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Warum Österreich die Skistars ausgehen werden

von Max

Das Skigymnasium Stams hat den Ruf einer Talenteschmiede. Seit mehr als einem halben Jahrhundert werden hier Olympiasieger, Weltmeister und andere Sportgrößen geformt. Arno Staudacher war 19 Jahre lang Direktor im Skigymnasium. Mit dem Schulstart übergibt der frühere Nachwuchs-Chef der ÖSV-Alpinen den Posten an Harald Haim.

Wie steht die Wintersportnation Österreich im Jahr 2024 da?

Arno Staudacher: Wintersport hat nach wie vor eine enorme Faszination. Wir sind nun einmal ein Wintersportland. Der Leistungssport, dem wir uns in Stams verschrieben haben, hat inzwischen allerdings einige Baustellen.

Von welchen Baustellen reden Sie?

Es wird zum Beispiel heute immer schwieriger, Kinder und Jugendliche zum Leistungssport zu bringen und sie dann auch dort zu halten. Alpin hat dazu noch das Problem, dass sich viele Eltern die Preisfrage stellen. Skifahren ist auf dem Weg, ein elitärer Sport zu werden.

Was bedeutet das für Stams? Ist das Niveau im Vergleich zu früher denn schlechter geworden?

Ja. Das kann man auch ganz deutlich feststellen bei den schulischen und sportlichen Checks im Rahmen der Aufnahmeprüfungen. Da haben wir den Vergleich über die letzten 20 Jahre und da geht das schulische Niveau nach unten. Und sportlich haben wir heute nicht mehr die Ausreißer nach oben, sondern eher ein breites Mittelmaß.

Kann man sich auf schwache Jahrgänge hinausreden?

Da reden wir jetzt nicht von einem Jahrgang. Wir haben bei den Alpinen grundsätzlich ein Riesenproblem. Und das richtig große Loch kommt erst.

Wie ist das zu verstehen?

Man braucht sich nur den Kader bei den Herren anzusehen: Lass’ den Marco Schwarz heuer nicht so stark zurückkommen. Manuel Feller, Stefan Brennsteiner – die sind alle über 30. Die ganze österreichische Speedmannschaft besteht praktisch nur aus Vincent Kriechmayr, der auch schon 33 ist. Wir müssen der Wahrheit ins Auge blicken.

War die Junioren-Heim-WM 2023 womöglich schon ein Vorgeschmack, was auf die Skination Österreich zukommt? In St. Anton landete der ÖSV im Medaillenspiegel mit zwei Medaillen an der zehnten Stelle.

Ich war beim ÖSV 15 Jahre lang Alpin-Nachwuchschef. Hätte es zu meiner Zeit solche Ergebnisse bei einer Junioren-WM gegeben, dann hätte ich keine Saison überlebt.

Woran krankt es?

Ein Problem ist bestimmt auch, dass wir im Alpinbereich einfach zu viele Experten haben, die mitreden. Sobald ein Talent da ist, hauen sich alle da drauf. Und bei den Frauen haben wir noch eine besondere Problematik. Da gebe ich jetzt nicht einmal dem ÖSV alleine die Schuld, dass da richtig gute Jahrgänge auf der Strecke geblieben sind.

Sie sprechen wahrscheinlich von den vielen Verletzungen im Frauen-Skisport?

Die biologischen Grenzen der Belastbarkeit im Damenskirennsport sind gesprengt. Das weiß heute jeder. Man muss endlich reagieren. Aber sie machen trotzdem alle gleich weiter. Wenn man sieht, mit welchem Material heute die 12-, 13-Jährigen unterwegs sind, wie die ihre Skier bereits abgestimmt haben – da erschrickst du. Das hält der Körper nicht aus, wenn man in diesem jungen Alter dann auch noch Zig-zig-Wiederholungen im hohen Intensitätsbereich macht. Und da reden wir jetzt nicht vom Kopf. Dass die Leute bei uns mit 20 Jahren ausgebrannt und fertig sind, ist nachvollziehbar. Das hängt aber sicher auch mit der frühen Spezialisierung zusammen.

Die Schule
Das Skigymnasium Stams nahe Innsbruck wurde 1967 als weltweit erste Schule dieser Art gegründet. Die AHS spezialisiert sich auf eine duale Ausbildung in den Bereichen Alpinski, Skispringen, Langlauf, Biathlon, Nordische Kombination und Freestyle

Bekannte Absolventen
Unter den erfolgreichsten Absolventen sind Toni Innauer, Anita Wachter, Gregor Schlierenzauer und Benjamin Raich

5 Spezialschulen
Ähnliche Schulmodelle für den Wintersport wie in Stams (ORG/HAS), gibt es in Österreich derzeit in Schladming (HAK/HAS), Saalfelden (BG/BRG/HIB), Bad Hofgastein (HL Tourismus) und Eisenerz (Nordisches Ausbildungszentrum)

Sie kritisieren schon seit Langem, dass sich die jungen Skifahrer schon sehr früh auf eine Disziplin festlegen.

Diese Frühspezialisierung ist kontraproduktiv. In Norwegen setzt man ganz auf Polysportivität und beginnt erst mit zehn Jahren mit sportartenspezifischem Training. Wir schicken in Österreich schon die Fünfjährigen durch einen Riesentorlauf. Seit 2010 hat man beim ÖSV angefangen, auf die Spezialisten zu setzen. Und hat alle Richtlinien aufgeweicht, die zu meiner Zeit als Nachwuchschef eingeführt wurden und uns eineinhalb Jahrzehnte lang Erfolg gebracht haben. Das Problem ist, dass wir beim Verband in den letzten zehn Jahren kein kontinuierliches System und keine durchgängige Struktur mehr hatten.

Leidet unter ausbleibenden Erfolgen auch der Ruf von Stams als Kaderschmiede?

Den guten Ruf haben wir uns über die Jahrzehnte erarbeitet. Fast alle Leute, die reüssieren, sind Stamser. Die richtig Großen sind mit wenigen Ausnahmen alle in Stams in die Schule gegangen. Die Gründungsintention gilt heute noch: Talentierten, jungen Menschen eine Schulausbildung zu geben.

Wie hoch ist die Erfolgsquote der Stamser Sportler?

1 bis 2 Prozent landen im Weltcup, ungefähr 30 Prozent im nationalen Kader – das ist die Benchmark. Der Mehrwert von Stams liegt aber nicht zuletzt auch darin, dass wir die Kontinuität gewährleisten, weil viele Aktive dann dem Sport erhalten bleiben. Als Trainer, Sportdirektoren und in anderen Funktionen. Diese Stams-DNA ist vor allem im Skispringen sehr ausgeprägt.

Bräuchte es mehr Schulen wie das Skigymnasium Stams in Österreich?

Peter Schröcksnadel hätte am liebsten in jedem Bundesland ein Stams gehabt. Das ist aber der falsche Zugang. Wir haben weder das Geld noch die personellen Ressourcen, geschweige die Talente dafür. Wenn ich vier Zentren habe, obwohl es nur Talente für zwei Zentren gibt, dann muss man aufpassen, dass man nicht zu viel Mittelmaß fördert.

Abschließende Frage: Sie waren fast zwei Jahrzehnte Direktor. Ticken die Jugendlichen von heute anders als die früheren Generationen?

Das Handy und Social Media haben schon viel verändert. Das ist sicher eine Geißel der Gesellschaft und ein Zeitkiller. Früher haben sie im Zimmer Karten gespielt, dann hat man sich um die Fernbedienung gestritten, heute ist jeder am liebsten in einem Einzelzimmer und schaut in sein Kastl rein. Das ist eine Sucht, deswegen wundert es mich nicht, dass die Jugendlichen heute viel mehr Stress haben als früher.

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