Die Marvel-Superhelden, „Star Wars“ und „Harry Potter“ haben den Geheimagenten bei den Gesamteinnahmen überholt. Die Fans hängen, je nach Jahrgang, immer noch dem einen oder anderen Bond-Darsteller vergangener Tage nach. Und auch die bisher letzte Image-Neuerfindung mit Daniel Craig goutierten nicht alle.
Ein Nachfolger für Craig ist, vier Jahre nach dem letzten Film, nicht in Sicht.
Die Frage bleibt, was der junge Frauen verführende, für einen Alkohol-Spruch bekannte, aus dem Kalten Krieg geborene 007 heute noch erzählen kann. James Bond ist bekannt für schnelle Autos (zuweilen mit eingebauten Waffen). Zuletzt aber wusste keiner so genau, wohin er mit dem schnellen Auto fahren sollte.
Nun fürchten Fans, dass er in die falsche Richtung abbiegt: Denn die langjährigen Produzenten der James-Bond-Filme, Barbara Broccoli und Michael G. Wilson, haben – der KURIER berichtete – überraschend die kreative Kontrolle über das Franchise abgegeben. Das Unternehmen Amazon MGM Studios, das seit 2022 zu 50 Prozent Teilhaber ist, wird in Zukunft die Geschicke leiten.
Prime, Amazon Prime
Eine nicht unerwartete, aber doch weitreichende Entwicklung: In Zukunft also wird der britische Spion letztlich vom amerikanischen Silicon Valley aus auf Mission geschickt. Der Onlinehandelsriese Amazon ist nicht nur Studiobesitzer, sondern betreibt auch einen Streamingdienst, Amazon Prime Video. Viele Fans fürchten nun, dass die Bond-Filme, die nicht zuletzt auch aus einer altmodischen Behäbigkeit ihren Wert gezogen haben – man ging, jedenfalls bis Craig, eben nicht mit der Zeit –, nun der auf Hochtouren laufenden Verwertungslogik der Streaming-Branche unterworfen wird.
Nur: Was heißt das eigentlich?
Man kann sich bei Bond schon jetzt nicht über mangelnden Instinkt für Vermarktung beschweren: Die Filmreihe ist eine der bekanntesten überhaupt.
Doch im Vergleich zu dem, was am Streamingmarkt aus derartigen Marken gemacht wird, wurde bei Bond vieles liegengelassen. Was alles, erklärt ein Blick auf andere Filmreihen – etwa „Star Wars“: Der Krieg der Sterne wird endlos ausgeschlachtet. Hier gibt es längst Prequels und Sequels, also Vorgeschichten und Nachgeschichten, die man im Kino sah. Im Streaming, diesfalls bei Disney+, aber läuft die Maschine erst so richtig heiß: Nach dem Erfolg von „The Mandalorian“ wurden insgesamt sieben Real- sowie drei weitere Animationsserien angekündigt.
Auch das Raumschiff Enterprise reist auf Paramount+ längst in einer unüberschaubaren Anzahl an „Star Trek“-Serien durch das Weltall.
Selbst hartgesottene Fans tun sich inzwischen schwer, all diese Neben- und Zusatzprodukte zu konsumieren. Für die um Abos wetteifernden Streamingdienste aber sind derartige Prestigeprodukte wichtig. Und so steht zu erwarten oder, je nach Standpunkt, zu befürchten, dass unter der Ägide von Amazon auch James Bond von dieser Art der Gesamtvermarktung erfasst wird: Aus dieser wertvollen Marke wird Amazon für den Streamingdauerbetrieb mehr machen wollen als zwei Filme pro Jahrzehnt.
Man kann es sich ja auch gut vorstellen (und kommt da gleich auf blöde Gedanken): Spin-offs zu „M“ oder zu Bonds Automechaniker, eine Bond-Serie aus der Sicht eines sitzen gelassenen Bond-Girls, eine Cocktail-Mix-Castingshow …
Ach ja, eine Frage bleibt: Wer Bond sein soll? Das fragte Amazon-Chef Jeff Bezos gleich einmal das Social-Media-Publikum. Die meistgelikte Antwort? Henry Cavill.