Die Bildungskarenz wurde in den vergangenen Jahren immer beliebter, jetzt droht ihr das Aus. Kritik an dem Modell gibt es aber schon länger.
Weiterbilden, eine Pause vom stressigen Arbeitsalltag oder eine Verlängerung der Elternkarenz: Die Bildungskarenz wurde in den vergangenen Jahren immer beliebter, doch damit könnte bald Schluss sein. Die künftigen Regierungspartner ÖVP und FPÖ wollen sie als Sparmaßnahme streichen. Dass das Modell nicht unbedingt seinen Zweck erfüllt, kritisierte der Rechnungshof schon vor zwei Jahren. Doch welche Alternativen gibt es?
Was ist die Bildungskarenz genau?
Die Bildungskarenz ist eine Option, sich für Weiterbildung freistellen zu lassen, ohne dabei das Arbeitsverhältnis aufzugeben. Arbeitnehmer:innen können bis zu zwölf Monate Karenz in Anspruch nehmen, sofern sie mindestens sechs Monate angestellt waren. Während dieser Zeit erhält der oder die Anspruchnehmer:in kein reguläres Gehalt des Arbeitgebers, sondern Arbeitslosengeld. Das Arbeitsmarktservice (AMS) anerkennt Bildungsangebote im In- und Ausland, die beruflichen Bezug haben. Die Weiterbildung muss mindestens 20 Stunden pro Woche in Anspruch nehmen, bei betreuungspflichtigen Kindern unter sieben Jahren mindestens 16 Stunden pro Woche.
Wer nutzt die Bildungskarenz
Die Zahl der Anspruchnehmer:innen hat sich laut einem Bericht des Rechnungshofes von 2010 auf 2021 verdoppelt, 2021 waren rund 14.000 Personen in Bildungskarenz – 74 Prozent davon waren Frauen. Die Idee, dass Arbeitnehmer:innen nach der Weiterbildung höher qualifiziert zurückkehren, geht nicht immer auf: Mehr als ein Viertel ist nach der Karenz nicht erwerbstätig, bei den Frauen sind es sogar 30 Prozent, so die Studie des Rechnungshofs. Zudem entscheiden sich vor allem bereits höher Qualifizierte für eine Bildungskarenz.
Warum die Bildungskarenz kritisiert wird
Der Rechnungshof kam zum Schluss, dass die Bildungskarenz ein Instrument für bildungsinteressierte Personen sein sollte, um das individuelle Fortkommen am Arbeitsmarkt zu unterstützen und auch einen gesellschaftlichen Nutzen für den Wirtschaftsstandort zu schaffen. Es sei jetzt aber so ausgestaltet, dass es für wenig relevante Weiterbildung als „Auszeit aus dem Arbeitsprozess” genutzt werden könnte. Die Kontrollbehörde kritisiert zudem die mangelnde Nachweispflicht.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) aus dem Jahr 2024. Demnach sind die Bildungskarenzbezieher:innen tendenziell jung, weiblich und höher gebildet, die Hälfte hat zumindest einen Maturaabschluss. Die Wirkung stuft das WIFO als moderat ein. Bei jenen, die aus der Eltern- in die Bildungskarenz umsteigen, sei ein positiver Beschäftigungseffekt zu sehen. Es zeige aber auch einen Bedarf an ausreichender Betreuungsstruktur und Bildungsangeboten für Eltern mit Kleinkindern.
Hat die Bildungskarenz ausgedient?
Das Weiterbildungsinstrument kostet den Staat laut Rechnungshofbericht rund 300 Millionen jährlich, FPÖ und ÖVP erwarten sich durch die Abschaffung eine Ersparnis in Höhe von 350 Millionen Euro. Diese Zahl hält das WIFO für zu hoch gegriffen und sowohl die Arbeiterkammer als auch die Wirtschaftskammer sprechen sich gegen das Ende aus. Stattdessen soll das jetzige Modell reformiert werden, das WIFO etwa will weniger qualifizierte Personen zur Weiterbildung bringen. Auch das AK-nahe Momentum Institut spricht sich für eine Reform aus, eine vollständige Abschaffung würde zu Lasten von Müttern und ihrer Erwerbsbeteiligung gehen.
Alternativen zur Bildungskarenz
Für jene, die die Bildungskarenz vor allem als Verlängerung der Elternkarenz nutzen, braucht es also laut den Expert:innen ein besseres Betreuungsangebot. Für die Weiterqualifizierung am Arbeitsmarkt müssten weniger gut ausgebildete Menschen gezielter angesprochen werden. Und wer tatsächlich eine Pause vom Arbeitsalltag braucht, für den gibt es ein anderes Vehikel: Das Sabbatical ist mittlerweile in manchen Kollektivverträgen geregelt und erlaubt es, Gehaltszahlungen oder Arbeitszeit anzusparen, um diese dann als bezahlten Urlaub in Anspruch zu nehmen. Einen Rechtsanspruch darauf gibt es derzeit allerdings nur für öffentlich Bedienstete.
Während sich die Regierungsverhandler FPÖ und ÖVP über das Ende der Bildungskarenz einig sind, wird noch über Details verhandelt. Von einer Reform des Weiterbildungsinstruments sprechen die beiden Parteien derzeit aber nicht. Wer sich aktuell in Bildungskarenz befindet, müsse sich wahrscheinlich keine Sorgen machen, informiert der Gewerkschaftsbund.
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns – sag uns deine Meinung unter [email protected]. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Daten und Fakten
-
Fast drei Viertel der Bildungskarenzteilnehmer:innen sind laut Rechnungshof Frauen.
-
Mehr als ein Viertel kehrt nach der Bildungskarenz nicht in den alten Job zurück, bei Müttern führt die Weiterbildung aber zu einem positiven Beschäftigungseffekt.
-
FPÖ und ÖVP wollen mit der Abschaffung der Bildungskarenz jährlich 350 Millionen Euro einsparen.