Wenn Pipelines nicht ausreichen
An zwei Tankstellen wird das Flüssiggas anschließend in Tanklastwagen gefüllt. Das muss realtiv schnell gehen, denn auch in den gut isolierten Tanks steigen Druck und Temperatur ständig. „Je nach Saison bleibt das Gas eine bis maximal drei Wochen hier“, erzählt Terminal-Manager Tommy Borgaas der Besuchergruppe aus Mitarbeitern von Wien Energie und österreichischen Journalisten. Gasum verkauft LNG an Kunden im Industrie- und Mobilitätsbereich (Schiffe, Lkw, Busse).
LNG-Terminals wie jener in Fredrikstad – der vergleichsweise klein ist – sind momentan sehr beschäftigt, sagt Kenneth Olsen, Lieferkettendirektor von Gasum. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine, darauf folgenden Sanktionen und zuletzt dem Transitstopp durch die Ukraine muss Europa vermehrt auf anderem Weg zu Erdgas kommen. Industrie, Energiebranche, aber auch viele Haushalte sind weiterhin auf Gas angewiesen. Wenn Pipelines nicht ausreichen, muss das Gas per Schiff angeliefert werden.
Norwegen und USA nun größte Lieferanten
Der LNG-Anteil an den Gasimporten nach Europa soll 2025 rund 40 Prozent betragen, besagen Prognosen des Energieberatungsunternehmens Rystad Energy aus Oslo. Knapp die Hälfte des Flüssiggases kommt aus den USA, weitere große Lieferanten sind Algerien und Katar. Die Ware wird meist zu großen Häfen entlang der Atlantik- und Mittelmeerküste gebracht. Meistens wird der flüssige Energieträger wieder gasförmig gemacht und in Leitungsnetze eingespeist. So kommt er beispielsweise auch nach Österreich.
Nach dem rasanten Schwund russischen Erdgases in Europa (das Land hat aber immer noch bis zu 15 Prozent Marktanteil in der EU) ist vor allem Norwegen als Lieferant eingesprungen. Das Land mit 5,5 Millionen Einwohnern stemmt über 30 Prozent der europäischen Gasversorgung. Zum Rest Europas bestehen Pipeline-Verbindungen. Die Produktion weiter stark zu erhöhen, kommt für Norwegen aber nicht in Frage. Man will mit seinen Gasreserven ökonomisch und ökologisch gut umgehen.
Preisschwankungen, auch durch EU-Vorgaben
Um den Ausfall von russischem Gas zu kompensieren, ist daher vorerst mehr Flüssiggas gefragt. Vor allem die USA sind auch bereit zu liefern. Produktionskapazitäten werden dort stark ausgebaut. Laut Rystad wird es schon 2027 zu einem klaren Überangebot kommen. Die Preise könnten dadurch sinken, der Handel langfristiger Lieferverträge an den Strombörsen deutet das auch an. Rystad sieht bei der Preisentwicklung in Zukunft aber viel Unsicherheit.
In diesem Jahr ist die Nachfrage nach Erdgas noch sehr hoch, dafür sind auch ambitionierte Vorgaben der EU verantwortlich. Mitgliedsstaaten wird vorgeschrieben, zu welchem Zeitpunkt ihre Speicher wie voll sein müssen. Im Sommer werden Großhandelspreise dadurch auf einem höheren Niveau als in der Vergangenheit liegen.
Langfristig ganz ohne Erdgas
Langfristig geht der Gasbedarf in Europa durch die voranschreitende Dekarbonisierung der Wirtschaft zurück. Der Ausfall von russischem Gas kann gut kompensiert werden. Norwegen nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Seitdem man sich im Sommer 2024 dazu entschlossen habe, auf russisches Gas völlig zu verzichten, beziehe Wien Energie 80 Prozent seines Erdgases aus dem Norden, sagt CEO Michael Strebl.
Als Fernziel strebt der Energieversorger einen kompletten Ausstieg aus Gas an. Dafür müssen allerdings erneuerbare Energien stark ausgebaut werden und derzeit noch nicht vorhandene Speichermöglichkeiten geschaffen werden. Gaskraftwerke werde man als notwendige Brückentechnologie noch eine Zeit lang benötigen, sagt Strebl. Um sie wirtschaftlich betreiben zu können, wären allerdings Veränderungen am Strommarktmodell notwendig. Wie die aussehen könnten und müssten, darüber herrscht in Europa noch Uneinigkeit.
Der Kurier war auf Einladung von Wien Energie in Norwegen.