350 statt 35 Meter hoch
Ein Beispiel: 1991 bauten die Dänen den ersten Offshore-Windpark Vindeby – mit 11 Anlagen zu je 450 Kilowatt und 35 Meter Höhe. Demnächst entsteht im Bottnischen Meerbusen das gigantische Projekt Sylen: 347 Windtürme mit je 350 Meter hohen Türmen sollen künftig 20 Prozent des schwedischen Stroms liefern. Die Kosten werden auf über elf Milliarden Euro geschätzt.
Die Schwerindustrie freut sich über solche Aufträge, es kommen riesige Schwimmkran- und Fundamentsetzschiffe zum Einsatz, Tiefseekabel müssen verlegt werden, Mitarbeiter angeheuert und geschult werden.
Und die Österreicher, sind die nur Zaungäste? Keineswegs. „Unsere Technik ist weltweit in über 150.000 Windkraftanlagen verbaut, also in jedem dritten Windrad“, erzählt etwa Gabriel Schwanzer von der Vorarlberger Firma Bachmann. Die kleine Firma mit 560 Mitarbeitern ist einer dieser „Hidden Champions“ – als Weltmarktführer für Steuerungselektronik. Vereinfacht gesagt erkennen Bachmann-Sensoren in den Getrieben, Zahnrädern und Rotorblättern Probleme, bevor sie sich auf den Betrieb auswirken: „So helfen wir den Windkraftbetreibern, ihre Service- und Reparaturkosten zu minimieren.“
Bachmann ist eine von etwa 180 heimischen Firmen, die Windparks am Land und im Meer als Zuliefer- oder Dienstleisterbetriebe versorgen. Andere Beispiele: Die Kranfirma Palfinger baut weltweit in Offshore-Windrädern – in jedem Windrad sind zwei Kräne verbaut, um Ersatzteile von Schiffen zur Gondel (Maschinenhaus) zu hieven. Oder die oberösterreichischen Firmen Linsinger und MIBA, die ebenfalls als Weltmarktführer Spezialmaschinen produzieren, mit denen – stark vereinfacht erklärt – dicke Stahlplatten zu runden Windkrafttürmen verarbeitet werden. MIBA kommt ursprünglich aus der Auto-Zulieferindustrie, nun verkaufen sie auch Bremsen und Gleitlager für Windräder. In Fernost sind sie mit ihrem Know-how besonders gut im Geschäft, etwa in Korea, Japan oder Vietnam.
Turbinen für die Welt
Der Südtiroler Windturbinenhersteller Leitwind produziert Windkraftanlagen der Megawattklasse von 250 bis 3.000 Kilowatt. Weltweit sind mehr als 400 Leitwind-Anlagen im Einsatz. Schubert CleanTech unterstützt Windpark-Errichter beim Netzanschluss, die Niederösterreicher haben über 50 Jahre Erfahrung in der Errichtung von 110 kV-Umspannwerken, Verkabelungsarbeiten, der Errichtung von Schaltstationen und Kompensationsanlagen und beschäftigen 600 Mitarbeiter. Mittlerweile sind auch mehr als 16.000 Elin-Windkraftgeneratoren unterschiedlicher Bauart aus der Steiermark im Einsatz.
Den Österreichern hilft da auch die geografische Nähe zu den großen Windturbinenbauern wie Vestas (Dänemark), Enercon (Deutschland), Siemens Gamesa (Spanien) oder Nordex (Deutschland). Vestas war lange die weltweit größte Firma, inzwischen haben aber chinesische Firmen wie Goldwind oder Envision alle überholt – kein Wunder, wurden zuletzt sieben von zehn neuen Erneuerbaren-Anlagen weltweit in China installiert – in einem komplett abgeschotteten Markt, in dem europäische Firmen nicht arbeiten dürfen.
Dennoch: Einige der rot-weiß-roten Firmen präsentierten sich auch bei der „Wind Europe“-Messe in Kopenhagen den 15.000 Besuchern. Spannend dabei, dass auch einige große Netzbetreiber und Stahlkonzerne wie die deutsche Salzgitter AG anwesend waren: Vor allem die energieintensive Industrie ist hungrig nach grünem Strom. Viele Zulieferer der Autoindustrie sind auf CO2-freien Stahl angewiesen – und dieser wird zunehmend durch Windstrom erzeugt.
„Die Industrie folgt der Energie“, erklärt Benjamin Seifert von der deutschen Windkraftfirma Enercon, die auch in Österreich stark vertreten ist. Der Zug in Richtung CO2-freier Energie nimmt immens an Fahrt auf, nicht nur in Europa, sondern nun vor allem in Asien. In den USA hingegen hat Präsident Donald Trump fast alle Projekte verboten – zugunsten von CO2-intensiven Kohlekraftwerken.
Hungrig nach Grünstrom
In Österreich, sagt der Geschäftsführer des Interessensverband IG Windkraft, Florian Maringer, stünden Milliarden an Investitionen für rund zwei Gigawatt Zubau in Windparks bereit – doch die Politik zögert mit Entscheidungen und Freigabe von Flächen zum Bau der Windparks. Exemplarisch das Beispiel aus Oberösterreich: Dort haben erst im Dezember 2024 die Landesräte Manfred Haimbuchner (FPÖ) und Markus Achleitner (ÖVP) ein Windparkprojekt um 250 Millionen Euro in Sandl (Bezirk Freistadt) torpediert, indem sie während des UVP-Genehmigungsverfahrens die Region als „Ausschlusszone“ für Windräder definiert haben.
Solche Verzögerungen bergen Risiken: Wenn die heimische Industrie nicht ausreichend mit Grünstrom versorgt wird, könnten heimische Firmen zunehmen Aufträge verlieren oder abwandern. Wenn Österreich zum Beispiel nicht ausreichend grünen Stahl produzieren kann, werden die Autofirmen solche CO2-armen Produkte einfach woanders einkaufen, in Deutschland oder Norwegen. Immerhin: Die neue Bundesregierung hat niedrige Strompreise als Priorität genannt – und den Ausbau der erneuerbaren Energien. Strom aus Erdgas ist derzeit ohnehin die teuerste Form der Stromproduktion.
Laut Internationaler Energieagentur wird sich die weltweite Windkraftkapazität zwischen 2024 und 2030 gegenüber dem Zeitraum 2017–2023 verdoppeln – und bis 2050 sogar verneunfachen.