von Florian Mühleder
In Bangladesch kommt es seit vergangenem Mittwoch durch Monsunregen zu schweren Überschwemmungen. 5,2 Millionen Menschen im Land sind vom Hochwasser betroffen. Mindestens 20 Menschen verloren in den Fluten ihr Leben.
400.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen und wurden umgesiedelt. Besonders der Südosten des Landes um die Stadt Feni ist betroffen.
Schwere Vorwürfe gegen Indien
Im 170-Millionen-Einwohnerland geben viele nun dem Nachbarstaat Indien Schuld an der Katastrophe.
Der Vorwurf: Indien soll im Zuge des Machtwechsels in Bangladesch und des Abtritts von Ex-Regierungschefin Scheich Hasina absichtlich Wasser aus dem Dumbur-Staudamm ausgelassen haben und die Überschwemmungen verursacht oder zumindest verschlimmert haben.
Scheich Hasina musste vor drei Wochen nach massiven Protesten, die über 400 Todesopfer forderten, den Rücktritt erklären und floh ins Exil – nach Indien. Zum indischen Premier Narendra Modi soll sie gute Beziehungen pflegen.
Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus übernahm übergangsmäßig in Bangladesch die Regierungsverantwortung.
Nahid Islam, ein Mitglied des Übergangskabinetts von Yunus sagte gegenüber dem US-Sender CNN: „Indien hat mit der ohne Vorwarnung erfolgten Öffnung des Staudamms Unmenschlichkeit gezeigt.“
Indien teilte der Übergangsregierung mit, dass es durch einen zu hohen Wasserstand zu einer „automatischen“ Wasserabgabe kam, so die Führung in Bangladesch. Die starken Regenfälle seien dafür verantwortlich gewesen.
Indien: „Leid auf beiden Seiten“
Das indische Außenministerium stellte in einer Stellungnahme klar, dass das durch den Damm ausgelassene Wasser nicht an dem Hochwasser schuld sei. So seien die Überschwemmungen zu einem Großteil auf Ausläufe des Gumti-Flusses unterhalb des Damms zurückzuführen.
„Die Überschwemmungen auf den Flüssen, die Indien und Bangladesch gemeinsam haben, sind ein gemeinsames Problem, das den Menschen auf beiden Seiten Leid zufügt, und zu ihrer Lösung ist eine enge Zusammenarbeit erforderlich“, heißt es in der Erklärung der indischen Regierung. In Indien starben mindestens 26 Menschen bei den Überschwemmungen, 64.000 mussten in Notlagern Schutz suchen.
Neu-Delhi räumte allerdings insofern Fehler ein, als man aufgrund von Strom- und Kommunikationsgebrechen verabsäumte, die Bewohner ihrer Nachbarländer rechtzeitig zu warnen.
Ein Teil der Bevölkerung in Bangladesch hat sich bereits fest auf Indien als Übeltäter eingeschossen.
„Wir hassen Indien“
CNN berichtet, wie Menschen in der betroffenen Region „Wir hassen Indien“ oder „Das ist indisches Wasser“ skandieren.
Ein freiwilliger Helfer bei den Rettungsmaßnahmen erklärte: „Sie haben das Tor geöffnet, aber es wurden keine Informationen gegeben. Indien hat eine Wasserwaffe eingesetzt. Indien rächt sich für den Sturz der letzten Regierung.“
Die Strom-, Gas- und Internetverbindung ist im betroffenen Gebiet unterbrochen. Da Straßen für den Autoverkehr gesperrt sind, bleibt in den überschwemmten Gebieten einzig das Boot als mögliches Verkehrsmittel zu Rettungs- und Fortbewegungszwecken.
Demonstrationen führten zur Auflösung des Parlaments
Proteste von zehntausenden Menschen führten Anfang August in Bangladesch zum Ende der 15-jährigen Regierungszeit von Scheich Hasina. Die im Juli von Studenten angeführten Demonstrationen richteten sich ursprünglich gegen eine Quotenregelung im Behördendienst.
Anfang August gipfelten sie darin, dass Protestierende in den Regierungssitz eindrangen und besetzten. Der 84-jährige Yunus, der nun vorübergehend das Land führen wird, erhielt 2006 für seine bahnbrechende Arbeit im Bereich der Mikrofinanzierung den Friedensnobelpreis. Yunus war schon während der Amtszeit Hasinas einer ihrer größten Kritiker, sie sah in ihm ihren Erzfeind.
Experten zufolge steht Yunus im Zuge der Regierungsreformen ein langer und schwieriger Weg bevor. Eine Hauptrolle von Yunus Regierungszeit wird darin bestehen, freie und faire Wahlen auszurufen.