Startseite Politik Warum weder Kickl noch Stocker vom Verhandlungstisch aufstehen

Warum weder Kickl noch Stocker vom Verhandlungstisch aufstehen

von Max

Weshalb sich viele Beobachter fragen, warum FPÖ und ÖVP die Gespräche nicht längst abgebrochen haben. Vielmehr versucht vor allem FPÖ-Chef Herbert Kickl den Eindruck zu vermitteln, die Gespräche würden weiterlaufen, eine Einigung sei immer noch möglich.

ÖVP schon einmal aufgestanden

Dass trotz aller gegenseitigen Unterstellungen wie Bösartigkeiten immer noch verhandelt wird, das liegt daran, dass sich keine der beiden Parteien den Vorwurf gefallen lassen will, als Erstes vom Verhandlungstisch aufgestanden zu sein. Dies gilt vor allem für die ÖVP. 

Hat sie doch schon einmal – Anfang Jänner – von sich aus Koalitionsverhandlungen abgebrochen. Ein Umstand, den ihr die SPÖ, allen voran Parteichef Andreas Babler, bis heute zum Vorwurf macht. Denn damals bestand nach dem Ausstieg der Neos zumindest noch die theoretische Möglichkeit einer Koalition, die nur aus ÖVP und SPÖ bestanden hätte.

Mehr noch als die SPÖ hätte die FPÖ nun Anlass, ein Aufstehen der Türkisen vom Verhandlungstisch diesen unter die Nase zu reiben. Zumal die FPÖ der ÖVP bei ihrem letzten Angebot zur Aufteilung massiv entgegengekommen ist. 

Damit ließe sich auch in einem möglichen baldigen Wahlkampf aus der Sicht der FPÖ gut arbeiten: „Kickl geht beim Scheitern der Verhandlungen als ,der, der seine Wahlversprechen, Glaubwürdigkeit und Inhalte über den Kanzlerposten gestellt hat“ in die nächste Wahlauseinandersetzung. Er kann der VP vorhalten, was sie verhindert hat‘, schreibt der FPÖ-nahe Kommunikationsberater Heimo Lepuschitz auf X. Insofern hat auch die FPÖ trotz aller Verwerfungen keinerlei Grund, die Verhandlungen abzubrechen. 

Freilich: Eine solche Strategie könnte ermöglichen, dass die FPÖ weiter ihre Stimmen maximiert (laut Umfragen liegt sie bereits bei rund 35 Prozent). Dass damit nach einer allfälligen Neuwahl auch die Chancen der FPÖ für eine Regierungsbeteiligung steigen, ist aber nicht sicher. Vor allem angesichts der verbrannten Erde, die die vergangenen Tage zwischen ÖVP und FPÖ hinterlassen haben. Es sei denn, es kommt zu personellen Änderungen an den jeweiligen Parteispitzen. 

Nicht umsonst hatte der FPÖ-nahe Publizist Andreas Mölzer zuletzt davor gewarnt, dass sich das Fenster für eine Kanzlerschaft von Kickl zu schließen drohe. 

Ball beim Bundespräsidenten

Letztlich könnte der Bundespräsident dem Gezerre ein Ende bereiten. Er hatte am Dienstag beide Parteien aufgefordert, „rasch und endgültig zu klären, ob die Verhandlungen abgeschlossen werden können“. Sollte das nicht passieren, müsste Alexander Van der Bellen Kickl konsequenterweise den Auftrag zur Regierungsbildung entziehen.

Doch dann könnte die FPÖ ihm den Schwarzen Peter für das Scheitern der Verhandlungen zuschieben. Was besonders gut in das Narrativ passen würde, das die FPÖ seit Jahren gegenüber ihren Unterstützern aufzubauen versucht: Das Bild eines keineswegs überparteilichen Bundespräsidenten (Van der Bellen war einst Chef der Grünen), der im Verbund mit den anderen Parteien Wahlergebnisse ignoriere und alles unternehme, um Kickl und die FPÖ von der Macht fernzuhalten. Obwohl das Volk anderes wolle. 

Sollte die blau-türkise Koalition nicht zustande kommen, wird auch die angestrebte Geschichtsschreibung von Herbert Kickl sich nicht realisieren lassen. Er, der ehemalige Innenminister, der nach Ibiza allein gehen sollte, um die türkis-blaue Koalition aufrechtzuerhalten, kommt Jahre später als Wahlsieger mit dem Regierungsbildungsauftrag in die Hofburg und wird von Alexander Van der Bellen als erster freiheitlicher Bundeskanzler angelobt. Daraus scheint nun – Stand Mittwochmittag – nichts zu werden.

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