Startseite Wirtschaft Warum immer mehr Briten ein zweites Standbein aufbauen

Warum immer mehr Briten ein zweites Standbein aufbauen

von Max

Zweites Einkommen

Auch wenn Shaun Tookeys Metier besonders ist: Der 32-Jährige ist in Großbritannien keine Ausnahme. Eine aktuelle Umfrage der Buchhaltungsfirma Sage ergab, dass fast die Hälfte der Briten (47 Prozent) ein zweites Einkommen hat, und zehn weitere Prozent aktiv nach einem Zuverdienst suchen.

Während sich in den englischen Hauptstraßen immer noch kleine Läden wie auf einer Perlenkette aneinanderreihen: die Ära der Briten als Shopbesitzer – als „nation de boutiquiers“ wie Napoleon geurteilt haben soll – scheint vorüber. Heute sind die Briten vielmehr zu „Side Hustlern“ geworden: Sie setzen auf Projekte, die sie in den Randzeiten und oft von zu Hause aus erledigen können; sie verkaufen digitale Produkte, geben Nachhilfe, testen Apps, bieten sich als Hundesitter an oder schreiben Pressetexte.

Der Umfang ist dabei ganz unterschiedlich: Die 33-jährige Holly (unter dem Namen „HollysLittleLife“ auf Tiktok) verkauft gebrauchte Kleidung auf Vinted, um die notwendigen 4.000 Pfund für den Familienurlaub zusammenzusparen. Die Britin Liv von der Isle of Wight konnte vergangenen Dezember 840 Euro dazuverdienen, indem sie auf Katzen aufpasste. Und Rosie Macpherson erzählte The Sun, dass sie durch ihren Influencer-Hund Winnie 200.000 Pfund dazuverdienen konnte.

Autorin Lucinda Hawksley arbeitet wiederum nebenbei als Uni-Dozentin: „Das größte Problem bei einer Karriere als Autorin ist, dass der Vorschuss niemals auch nur annähernd die Lebenshaltungskosten für die Zeit deckt, die man für die Recherche und das Schreiben eines Buches benötigt.“ Diese Zeit überbrückt sie durch Einnahmen von der Uni.

Weniger Bürokratie

Die britische Regierung will nun zumindest die Bürokratie erleichtern: Wer bis zu 3.000 – statt wie bisher 1.000 Pfund – (umgerechnet 3.566 bzw. 1.188 Euro) mit seinem Nebenjob dazuverdient, muss keine Steuererklärung mehr abgeben. „Das bedeutet aber nicht, dass diese Unternehmer weniger Steuern zahlen“, erklärt Laura Suter von der Investmentplattform AJ Bells, „sondern nur, dass sie für diese Einkünfte keine Selbstveranlagung abgeben müssen.“ Trotzdem sollen 300.000 Personen davon profitieren.

Auch Auslandsösterreicher lassen sich übrigens vom Start-up-Geist anstecken: Als Agentur-Chefin Stephanie Sadjak bei einem Networking-Event in London Foodblogger und Branding-Spezialist Philipp Ertl traf, erkannte sie schnell das Potenzial für eine Zusammenarbeit. In einer Zeit, in der die Nachfrage nach einfachen, veganen Produkten wuchs, gründeten sie Dressini, ein Tahini-Salatdressing-Label.

„Tahini, eine Paste aus Sesamkernen, ist extrem gesund“, erklärt Philipp Ertl. „Sie ist reich an Mineralien, Kalzium, Proteinen.“ Die beiden brachten das Dressing in drei Geschmacksrichtungen (Kräuter-Knoblauch, Kurkuma, Rote Rüben) auf den Markt und schafften es damit sogar ins Sortiment der angesehenen Supermarktkette „Whole Foods“.

Nutzwert für Hauptjob

Auch wenn Stephanie Sadjak und Philipp Ertl die Dressini-Produktion 2023 aufgrund der Lebenskostenkrise, Lieferschwierigkeiten nach Brexit und Ressourcenmangel infolge des Ukraine-Kriegs einstellen mussten, ziehen sie positive Bilanz: „Normalerweise arbeiten wir mit Klienten“, sagt Philipp Ertl. „Damals waren wir selbst Kunde – das hat uns geholfen, unsere Klienten besser zu verstehen.“

Ebenso zieht Lucinda Hawksley einen Mehrwert aus ihrem Nebenjob. Die Autorin lehrt unter anderem Kreatives Schreiben an der Universität Cambridge: „Jedes Mal, wenn ich einen Schreibkurs gebe, ertappe ich mich dabei, wie ich mich mit neuem Elan wieder an mein eigenes Schreiben mache. Und Baumpfleger Shaun Tookey konnte seine Gesamtsituation deutlicht verbessern: „Der Nebenjob hat es mir ermöglicht, die Anzahlung für unser erstes Haus zusammenzusparen.“

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