Dass die Geschlechter-Frage in diesem US-Präsidentschaftswahlkampf eine noch größere Rolle als sonst beanspruchen würde, war schon bei den Parteitagen im Sommer erkennbar. Michelle Obama, Talkshow-Queen Oprah Winfrey, die frühere Außenministerin Hillary Clinton, die Hollywood-Schauspielerin Eva Longoria, die Pop-Stars Pink und „The Chicks“ – bei Kamala Harris stand der Krönungsparteitag in Chicago im Zeichen von und für Frauen.
Donald Trump dagegen spielte in Milwaukee auf einer strikt männlichen Klaviatur. Neben dem Senioren-Wrestler Hulk Hogan, dem Kampfsportler Dana White und dem Alt-Rocker Kid Rock appellierten auch andere Acts zu den Klängen des James-Brown-Hits „It’s a Man’s Man’s Man’s World“ an den laut Trump angeblich in seiner Existenz bedrohten weißen Mann.
Die stereotypische Herangehensweise spiegelt sich knapp zwei Wochen vor der Wahl auch in den Umfragen wieder: Der „Gender Gap“ wird immer größer. Frauen, vor allem jüngere mit besserem Bildungshintergrund sowie Latinas und Afroamerikanerinnen, fühlen sich nach Analysen der Meinungsforschung eindeutig stärker zu Harris hingezogen. Amtsinhaber Joe Biden hatte bei ihnen bei der Wahl 2020 einen Vorsprung von zwölf Prozentpunkten. Bei Harris ist es noch erheblich mehr geworden, Tendenz steigend.
Männer, gerade jüngere Weiße ohne College-Ausbildung, aber auch Hispanics und junge Schwarze, tendieren hingegen verstärkt zu Trump. In Zahlen wird die Kluft besonders deutlich: So führte der MSNBC-Analyst Steve Kornacki aus, dass Harris bei Frauen mit 21 Prozentpunkten vor Trump liegt. Der Ex-Präsident führt dagegen bei Männern mit zwölf Prozentpunkten. So ein „ausgeprägtes Geschlechtergefälle“ habe es lange nicht mehr gegeben, sagt Kornacki, „das ist wirklich enorm.“
Trump im Macho-Modus
Erklärungen dafür gibt es mehrere: Da ist zunächst der stark polarisierende Trump, der in der Vergangenheit mit sexistischen, frauenfeindlichen Äußerungen weibliche Wähler abgeschreckt hat. Er nannte den Porno-Star Stormy Daniels, mit der er eine inzwischen rechtskundig gewordene Affäre gehabt haben soll, „Pferdegesicht“. Seine republikanische Konkurrentin in den Vorwahlen, Nikki Haley, bezeichnete er als „Spatzenhirn“. Kamala Harris musste sich seit Antritt ihrer Kandidatur mehrfach anhören, sie habe sich bei ihrem Aufstieg zur kalifornischen Justizministerin „hochgeschlafen“.
2023 befand eine Geschworenen-Jury Trump für schuldig, die Ratgeberkolumnistin E. Jean Carroll vor 30 Jahren in einem Kaufhaus in Manhattan sexuell missbraucht und diffamiert zu haben. Trump ist zu Zahlungen von über 90 Millionen Dollar verurteilt worden, ging aber in Berufung. Das und Trumps Eiertanz beim Thema Abtreibung, wo er mal radikalen Verboten, dann wieder liberal-mehrheitsfähigen Lockerungen verspricht, stoße viele Wählerinnen „massiv ab“.
Kein Gender-Fokus
Gleichzeitig wird in der weiblichen Wählerschaft offenbar goutiert, dass Harris – obwohl die erste farbige Frau in diese Rolle – im Wahlkampf allzu aufdringliche Hinweise auf ihr Geschlecht oder ihre Rasse vermeidet; ganz im Gegensatz zu ihrer einzigen Vorgängerin Hillary Clinton, die oft demonstrativ die weiße Suffragetten-Uniform anzog.
Der Machismo, den Trump gerade bei Kundgebungen kultiviert, wo er häufig mit Gewalt gegen Andersdenkende liebäugelt, „fällt bei jungen Latino-Männern und Schwarzen, die sich benachteiligt, entwurzelt und desorientiert fühlen, auf fruchtbaren Boden“, so Forscher der George Mason-Universität in Washington. Trump schwingt sich zum Sachwalter derer auf, die sich zu den Zukurzgekommenen zählen, die „Chancengleichheit“ als Gefahr sehen. Harris hingegen personifiziert für viele Wählerinnen das Bild einer Pionierin, die sich anschickt, die berühmte Glasdecke zu durchbrechen, sich nicht von Trump (siehe TV-Debatte) die Butter vom Brot nehmen lässt und konsequent feministische Anliegen vertritt – allen voran das durch den von Trump konservativ deformierten Supreme Court geschredderte Recht auf Schwangerschaftsabbruch.
In den letzten Tagen vor der Wahl versuchen beide Lager, die Kluft zwischen den Geschlechtern zu schließen. Harris bietet jungen Männern Unternehmenskredite, Berufsausbildung und Gesundheitsinitiativen an. Trump stellt sich Frauen als ihr „Beschützer“ vor – und nennt die Abtreibungsgesetze in einigen Bundesstaaten „viel zu hart“.