pandemie war so eine nebulöse Phase. Und dann war der Plan, freischaffend zu arbeiten. Ich machte nur eine Premiere pro Saison am Berliner Ensemble, wollte schauen, wie es mir damit ging. Ich hab‘ unglaublich viel als Gast gearbeitet, viel gedreht, immer wieder an der Volksoper in der „Fledermaus“ den Frosch gespielt, da und dings und hin und her. Aber ich habe gemerkt, dass ich ein absolutes Ensembletier bin. Also, ich tu mir frei sehr schwer. Ich mag es, auch ein künstlerisches Zuhause zu haben. So wuchs meine Bereitschaft, mich wieder fest zu binden. Das ging einher mit der Ernennung von Stefan Bachmann zum Burgtheaterdirektor. Und dann hat’s passt. 

Er kam auf Sie zu? 

Regisseur Ersan Mondtag ermunterte mich: „Schreib dem mal, dass du willst! Er weiß es ja sonst nicht.“ Und ich: „Ja, ja, der wird auf mich warten! Dem schreiben jetzt 4.000 Kolleginnen und Kollegen, dass sie gerne ans Burgtheater wollen!“ Aber das Gute ist: Wenn man in Dortmund dreht, ist man sehr nah an Köln. Und viele Innenaufnahmen werden in Köln gedreht – zum Ärgernis der Dortmunder. Jedenfalls: Ich hab‘ mir im dortigen Schauspielhaus viele Produktionen angeschaut. Ich mochte die Stimmung. Und irgendwann hat es sich in einem Gespräch mit Stefan Bachmann eben ergeben. Ich sagte ihm, dass es die Verabredung gibt, am BE noch ein Stück zu machen. Es kommt Ende Februar heraus. Bachmann hat gesagt: „Das kriegen wir hin.“ Und jetzt kriegen wir es tatsächlich hin.

Am 6. Dezember hat „Liliom“ Premiere. Aber das heißt: Sie pendeln vorerst zwischen Berlin und Wien?

Ja, weil ich ja dort in fünf Produktionen weiter mitspiele. 

Bachmann bevorzugt Cross-Gender-Besetzungen: Der eingebildete Kranke wird von einer Frau gespielt, der skrupellose Manager Johann Holtrop – und nun auch der kriminelle Hutschenschleuderer …

Hier scheint das noch erwähnenswert, in Berlin interessiert das keinen mehr. In den letzten Jahren hab‘ ich den Baal gespielt, den Diener zweier Herren, den Hippolytos und den Theatermacher. Für mich ist das ganz normal. Ich glaube nicht, dass da ein Konzept dahintersteckt. Es hat eher mit einer Fantasie zu tun: Was geht da für eine kreative Energie los, wenn zum Beispiel Mavie Hörbiger den Peer Gynt spielt?

Und wie kam es überhaupt zu „Liliom“? 

Das weiß ich gar nicht. Ich erhielt bloß den Anruf von Chefdramaturg Thomas Jonigk, dass Philipp Stölzl gerne mit mir arbeiten würde. Ob mich das Stück interessiert. Und ich liebe ja Herausforderungen.

Die Inszenierung wird von einem rein österreichischen Ensemble bestritten. Was irgendwie skurril ist. Denn Ferenc Molnár verortet das Stück in Budapest. Lediglich in der Übersetzung von Alfred Polgar spielt es im Wiener Prater, aber auf die wird  nicht zurückgegriffen: Regisseur Philipp Stölzl verwendet die Übersetzung von Terézia Mora …

Wahnsinn! Wir sorgen für Verwirrung! Ich kann nur sagen: Unser „Liliom“ spüt net im Prater, sondern im Hier und Jetzt! Daher wird’s a ka Ringelspül geben. Ja, wir reden in unseren Dialekten, aber nicht Wienerisch. Das kann ich gar nicht, ich komm‘ ja aus Niederösterreich. Da gibt’s feine Unterschiede! Und wir sprechen im Dialekt, damit die Figuren ganz nah bei uns verankert sind.

Eine einzige Rolle wird Ihnen nicht genügen am Burgtheater …

Da würde mir ja urfad! Ich freue mich wahnsinnig, dass Mareike Fallwickl einen Monolog für mich schreibt, in dem sie sich am Mythos Sisi abarbeitet: Was bleibt von diesen Ikonen? Was überdauert die Zeit? Was können wir infrage stellen? Und die junge Fritzi Wartenberg wird das inszenieren. Das ist ein schönes Wagnis. Die Uraufführung ist am 11. April.

Wollen Sie noch was ankündigen?

Danach dreh‘ ich wieder eine Folge „Tatort“. Das genügt bis zum Sommer!

Sie waren sieben Jahre nicht im Haus. Hat es sich in der Zwischenzeit verändert? 

Das kann ich noch nicht beurteilen. Ich bin zu sehr im Probentunnel, hab‘ wenig mitbekommen. Generell hab‘ ich aber das G‘fühl, dass es eine gute Energie gibt. Ich finde hier alles unglaublich herzlich, sehe viele strahlende Gesichter, sei es am Gang oder in der Kantine oder hinter der Bühne. Ja, die Leute sind froh, dass ein neues Kapitel aufgeschlagen wurde. Bachmann ist eben ein sehr angenehmer Mensch, man kann mit ihm reden. Das ist für einen Intendanten – oder Direktor – immer noch ungewöhnlich.

Und wie soll es weitergehen? Werden Sie langfristig den Lebensmittelpunkt in Österreich haben?

Das ist der Plan. 

In Wien oder in Niederösterreich? 

So weit bin ich noch nicht! Am Sonntag wird rausgefahren nach Niederösterreich. Aber ich bin sehr froh, wenn ich danach wieder nach Wien komm!

Sie sind unter die Autorinnen gegangen, haben Ihre Erfahrungen und Anfeindungen in „Ganz schön wütend“ thematisiert … 

Es war richtig schön, diese Lesungen zu machen, dieses Feedback zu bekommen, im Austausch mit den Leuten zu sein. Das hat mich unglaublich berührt. Mit so viel Liebe hab‘ ich gar nicht gerechnet. 

Das heißt, Sie werden weiterschreiben? 

Ja, ich schreibe gerade mit einem Regisseur und einer Drehbuchautorin ein eigenes Drehbuch. Und dann gibt es noch ein anderes Filmprojekt, aber darüber darf ich noch nicht reden. Das sind doch unsere kleinen, rohen Eier. Es ist wie bei allen Projekten: Ich glaub’s erst, wenn die Proben angefangen haben. Oder wenn der erste Drehtag ist.

Und vielleicht auch einmal selbst Regie führen?

Sicher nicht beim Film. Aber beim Theater … Vor ein paar Jahren hätte ich gesagt: „Oh mein Gott, Hilfe!“ Aber inzwischen quittiere ich die Idee mit einem „Hm, vielleicht“.

Das heißt: Sie werden Bachmann Projekte vorschlagen?

Würde ich. Weil ich das Gefühl habe, dass es erwünscht ist, wenn wir mit Ideen kommen. Die Zeiten sind zum Glück vorbei, in denen einer sagt, was man zu spielen hat – und man darf keinen Mucks von sich geben.

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