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Warum sie nicht wollen, sondern müssen

von Max

„Wir müssen nicht, wir wollen“: Bevor die Neos am 3. Jänner unter Parteichefin Beate Meinl-Reisinger entschieden haben, dass ihre Partei nun doch nicht an der Dreier-Koalition teilnimmt, war das der Satz, den die Pinken geprägt haben. ÖVP und SPÖ hätten, so die damalige Lesart der Pinken, auch allein eine Mehrheit im Parlament. Und da die angepeilten Reformen nicht ambitioniert genug seien, stehe man jetzt auf.

Was danach geschah, ist weidlich bekannt. Die Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ scheiterten; danach auch noch die zwischen Freiheitlichen und Volkspartei.

Und so ist exakt sieben Wochen nach dem Ende der Dreier-Gespräche wieder alles anders: Freitag verhandelten die Neos bis spät in den Abend wieder mit ÖVP und SPÖ. Und diesmal lautet der Satz, der die Gespräche prägt, ziemlich anders, nämlich: Man will vielleicht nicht – aber man muss.

Warum „müssen“? Gleichlautend heißt es in allen drei Parteien, dass die Lage heute nicht mit jener von Anfang Jänner vergleichbar sei. „Die Kompromissbereitschaft ist um ein Vielfaches höher“, erklärt ein Verhandler. Weil Parteifunktionäre auf allen Ebenen von Wählern Druck bekämen, dass man erstens nicht wählen und zweitens endlich eine Regierung haben wolle; weil die SPÖ nicht länger den Verdacht hege, dass die ÖVP lieber mit der FPÖ koaliere; und weil sich die Lage in Europa und der Welt zuletzt so dramatisch geändert habe, dass man „dringend“ eine stabile Regierung brauche. „Es ist ein neues Pflichtgefühl spürbar“, formuliert es ein Parteistratege. Glaubt man den Beteiligten, ist also so etwas wie ein Ruck durch die Reihen der Verhandler gegangen.

Aber warum verhandelt man nun wieder zu dritt? 

Laut dem KURIER vorliegenden Informationen haben ÖVP und SPÖ entgegen der landläufigen Darstellung nie ausschließlich bilateral gesprochen, sondern durchgehend mit Neos und Grünen Kontakt gehalten.

Dies sei, heißt es in den Teams der Parteichefs von Türkis und Rot, allein aus folgender Überlegung nötig gewesen: Soll eine Zweier-Regierung zwischen ÖVP und SPÖ halten, muss sie bei Schlüssel-Projekten wie etwa dem Budget zumindest von einer Oppositionspartei im Nationalrat unterstützt werden – sicher ist sicher.

Abhängigkeit

Denn nur zur Erinnerung: ÖVP und SPÖ haben im Parlament zwar eine Mandatsmehrheit. Der Überhang beträgt aber nur eine Stimme. Will eine Regierung nicht in die Abhängigkeit einzelner Landesparteien, von Bünden, Gewerkschaft oder anderen Interessengemeinschaften schlittern, die Abgeordnete stellen, muss permanent mit einer Oppositionspartei „gedealt“ werden.

„Das wäre aber ein enormer Aufwand gewesen“, sagt ein Verhandler. Und so kam es, dass ÖVP und SPÖ am Mittwoch nicht nur größere Vorhaben wie ein Sparbudget von rund 6,4 Milliarden Euro paktiert, sondern auch Beate Meinl-Reisinger an den Tisch geholt haben.

Das Modell, dass die Neos eine ÖVP-SPÖ-Regierung im Nationalrat stützen, wurde angesichts der beschriebenen Schwierigkeiten verworfen. Stattdessen wurde wieder die Dreier-Regierung diskutiert. Warum? „Es ist einfach ein riesiger Unterschied, ob sich eine Partei verpflichtet, irgendwann einmal bei einer Parlamentsabstimmung mit der Regierung mitzugehen, oder ob sie selbst ein vitales Interesse daran hat, dass diese Regierung funktioniert, weil sie ein Teil davon ist“, erläutert ein ÖVP-Stratege. Den Neos wurden daher zwei Ministerien – dem Vernehmen nach Bildung und Äußeres – angetragen.

War’s das jetzt? Nicht ganz: Das Grundproblem der Pinken, dass man angetreten ist, um Reformen voranzutreiben, besteht unverändert. Und so wurde am Freitag auch darüber beraten, in welcher Form pinke Minister „politische Akzente setzen“ können, sprich: Bekommen Neos-Minister Budgetmittel, mit denen sie (neue) Schwerpunkte setzen können?

Als unverrückbar galt und gilt allen Verhandlern, dass man den zweiten Schauplatz, die Hofburg, erst dann aufsuchen will, wenn Koalitionspakt und Ministerliste stehen. Ein für Freitag avisierter Termin bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen verschob sich Stunde um Stunde nach hinten.

Das Staatsoberhaupt wird langsam ungeduldig. „Eine funktionierende Demokratie braucht den Mut, Meinungen zu verteidigen, aber auch die Weisheit, Lösungen im Kompromiss zu finden. Kompromisse sind das Fundament jeder demokratischen Gesellschaft, denn sie ermöglichen Fortschritt ohne Spaltung. Sie sind also keine Schwäche“, schrieb Van der Bellen.

Schon heute, Samstag, könnte der erwähnte Termin stattfinden – vorausgesetzt, ÖVP, SPÖ und Neos werden endgültig handelseins.

Und selbst dann dauert es zumindest noch eine Woche, bis die Regierung endgültig fixiert ist. Warum sieben Tage? Die Neos sind in Sachen Regierungsbeteiligung Basisdemokraten. Zwei Drittel ihrer Mitglieder müssen einem geplanten Koalitionspakt zustimmen. Und die Vorlaufzeit für die Mitgliederversammlung beträgt zumindest sieben Tage.

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