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Was machen eigentlich Regierungskoordinator:innen? | Wiener Zeitung

von Max

Koordinator:innen in Regierungsteams gibt es schon lange – doch mit der ersten Dreier-Koalition in Österreich gewinnt diese Funktion zunehmend an Bedeutung. Die drei Neuen gewähren Einblicke in ihren Arbeitsalltag.

In einer Koalition sorgen Koordinator:innen im Idealfall für eine reibungslose Zusammenarbeit der Koalitionsparteien. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Insider:innen, die an die frühere schwarz/türkis-grüne Regierung zurückdenken, erzählen Unterschiedliches: Da gibt es jene, die sagen, dass selbst nach der Nationalratswahl vergangenen Herbst noch ein gutes Klima der Zusammenarbeit herrschte – auch wenn kaum noch relevante Beschlüsse fielen. Und dann gibt es die, die von ziemlich chaotischen Verhältnissen sprechen.

Wie dem auch sei: Die Abstimmung zwischen ÖVP, SPÖ und Neos soll anders laufen, allein schon, weil man zu dritt ist. Was dazu führt, dass die in Zweier-Koalitionen gängige Variante der sogenannten Spiegel-Minister:innen – hier hat jedes Ressort für seine Initiativen ein direktes Verhandlungsgegenüber der jeweils anderen Partei – nicht tauglich ist. Deshalb gehören zu den wichtigsten Playern dieser Koalition: der ÖVP-Staatssekretär Alexander Pröll, SPÖ-Staatssekretärin Michaela Schmidt und der bisherige Neos-Klubdirektor Armin Hübner, der die pinke Koordination übernimmt. Je nachdem, welches Bild man wählt, sind sie Motor, Herz oder Maschinenraum der Regierungsarbeit.

Einstimmigkeit im Ministerrat

Was das konkret bedeutet? Die WZ hat bei allen dreien nachgefragt und sich zudem über Erfahrungen aus der Vergangenheit umgehört. „In der Koordinierung findet der politische Alltag statt“, beschreibt ein Insider. „Unser Hauptjob ist, dafür zu sorgen, dass das Regierungsprogramm abgearbeitet wird“, sagt Schmidt. Das bedeutet vor allem die Vorbereitung der Beschlüsse des Ministerrats – alle Gesetzesinitiativen, die von der Koalition im Parlament eingebracht werden, gehen zunächst als Regierungsvorlagen durch dieses Gremium (siehe dazu wme-Ministerrat). Weil dort das Einstimmigkeitsprinzip gilt, ist die Abstimmung der Koordinator:innen davor umso wichtiger.

Gerade jetzt am Beginn verbringen Schmidt und Pröll den Großteil ihrer Zeit mit Koordinierung, weniger mit den ihnen inhaltlich zugeteilten Bereichen – „die Aufteilung derzeit ist zwei Drittel Koordinierung, ein Drittel Sport“, sagt Schmidt. Fast täglich telefonieren Schmidt, Pröll und Hübner miteinander, um abzuklären, welche Projekte für den nächsten Ministerrat spruchreif sind, was als nächstes in der Pipeline ist. Dabei gilt es, die Fristen im Parlament zu beachten – in den nächsten Wochen liegt der Fokus auf den Budgetplanungen. Erst wird jedes Projekt in der eigenen Partei, in den eigenen Ressorts abgestimmt; ist man hier auf Linie, geht es in die eigentliche Koordinierung.

Koordinator:innen oder Installateur:innen?

Unterstützt werden die Koordinator:innen von einem Mitarbeiter:innenteam aus den Kabinetten. „Die versuchen, auf technischer Ebene auszuräumen, was möglich ist“, sagt Hübner. „Wir Koordinatoren sind die Stelle mit der Aufgabe, Probleme aufzulösen. Das ist wie bei einem verstopften Rohr und wir schauen, dass das Wasser wieder abrinnen kann“, findet Pröll ein neues Bild. Noch, das beteuern alle, sind die Verstopfungen, um bei der Metapher zu bleiben, minimal. Die Intensität des Austausches sei der Tatsache geschuldet, dass man am Beginn der Zusammenarbeit steht und da auch erst deren Regeln ausgelotet werden müssen. Der laufende Austausch unter der Woche findet jeden Dienstag gegen 17 Uhr den formalen Abschluss: Da kommt der Koordinierungsausschuss zur finalen Vorbereitung des Ministerrats am nächsten Tag zusammen. Die Kerntruppe bilden neben Pröll, Schmidt und Hübner ihre Kabinettschef:innen und die Klubchefs von ÖVP, SPÖ und Neos. Idealerweise endet diese Sitzung mit den beschlussreifen Ministerratsvorträgen.

Jeder weiß, wo die Schmerzen des anderen sind.

Neos-Klubdirektor Armin Hübner

Und wenn es doch einmal Unstimmigkeiten gibt, die in der Koordinierung nicht auszuräumen sind? Dann wird die Sache an die Parteichef:innen delegiert. Ein Insider, der nicht nur die Abläufe der Vorgänger-Regierung kennt, sondern auch die so mancher Vorvorgänger, sagt, dass dies aber selten vorkomme, „vielleicht ein Dutzend Mal pro Jahr“. Schmidt, Pröll und Hübner haben sich vorgenommen, dass es nicht so weit kommt. „Jeder weiß, wo die Schmerzen des anderen sind, darüber redet man im Fall des Falles auch offen“, beschreibt Hübner den Zugang. „Wir hätten wahrscheinlich hundertmal am Tag die Möglichkeit, uns das Haxl zu stellen, aber wir wollen lieber etwas weiterbringen“, sagt Pröll. Und Schmidt: „Auch wenn natürlich jede Partei ihre Schwerpunkte und unterschiedliche Positionen hat, so ist das Regierungsprogramm ein gemeinsames Projekt, hinter dem wir alle stehen und das die gemeinsamen politischen Ziele für die nächsten fünf Jahre definiert. Wenn wir das alle im Kopf behalten und uns nicht im klein-klein verhaspeln, finden wir immer einen Kompromiss“.

Arbeitsmotto: „Leben und leben lassen“

Auch Verordnungen, die die Minister:innen ohne Parlamentsbeschluss erlassen können, werden koalitionsintern abgestimmt. Dazu gehörte jüngst etwa das Handyverbot an Schulen. Alleingänge von Ressorts sind ein No-Go – selbst wenn inhaltlich im Regierungsprogramm vereinbart, wird der Zeitpunkt, wann welche Maßnahme gesetzt und/oder veröffentlicht wird, abgestimmt. Das alles geschieht unter der Prämisse „leben und leben lassen“, wie Pröll das Arbeitsmotto erklärt, das sich die Koalition selbst auferlegt hat. „Wir haben ein gemeinsames Programm mit dem Motto ‚Jetzt das Richtige tun für Österreich‘, aber jede Partei darf im Ministerrat regelmäßig ihren Schwerpunkt setzen“. In den ersten drei Wochen hatte die SPÖ die Mietpreisbremse, die ÖVP den Stopp des Familiennachzugs, die Neos das Handyverbot. Alle drei Parteien sollen annähernd die gleiche Bühne bekommen – auch das gilt als Schlüssel zum Erfolg.

Strategische Planung gehört ebenfalls zu den Aufgaben der Koordinator:innen. Die mediale Orchestrierung übernehmen in der Regel die Pressesprecher:innen – „das würde nur auf unsere Ebene kommen, wenn es gröberen Diskussionsbedarf gibt, das war bisher noch nicht der Fall“, sagt Schmidt. Sie weist damit auch Berichte zurück, wonach eines der ersten Interviews von Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) bei den anderen auf Missgunst gestoßen wäre.

Auch über EU-Agenden stimmen sich die Koordinator:innen ab: Welche Positionen Kanzler Christian Stocker (ÖVP) und die Minister:innen bei ihren EU-Räten vertreten, soll vorab detailliert in der Koordinierung besprochen werden.

Und welche Grundvoraussetzung brauchen Koordinator:innen, um ihren Job gut machen zu können? Vertrauen wird von früheren wie aktuell Beteiligten als oberstes Gebot genannt. „Politisches Kapital in der eigenen Partei und ein gutes Netzwerk“, fügt Hübner hinzu und auch persönliche Sympathie ist für Schmidt, Pröll und Hübner ein Erfolgsfaktor. Prölls Resümee in der Vorwoche: „In Woche drei läuft’s noch super, vielleicht reden wir in einem Jahr nochmal“.

In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.


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Infos und Quellen

Gesprächspartner:innen

  • Michaela Schmidt, Staatssekretärin für Sport, SPÖ-Regierungskoordinatorin

  • Alexander Pröll, Staatssekretär für Digitales und öffentlichen Dienst, ÖVP-Regierungskoordinator

  • Armin Hübner, Leiter der Koordinierungsabteilung im Außenministerium, Neos-Regierungskoordinator

Daten und Fakten

  • Weil die Bundesregierung – anders als Landesregierungen – für ihr Handeln keine Geschäftsordnung hat, ist auch die Funktion der Regierungskoordinator:innen formal nirgendwo festgeschrieben.

  • Die schwarz-rot-pinke Koalition hat allerdings den Koordinationsausschuss – das Gremium, das die Ministerräte vorbereitet – diesmal sogar im Regierungsprogramm verankert.

  • Dieser „bereitet die wöchentlichen Sitzungen des Ministerrates vor und klärt die damit im Zusammenhang stehenden offenen Fragen“, heißt es dort, ebenso wie, dass diese Sitzungen „vertraulich“ sind.

  • Darüber hinaus wird auch festgehalten, dass sich die Koordinator:innen für ihre Tätigkeit in diesem Ausschuss eine Geschäftsordnung geben sollen – auch das ist neu. Noch ist diese nicht fertig, doch sie soll unter anderem Regeln zu Prozessabläufen enthalten: wann Entwürfe und Ähnliches aus den Ministerien spätestens in der Koordinierung einlangen müssen, um für den nächsten Ministerrat berücksichtigt werden zu können; wie lange Antwortfristen auf Mails sein dürfen etc.

Quellen

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