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Was macht ein:e Minister:in am letzten Arbeitstag?

von Max

Von symbolischen Schlüsselübergaben samt launigen Abschiedsreden vor allen Mitarbeiter:innen des Ressorts bis zur Polizeieskorte ins vormals eigene Büro: Der letzte Arbeitstag gestaltet sich für Minister:innen höchst unterschiedlich.

Auch wenn sich die letzten Tage der schwarz-grünen Bundesregierung ziehen: Für die meisten Minister:innen naht mit dem Antritt einer neuen Koalition ihr letzter Arbeitstag, sie werden der nächsten Regierung nicht mehr angehören. Manche haben schon vorher einen Absprung gemacht – allen voran wegen des Scheiterns der schwarz-rot-pinken Verhandlungen auch der Regierungschef selbst.

Wie Karl Nehammer seinen letzten Arbeitstag im Kanzleramt verbracht hat, davon ist nicht viel überliefert. Justizministerin Alma Zadic (Grüne), die kurz vor der Geburt ihres zweiten Sohnes im Dezember ihr Amt an Parteikollegen und Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch übergeben hatte, postete immerhin Fotos, als Abschiedsgeschenk gab es von Rauch Babystrampler. Und auch Magnus Brunner, nunmehr EU-Kommissar, ließ im November die Öffentlichkeit mit Bildern von der traditionellen Schlüsselübergabe an Sektionschef Gunter Mayr an seinem letzten Arbeitstag im Finanzministerium teilhaben.

Wie der letzte Arbeitstag als Minister:in abläuft, hängt von verschiedenen Faktoren ab – etwa der eigenen politischen Zukunft, dem Verhältnis zu den Beamt:innen des Hauses und der Frage, von welcher Partei der oder die Nachfolger:in kommt. Die WZ hat sich bei Ex- und künftigen Ex-Minister:innen umgehört, was sie an ihrem letzten Tag im Amt erlebt haben bzw. vorhaben.

Als „sehr kollegialen und persönlichen Abschied“ hat Ex-Finanzminister Brunner den 20. November 2024 in Erinnerung. Kein Wunder, sein Wechsel nach Brüssel war abgestimmt, übernommen hat mangels neuer Regierung für die Übergangszeit der langjährige Sektionschef Gunter Mayr. Da gab es neben dem Foto von der Schlüsselübergabe, der, wie Brunner verrät, „nur symbolisch ist und gar nichts sperrt“, in den Tagen zuvor auch mehrere Übergabegespräche mit Mayr: „Wir haben uns ausgetauscht, was erledigt ist, und was noch ansteht.“ Am Morgen lud Brunner zunächst seine engsten Kabinettsmitarbeiter:innen zu einer Abschiedsrunde; zur Schlüsselübergabe an Mayr am Nachmittag, die im offenen Stiegenhaus stattfand, waren alle Mitarbeiter:innen des Hauses geladen – und viele kamen tatsächlich, um Brunners launigen Abschieds- und Dankesworten zu lauschen und bei einem Getränk die Amtszeit gemeinsam zu resümieren. Formal war da schon Mayr in Amt und Würden und Brunner als Minister entlassen, seine letzte Amtshandlung war keine solche im eigentlichen Sinn – bevor er das Büro verließ, gab er seine IT-Geräte ab.

Amtsunterlagen müssen übergeben werden

Schon in den Tagen zuvor gesammelt und sortiert wurden in Brunners Kabinett die ministeriellen Unterlagen. Denn das ist eine der wenigen formalen Vorgaben rund um das Ausscheiden aus einer Regierung: Alle Unterlagen, die sich auf die Amtsführung beziehen, müssen dem Staatsarchiv übergeben werden. Aus Brunners Büro wanderten „knapp 3.000 elektronische Geschäftsstücke sowie mehrere Kartons an Papierbeilagen“ in dieses Gedächtnis der Republik. Dort bleiben sie ganze 25 Jahre verwahrt – und unter Verschluss. Eingesehen werden dürfen die Unterlagen nur mit Zustimmung des/der jeweils Betroffenen.

Was mit persönlichen Unterlagen, Notizen, persönlichen Andenken oder möglicherweise persönlicher Büroeinrichtung passiert, entscheiden die Minister:innen selbst. Brunner packte in den Tagen vor seinem Abschied einige Bücher und „einen Koffer voll mit persönlichen Andenken“, darunter auch das Abschiedsgeschenk seines Kabinetts. Der Koffer wurde nach Brüssel geschickt. Zur Entsorgung schickte er dagegen „eine Kiste mit Dingen, die ich aus dem Staatssekretariat mit ins Finanzministerium genommen habe. Wenn ich die in drei Jahren nicht gebraucht habe, werde ich sie auch künftig nicht mehr brauchen“, sagt er.

Persönliches im Schuhkarton

Was Gesundheits- und Sozialminister Rauch an Persönlichem aus seinem Büro mitnimmt, „passt in einen Schuhkarton“, verrät er im WZ-Gespräch. Seinen bevorstehenden letzten Arbeitstag sieht er pragmatisch: „Wir kennen weder den Tag noch die Stunde, bis dahin wird gearbeitet – und dann wird der letzte Schritt sein, meine Zugangskarten abzugeben und das war’s.“ Mit den Sektionschef:innen wird es noch ein Abschiedsgespräch geben, große Abschiedsreden plant Rauch nicht – freilich auch, weil er das auf Mitarbeiter:innenebene schon im Vorjahr erledigt hat: „Wir haben dazu die Weihnachtsfeiern genutzt, weil wir dachten, dass es mit der Regierungsbildung schneller geht.“

So kann man sich täuschen. Nicht immer sind Minister:innen bis zu ihrem Abschied auch noch handlungsfähig und schicken wie Rauch Verordnungen (zuletzt etwa zum Verbot von Nikotinbeuteln) aus. Manche:r Minister:in wird von den Beamt:innen im Haus schon ab dem Tag, an dem klar ist, dass er oder sie nicht mehr Teil der nächsten Regierung sein wird, ignoriert. Dann ist auch der Abschied ein recht stiller und die Stimmung bis dorthin „gespenstisch“, wie der langjährige Chef der Präsidialsektion im Bundeskanzleramt, Manfred Matzka, einmal zusammenfasste. Formal sind keinerlei Übergabegespräche für Minister:innen vorgesehen, ob es Abschiedsgespräche mit Sektionschef:innen gibt, liegt im eigenen Ermessen.

Unkollegiale Übergaben

Solche führte der frühere Minister für Soziales oder Verkehr, Alois Stöger (SPÖ), durchaus, im Ministerbüro erlebte er an seinem letzten Tag als Sozialminister am 18. Dezember 2017 eine eher unkollegiale Übergabe. Dass Nachfolgerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) keinen gesteigerten Wert auf einen Austausch mit ihrem Vorgänger legen würde, war angesichts der politischen Welten, die ihre beiden Parteien trennen, klar. „Ich wollte trotzdem einen sauberen Übergang“, sagt Stöger, „und ihr an meinem letzten und ihrem ersten Tag mit einem Blumenstrauß alles Gute für ihre Amtszeit wünschen, wie ich es Jahre zuvor auch im Gesundheitsministerium bei Andrea Kdolsky gemacht habe.“ Doch Stöger wurde nicht einmal mehr in sein eben erst geräumtes Büro gelassen: „Ich durfte nur noch in Begleitung der Staatspolizei hinein“, erinnert er sich. Ganz ohne Lebenszeichen wollte sich der Sozialdemokrat dann auch nicht verabschieden: Am ersten Tag nach seinem letzten Tag als Minister resümierte er in einer Pressekonferenz über seine Amtszeit.

Eher unfreundlich verlief einst auch der Abschied von Werner Faymann (SPÖ) im Kanzleramt. So soll ihm nach dem Antritt von Nachfolger Christian Kern dessen Team in der Präsidialabteilung die Nutzung eines Dienstwagens für die Heimfahrt verwehrt haben – ein Bruch mit einer davor mindestens 35 Jahre langen Tradition, wonach scheidende Kanzler nicht zu Fuß mit ihren persönlichen Gegenständen unterm Arm den Ballhausplatz verlassen müssen.

In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.


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Infos und Quellen

Gesprächspartner

  • Magnus Brunner, EU-Kommissar und Ex-Finanzminister, ÖVP

  • Alois Stöger, Interims-Vorsitzender der SPÖ Oberösterreich und Ex-Verkehrs-, Gesundheits- und Sozialminister

  • Johannes Rauch, Gesundheits- und Sozialminister (Grüne)

  • Manfred Matzka, früherer Präsidialsektionschef im Bundeskanzleramt

Daten und Fakten

  • Die Entlassung der Bundesregierung und damit das Ende der ministeriellen Amtszeit erfolgt durch den oder die Bundespräsident:in. Bis zur Bildung einer neuen Regierung nach einer Nationalratswahl beauftragt er oder sie die bisherige Regierung mit der Fortführung der Amtsgeschäfte. Für das Ausscheiden einzelner Minister:innen ist der formale Ablauf so, dass diese Entlassung durch das Staatsoberhaupt auf Vorschlag des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin erfolgt.

  • Wie alle Bundesdienststellen müssen auch Minister:innen alle Unterlagen die Amtsführung betreffend ans Staatsarchiv übergeben.

Quellen

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