Startseite Kultur Warum nicht einmal Taylor Swift den US-Demokraten zum Sieg verhelfen konnte

Warum nicht einmal Taylor Swift den US-Demokraten zum Sieg verhelfen konnte

von Max

Lange hatten die Demokraten auf dieses Statement gehofft, und die Republikaner waren genuin besorgt. Nach der Debatte zwischen Harris und Donald Trump im September gab Swift es dann ab: „Ich werde bei der Präsidentschaftswahl 2024 meine Stimme für Kamala Harris und Tim Walz abgeben„, schrieb sie auf Instagram. „Ich stimme für @kamalaharris, weil sie für die Rechte und Anliegen kämpft, von denen ich glaube, dass sie eine Kämpferin brauchen, die sich für sie einsetzt. Ich denke, sie ist eine besonnene, begabte Führungspersönlichkeit und ich glaube, dass wir in diesem Land so viel mehr erreichen können, wenn wir von Ruhe und nicht vom Chaos geleitet werden.“ 

Elf Millionen Likes hat das Posting verzeichnet; das wären mehr als genug Stimmen, um die Präsidentschaftswahl zu entscheiden. Swift wandte sich gegen den unverhohlenen Sexismus des Wahlkampfes von Trump und seinem Vize JD Vance. Immer wieder redeten diese einer plumpen Männlichkeit das Wort, und machten verbal die Anliegen der Frauen herunter. Etwa mit dem Diss der „kinderlosen Frauen mit Katzen“, auf die Swift hier Bezug nimmt. Am Ende des Wahlkampfes sagte der verurteilte Vergewaltiger Trump noch, dass er sich als Vertreter der Anliegen der Frauen sehe, „ob diese das wollen oder nicht“.

All das aber nützte nicht genug, um genügend Frauen auf die Seite der Demokraten zu holen. Und offenbar gibt es auch nicht genügend Männer, denen etwa das Recht auf Abtreibung und die an dessen Einschränkung hängenden gesundheitlichen Gefahren für Frauen wichtig genug sind, um Harris zu wählen oder auch nur nicht für Trump zu stimmen.

Gewarnt vor dem Rechteabbau für die Frauen haben über Swift hinaus eine endlose Anzahl an Stars. Oprah Winfrey, Beyoncé, Julia Roberts, Jennifer Lopez, Billie Eilish – sie alle warnten vor einer weiteren Amtszeit für Trump. Und auch einige der größten Popstars der männlichen Boomer-Generation, wie Bruce Springsteen, Bon Jovi oder Eminem, standen Harris zur Seite. Dazu noch Hollywoodgrößen und der Basketballstar Lebron James. Eine beeindruckende Riege.

Deren Marktwert aber ist dort, wo es wichtig ist, nicht annähernd so hoch wie es den an die alten Gefüge von Popularität gewöhnten Beobachtern erscheinen mag. Trump hatte nämliche jene Neo-Stars an seiner Seite, die dort erfolgreich sind, wo Wahlen entschieden werden: Podcaster Joe Rogan, Problemmilliardär Elon Musk, Talker Tucker Carlson oder Youtuber Jake Paul halten die Zornmaschine des Internets am Laufen, von der Trump so profitierte. Sie sind Männer, die Stärke simulieren und die eine fanatische Gefolgschaft unter dem zornigen jungen männlichen Online-Publikum haben. 

So wurden sie die Superstars eines wahnsinnig effektiven politischen Phänomens, das längst zum Wundermittel für die Republikaner und alle anderen Rechtspopulisten von der FPÖ bis zu Orban geworden ist: Sie geben verunsicherten jungen Männern eine Art Freibrief, eingeübte Muster von Männlichkeit auszuleben. Dazu gehört historisch natürlich eine Etablierung eines Hierarchiegefüges zu den Frauen. Ebenso dreht sich diese Online-Maskulinität um Feindbilder. Das effektivste davon ist längst nicht mehr der Ausländer, der den Einheimischen den Job wegnimmt, oder der reiche Machthaber, der die Arbeiter ausbeutet. Sondern eine überzeichnete und künstlich am Leben gehaltene Karikatur des „woken“ Liberalen, der im Grunde den Männern die Männlichkeit verbieten will.

In den USA geht es da immer um Waffen. Aber die aufgeheizte Debatte der letzten Jahre hat dieses einst schmale Repertoire erweitert: Die wütenden Online-Diskussionen um Transrechte, um angebliche Denk- und Redeverbote oder auch um die linke Neuordnung des Nahostkonfliktes in „gute“ Palästinenser und „böse“ Juden haben den Rechtspopulisten die fruchtbarsten Talking Points gegeben. Sie framen sich als das Bollwerk gegen die Zumutungen der überkorrekten Liberalen, die die als dumm geschmähten Normalos in ihre Weltsicht zwängen wollen.

Diese Liberalen sind aus dieser Sicht als unmännlich eingebucht, und da ist es nicht weit zum „weiblich“. Daher sind die Abtreibungsrechte und weitere Frauenrechte in der Debatte mitgefangen, ebenso wie der Gedanke eines gemäßigten gesellschaftlichen Fortschritts in anderen Bereichen wie etwa beim Kampf gegen den Klimawandel. 

Viele Frauen sind auch für die gesellschaftliche Rückabwicklung, für die Trump steht, andere stehen unter Druck durch ihre männlichen Partner. So war im Finale des Wahlkampfs ein viel gelobter, aber eigentlich bedrückender Werbespot zu sehen, in dem zwei Frauen heimlich Harris wählten, aber ihre männlichen Partner darüber belogen.

Taylor Swift ist der einzige Star der „Gegenseite“, der einen ähnlich hohen Impact dort hätte, wo es zählt: auf den Sozialen Medien. Sie steht aber für etwas, das längst schwerer zu verkaufen ist, wie man nun am Wahlergebnis sieht: Die Vision einer komplexen Welt, an die mit Freude herangegangen wird. Und vor allem: einer weiblich(er)en Welt, die mehr in Richtung Safe Space als in Richtung große Schlacht um die Vorherrschaft muskelbepackter Männer geht. Die Akzeptanz von Minderheiten und Frauenrechten ist kompliziert. Die in ihrer Onlinebubble gefangenen Männer wollen sich dieser Komplexität nicht mehr stellen. Das ist ohne jeden Zweifel bitter für die Frauen.

Die meisten der übrigen Stars sind Debattenkanonenfutter: Sie wurden schon seit langem als genau jene liberale Elite gebrandmarkt, gegen die sich das zornige Volk nun auflehnt. Ihre Stimme für Harris bestärkte vielleicht ihre Fans – aber hat längst, das sieht man auch in Österreich, jede Überzeugungskraft verloren, die über die bereits Bekehrten hinausreicht.

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