Startseite Kultur So war die erste „Norma“-Premiere in Wien

So war die erste „Norma“-Premiere in Wien

von Max

Den Auftakt machte das Theater an der Wien, ehe am kommenden Samstag die Wiener Staatsoper folgt – und wenn man eine Sängerin wie Asmik Grigorian aufbieten kann, verblassen sämtliche Überlegungen bezüglich der Sinnhaftigkeit einer Opern-Doublette ganz rasch. Die Sopranistin, die wie so viele Menschen zuletzt gesundheitlich nicht voll auf der Höhe war, ließ sich vom Hausherren Stefan Herheim als nicht ganz fit ansagen. Wenn das die Leistung einer nicht ganz Gesunden war, dann rätselt man, wie es noch besser gehen soll.

Asmik Grigorian ist eine Erscheinung auf der Bühne, sängerisch und als Persönlichkeit. Sie macht aus der seltsamen Druiden-Seherin-Priesterin eine Medea und eine moderne Frau. Sie spielt beeindruckend, zutiefst berührend und veredelt eine im Grunde fade Inszenierung. Und sie singt wie eine Göttin, nicht nur, aber buchstäblich auch im „Casta Diva“, das sie so grandios, zart, dennoch stets ausdrucksstark gestaltet, dass man sich keine Sekunde an große Vorbilder zu sehnen braucht. Grigorian ist in manchen Partien die Sängerin unserer Zeit, die das Publikum zu verzaubern weiß wie keine andere.

Dabei ist Norma nicht ihre beste Rolle, weil die Koloraturen für sie nicht ideal sind. Aber Norma ist für sie besser als etwa Turandot. Und selbst bei derart komplexen Partien, die so viel abverlangen, begeistert sie als fabelhafte Singschauspielerin. Ihr Timbre ist wunderschön, die lyrischen Passagen meistert sie mit Noblesse, in der Höhe ist sie voll auf jener, wenn auch anfänglich anders verkündet. In den Duetten agiert sie uneitel und partnerschaftlich. Und bei all dem sieht man ihr besonders gerne zu.

Der Pollione an ihrer Seite, der mit ihr zwei Kinder hat, sich dann in Adalgisa verliebt, Norma sitzen lässt und schließlich doch mit ihr in den Tod geht (wenn er sie auch in dieser Inszenierung gegen ihren Willen zu retten versucht), ist Freddie De Tommaso. Ein Tenor mit altmodischer, schöner Italianità, guter Höhe und viel Kraft – leider setzt er letztere zu ungezügelt ein. So viel Gas hätte er gar nicht geben müssen, aber vielleicht glaubt er, in Österreich fährt man schon mit 150.

Aigul Akhmetshina ist eine erstklassige Adalgisa mit Power und Qualitäten in allen Stimmlagen. Tareq Nazmi ist als profunder Oroveso ebenso gut besetzt wie Victoria Leshkevich als Clotilde und Gustavo Quaresma als Flavio.

Mit diesen Solisten und mit dem fabelhaften Schönberg-Chor hat das Theater an der Wien der Staatsoper etwas vorgelegt. Leider ist die orchestrale Gestaltung, vor allem wegen des Dirigenten Francesco Lanzilotta, enttäuschend. Die Partitur von Bellini, die durchaus viele Schönheiten bietet, wird nur unzureichend realisiert, mit wenig Dramatik, kaum Differenzierung (außer laut/leise), dürftiger Gestaltung und vor allem (das Schlimmste!) Schwächen in der Koordination mit dem Bühnengeschehen. Erstaunlich, dass das Theater an der Wien, das Probenbedingungen wie wenige andere Häuser bieten kann, da keinen besseren Dirigenten gefunden hat oder finden wollte.

Auch die Inszenierung von Vasily Barkhatov hat ihre Schwächen, und zwar weniger in der Deutung als in der Umsetzung. „Norma“ ist für Regisseure immer ein forderndes Werk. Wie setzt man die Geschichte von den Gott untreuen Priesterinnen heutzutage um? Wie das von Römern besetzte, unbeugsame gallische Dorf? Historisch mit Druiden und Misteln? Oder ironisch wie bei „Asterix“ mit einem Obelix als Tenor und einem schlecht musizierenden Troubadix im Orchestergraben? (Vielleicht gar nicht die schlechteste Idee: „Asterix in der Oper“…)

Barkhatov entscheidet sich – wie so viele Regisseure, die etwas aktualisieren wollen – für eine Abrechnung mit Faschismus. Die Gallier sind anfangs noch glücklich und bauen Engelsskulpturen, dann kommen die Unterdrücker, und die Gallier müssen kleine Führerbüsten bauen. Barkhatov zeigt, wie Pollione, der Feind, Norma vor der Gewalt der Militärs rettet, weshalb sie sich offenbar in ihn verliebt. In Folge wird die Inszenierung aber sehr monoton, teilweise unlogisch, entwickelt keinerlei Magie und braucht immer wieder Vorhänge, was die Handlung bremst. Die Optik und das Licht sind auch nicht sonderlich schön und schaffen wenig Atmosphäre.

All das nimmt man gerne in Kauf, wenn man dafür Asmik Grigorian bei ihrem Norma-Debüt bekommt. Und sie selbst nimmt auch alles in Kauf und macht wett, was musikalisch und szenisch fehlt. Die „Casta Diva“ (keusche Göttin) ist eine „Fantastica Diva“.

 

 

 

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