Schon am Donnerstag haben die Aktienmärkte mit deutlichen Verlusten auf die Einführung hoher Zölle seitens der USA reagiert. Am Freitag setzte sich diese Entwicklung fort, vor allem, nachdem China ebenfalls weitere Aufschläge in Höhe von 34 Prozent auf Waren aus den USA, die ab dem 10. April greifen sollen, ankündigte. Zudem würden Exportkontrollen für sieben Seltene Erden eingeführt. Die Aktienmärkte in Europa vergrößerten daraufhin ihre Verluste. Auch in den USA öffneten am Nachmittag die Märkte im roten Bereich, wenngleich nicht so stark ausgeprägt wie in Europa. Doch was heißt das alles für Anleger, vor allem in Wien?
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Warum sind vor allem die Verluste an der Wiener Börse so hoch?
Der ATX lag bis am frühen Nachmittag bis zu sechs Prozent im Minus. Beim deutschen DAX etwa waren es „nur“ knapp 4 Prozent, ebenso wie beim Eurostoxx 50, der die Kurse der 50 Euro-Unternehmen abbildet. Die Diskrepanz erklärt sich dadurch, dass der ATX sehr Banken-lastig ist. Diese leiden aktuell besonders unter den Bedingungen. Denn wenn infolge des Handelskrieges die Konjunktur sich schlechter entwickelt, wird es auch rascher zu Zinssenkungen kommen. Diese schmälern die Zinserträge der Banken und somit den Nettogewinn. Der europäische Branchenindex rutscht um bis zu 10,5 Prozent ab und ist auf dem Weg zu seinem schlechtesten Tag seit März 2020.
2. Ist der Ausverkauf berechtigt?
Jein. Natürlich beeinträchtigt die Zollpolitik die Weltwirtschaft und somit auch die Gewinne der Unternehmen. Allerdings stellt sich die Frage, ob es für Einzelanleger sinnvoll ist, panikartig Aktien über Bord zu werfen. Das ist auch insofern eine individuelle Entscheidung, weil sie vom Kaufzeitpunkt abhängig ist. Wer schon lange in einem Titel investiert ist und Kasse machen möchte, kann dies tun. Allerdings sind derzeit die Alternativen rar, er müsste seine freien Mittel also (zumindest kurzfristig) am Geldmarkt (Cash oder Anleihen) parken. Auch zu bedenken ist, dass die Kurse in den vergangenen Monaten teils stark gestiegen sind, teilweise deutlich über ihre fairen Bewertungen hinaus, sprich sie waren schon zu teuer.
3. Was ist mit Gold?
Gold hat in den vergangenen Wochen einen Rekord nach dem anderen erzielt und hat vor kurzem die 3.000-Dollar-Marke geknackt. Am Freitag gab es hingegen einen leichten Verlust. Auch andere Rohstoffe wie Erdgas oder Rohöl verloren deutlich. Der Preis für ein Fass der Sorte Brent fiel auf den tiefsten Stand seit 2021. Die Händler gehen davon aus, dass mit einer schwächeren Weltwirtschaft auch die Nachfrage sinken wird. Die Kurse von Staatsanleihen hingegen konnten wegen des Zulaufs an Anlegern deutlich zulegen.
4. Wie geht es an den Börsen weiter?
Laut Analysten des Investmenthauses Amundi dürfte der Trend in den kommenden Wochen anhalten, sofern bei den Verhandlungen keine nennenswerten Fortschritte erzielt werden und ein neues Handelsabkommen Gestalt annimmt. Auch die Marktvolatilität dürfte in den nächsten Wochen hoch bleiben. Bei den Währungen dürfte der US-Dollar, wie wir bereits erwartet haben, unter Druck bleiben, während der Yen im Falle einer starken Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfelds eher als sicherer Hafen fungiert. Generell werden Staatsanleihen und Gold empfohlen, obwohl letzteres schon sehr teuer ist. Wenn Aktien, dann eher jene aus Europa oder Schwellenländern. Vor allem von den großen Techkonzernen an der Wall Street wird eher abgeraten. Sie hatten auch in jüngster Zeit die höchsten Verluste zu verzeichnen.
5. Was ist mit der Inflation?
In den USA steigt laut JP Morgan das Risiko einer Stagflation – also einer Stagnation der Wirtschaft bei gleichzeitig steigender Inflation. Da die USA Waren kaum ähnlich kostengünstig wie in Asien produzieren können, dürften die Preise für Sneaker, Kleidung oder Elektronik-Zubehör zum Leidwesen der amerikanischen Verbraucher stark anziehen. Obendrein köännte die restriktiviere Einwanderungspolitik die Situation noch verschärfen. Für Europa und Österreich könnte der Effekt ein anderer sein. Hier ist die Konsumstimmung ohnehin nicht so groß wie in den USA. Durch die infolge der höheren Zölle und damit steigenden Preise könnte die Nachfrage sinken, was die Inflation unterm Strich sogar drücken könnte. Beim Wifo rechnet man für Österreich mit einem um 1,1 Prozent niedrigeren Preisniveau. Allerdings seien die Preiseffekte schwer vorherzusagen.