Ganze sieben Staatssekretär:innen werken in der schwarz-rot-pinken Regierung – so viele wie schon lang nicht mehr. Offiziell sind sie, obwohl vom Bundespräsidenten angelobt, gar nicht Teil der Regierung – ihre Jobdescription variiert. Ein Einblick.
Alexander Pröll (ÖVP) und Michaela Schmidt (SPÖ) haben eine Doppelrolle: Sie sind nicht nur Staatssekretär und Staatssekretärin, sondern für ihre Parteien auch Regierungskoordinator:innen. Genau wie die restlichen fünf Staatssekretär:innen haben sie aber auch ihnen konkret zugewiesene inhaltliche Themenbereiche – Portefeuilles, wie es im politischen Jargon heißt: Pröll unter anderem Digitalisierung, Schmidt Sport.
In der Bundesregierung übernehmen die Minister:innen mit ihren Ressorts die Verantwortung für bestimmte Themenbereiche, sie sind die politischen Köpfe, die im Koalitionspakt vereinbarte Gesetzesänderungen vorbereiten (siehe dazu auch: Was macht eigentlich der Ministerrat?). Die Themenbereiche, für die die Minister:innen zuständig sind, sind umfangreich und durchaus unterschiedlich – weshalb die Bundesverfassung die Möglichkeit vorsieht, Staatssekretär:innen einzusetzen. Im Unternehmensjargon könnte man sie als Junior-Minister:innen bezeichnen: Sie unterstützen ihre Chefs und Chefinnen etwa bei der Vorbereitung von Gesetzesentwürfen im ihnen zugewiesenen Bereich. Oder vertreten sie im Parlament. Dort tagt nicht nur der Nationalrat zur Beschlussfassung, in Ausschüssen wird über Gesetzesentwürfe auch beraten – unter Anwesenheit von Minister:innen oder eben deren Staatssekretär:innen.
Gut bezahlte Statist:innen?
Formal sind Staatssekretär:innen nicht Teil der Regierung, auch wenn sie vom Bundespräsidenten angelobt werden. So können sie etwa am Ministerrat, der wöchentlichen Regierungssitzung, teilnehmen, haben aber kein Stimmrecht. Und sie sind ihren Minister:innen weisungsgebunden, können also keine eigenständigen Entscheidungen treffen, sondern nur nach Absprache mit ihren Chefs und Chefinnen. Sind Staatssekretär:innen also bloß gut bezahlte Statist:innen? So kann man das auch wieder nicht sehen. Zwar agieren sie bei den genannten Aufgaben stets „im Namen des Ministers, der Ministerin“, wie Verfassungsjurist Heinz Mayer bestätigt. Doch sind sie gleichzeitig für den ihnen übertragenen Bereich auch „im eigenen Namen“ tätig, erklärt er.
Nehmen wir die Digitalisierung als Beispiel: Da sieht Pröll rund um KI viel Handlungsbedarf, hier kann er sich Initiativen überlegen, die zu Gesetzesänderungen führen könnten. Weil diese aber durchaus auch im Zuständigkeitsbereich etwa des Wirtschaftsministeriums liegen könnten, muss er mit den Beamt:innen dort zusammenarbeiten. „Digitalisierung ist eine Querschnittsmaterie, da werde ich Partner in allen Ressorts suchen“, sagt Pröll. All das passiert freilich immer „in Absprache mit dem Chef“, wie auch Schmidt betont.
Wie viel Gestaltungsspielraum ein:e Staatssekretär:in unter diesen Voraussetzungen hat, hängt zu einem Gutteil vom Wohlverhältnis mit dem oder der eigenen Minister:in ab. Gehören beide derselben Partei an, ist davon auszugehen, dass der oder die Staatssekretär:in in seinem/ihrem Gestaltungsfeld politisch wirkt – und sich dabei auch medial inszenieren kann. Die Besetzung ist oft ein politisches Signal: So hat etwa Sozialministerin Korinna Schuhmann (SPÖ) auch die Arbeits- und Gesundheitsagenden in ihrem Ressort. Mit der für letztere zuständigen Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) bekommt das Thema ein eigenes Gesicht.
Die Entscheidung, wofür ein Staatssekretariat geschaffen wird, „ist ein Zeichen nach innen und nach außen“, sagt auch Schmidt. Es geht nicht nur darum, dem Wahlvolk zu zeigen, welche Schwerpunkte eine Regierung setzt, zum Teil hat es auch Signalwirkung für die Beamt:innenschaft in den Ministerien.
Mit dem Staatssekretär für Deregulierung in Person von Sepp Schellhorn (Neos) wurde erstmals ein gänzlich neuer Zuständigkeitsbereich geschaffen, der, Stichwort „Querschnittsmaterie”, in praktisch jedem Ressort angesiedelt sein könnte. Weil er im Außenministerium sitzt, kann er in seiner Rolle Beate Meinl-Reisinger, die ja auch noch Parteichefin ist, bei ministeriellen Terminen vertreten. Das gehört freilich bei allen Staatssekretär:innen ebenfalls zu den Aufgaben, nicht nur im Parlament, sondern auch bei Veranstaltungen präsent zu sein.
Formal ist es möglich, Staatssekretär:innen für jeden erdenklichen Zuständigkeitsbereich eines Ressorts zu schaffen, betont Mayer.
Die Mär von der Rolle als Aufpasser:in
Was heißt es nun für den Job, wenn Staatssekretär:in und Minister:in aus verschiedenen Parteien kommen? Aktuell ist das, wie schon in früheren Regierungen immer wieder, im Finanzministerium der Fall. Oft heißt es, der oder die Staatssekretär:in sei Aufpasser:in oder Kontrollor:in des Ministers oder der Ministerin. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) und seine ÖVP-Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl versichern, dass dies keineswegs der Fall sei und sie, gerade bei der schwierigen Budgetsanierung, auf Kooperation setzen.
Tatsächlich eine echte Kontrollfunktion entfalten kann ein:e Staatssekretär:in ohnehin nicht – die Weisungsgebundenheit lässt grüßen: Staatssekretär:innen bekommen im Ministerium keinerlei Zugang zu Informationen, wenn der oder die Minister:in das nicht gutheißt und die Beamt:innen auf seiner oder ihrer Seite hat. So war etwa einst Karoline Edtstadler als vermeintliche ÖVP-Aufpasserin für den früheren Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) oft vom Informationsfluss abgeschnitten, obwohl das Innenministerium zuvor jahrzehntelang unter schwarzer Führung gestanden war. Doch Kickls Kabinett arbeitete oft in sehr kleinem Kreis und nicht immer mit großer Beteiligung der Beamt:innenschaft im Haus – auch weil Kickl selbst vielen misstraute.
Wichtigste Voraussetzung, um als Staatssekretär:in politische Wirkung zu entfalten, ist, sich Verbündete zu suchen, bestätigt auch Verfassungsjurist Mayer: Ihr Erfolg hänge davon ab, „wie politisch geschickt sie sind und wie gut ihr Netzwerk im und über das Ressort hinaus ist.
Die Funktion des Staatssekretär:innen-Postens ist oft auch eine Bewährungsprobe, die zum Karrieresprungbrett werden kann: Ex-Kanzler Sebastian Kurz begann seine Regierungslaufbahn als Integrationsstaatssekretär, Edtstadler wurde trotz eingeschränkter Wirkungsmacht in ihrer Rolle später Ministerin (und nun Landeshauptfrau von Salzburg), auch die aktuelle Familienministerin Claudia Plakolm war in der Vorgänger-Regierung Staatssekretärin (alle ÖVP). Und selbst Bruno Kreisky (SPÖ), der den meisten nur noch als Langzeit-Kanzler in Erinnerung ist, legte den Grundstein für seine politische Karriere in seiner Rolle als Staatssekretär im Außenamt.
In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner:innen
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Michaela Schmidt, Staatssekretärin, SPÖ
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Alexander Pröll, Staatssekretär, ÖVP
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Heinz Mayer, Verfassungsjurist
Daten und Fakten
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Der Bundesregierung unter Kanzler Christian Stocker (ÖVP) gehören neben Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) zwölf Minister:innen und sieben Staatssekretär:innen an. ÖVP und SPÖ stellen je fünf Minister:innen, Babler ist auch für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport zuständig, die Neos zwei Minister:innen. Die Staatssekretär:innen-Posten sind mit je drei Personen von SPÖ und ÖVP und einer von den Neos besetzt.
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Angelobt wurde diese Regierung am 3. März 2025, seit April sind auch die Ressortzuständigkeiten – hier gab es Änderungen gegenüber der Vorgängerregierung – formal durch den Bundespräsidenten bestätigt.
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Die Anzahl der Staatssekretär:innen ist wie jene der Minister:innen nicht geregelt, zuletzt waren es immer weniger. Acht Staatssekretär:innen gab es zwischen 1983 und 1986 unter Bundeskanzler Fred Sinowatz (SPÖ).
Quellen
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