Die Umfragen geben heute noch nicht her, ob die kinderlos verheiratete Ehefrau von „Second Gentleman” Doug Emhoff gegen Trump im November eine veritable Chance hätte. Entweder liegt sie mit dem Republikaner gleichauf (44 zu 44 Prozent). Oder Trumps Vorsprung bewegt sich in der Fehler-Marge von drei Prozentpunkten.
Trump gibt sich sieges-, ist in Wahrheit aber unsicher
Nach außen gibt sich Trump betont siegessicher. Im Inneren seiner Kampagne ist die Unsicherheit groß in der Frage, wie sehr sich die Koordinaten verschieben könnten, wenn die erste afro-amerikanische Vize-Präsidentin der USA erst einmal offiziell als Kandidatin auf den Schild gehoben ist. Wenn plötzlich nicht mehr Joe Biden der Oldie ist, sondern dem ganzen Land auffällt, dass Trump fast 20 Jahre älter ist als Harris. Dann könnte die Debatte über das Alter des künftigen Commanders-in-Chief neuen Drive bekommen, nur diesmal mit anderen Vorzeichen.
Susie Wiles und Chris LaCivita, Trumps Strippenzieher im Wahlkampf, wollen es so weit gar nicht erst kommen lassen. Schon in den nächsten Tagen sollen landesweit riesige TV-Werbe-Anzeigen anrollen, die Harris als weiblichen Klon Bidens karikieren und ihr alles ans Bein zu binden versuchen (illegale Einwanderung, Inflation etc.), was bisher ausschließlich bei Joe Biden abgekippt wurde.
Rückendeckung, auch von den Spendern
Insgeheim fürchtet man den Widerstandsgeist der Demokraten, die bereit sind, die Extra-Meile zu gehen, um Trump zu verhindern. Dass Harris wenige Stunden nach Bidens Aufgabe knapp 50 Millionen Dollar an Spenden einnahm, dass sich rund 200 Abgeordnete, Senatoren und Gouverneure in Windeseile rückhaltlos hinter sie stellten, nötigt konservativen Analysten „Respekt” ab.
Sollte Harris es verstehen, sich nicht nur als Verwalterin des Biden-Erbes zu inszenieren, sondern mit Charisma eigene Akzente zu setzen, die gerade in moderaten Wählerschichten Anklang finden, „hätte Trump ein Problem”.
Die Trump-Kampagne hat sich offenbar dazu entschieden, die Rivalin im Wartestand nach Möglichkeit zu zerstören, bevor sie den ersten Schritt im Wahlkampf gehen kann. Darum wird der abrupte Wechsel Biden-Harris ohne juristische Unterfütterung als illegal gebrandmarkt.
Darum wird Harris quasi des Landesverrats bezichtigt, weil sie über drei Jahre als Vize gute Miene zu Bidens geistigem Verfall gemacht habe, anstatt die Alarmglocken zu läuten. Darum wird Harris auch von X-Boss Elon Musk als „Marionette” verunglimpft, deren Fäden von mächtigen Dritten gezogen würden. Welchen, das sagt Musk nicht.
Angriffsfläche Einwanderung
Am meisten Honig glauben die Republikaner aus Harris‘ politischen Vorstößen gegen die illegale Einwanderung an der Südgrenze zu Mexiko saugen zu können. Weil Biden seine Stellvertreterin hier mit Sonder-Aufgaben betraut hatte, ohne durchschlagenden Erfolg, gehen Trump & Co. in die Offensive: „Sie hatte die Verantwortung für die Grenze, und wir haben die schlimmste Invasion von Illegalen in unserer Geschichte erlebt.”
Weitere Angriffsflächen sieht das Trump-Lager in Harris‘ gefühlter Eliten-Herkunft an der sonnigen Westküste. Soll heißen: Weiße Industrie-Arbeiter in Michigan, Wisconsin und Pennsylvania konnten sich vielleicht noch für Joe Biden erwärmen. Dass Harris sich glaubwürdig als Kümmerin für die kleinen Leute darstellen kann, sei nahezu unmöglich. Kamala Harris soll gelächelt haben, als sie das hörte.