Startseite Politik Was man im tiefsten Land Europas tut, wenn das Wasser steigt

Was man im tiefsten Land Europas tut, wenn das Wasser steigt

von Max

„Schweizer Uhrwerk“

„Wir haben in unserem Land über Jahrhunderte ein System geschaffen, das wie ein Schweizer Uhrwerk funktioniert“, erläutert Marjolin Haasnoot, „jedes Zahnrad greift ins andere, aber es wird immer schwieriger, diese Uhr zu stellen.“ Die Umweltwissenschaftlerin erforscht an der Universität Utrecht, wie die Niederlande ihre Landschaftsplanung an den Klimawandel anpassen müssen, „und das wird immer schwieriger, mit all den Wetterextremen, die häufiger werden.“ Die Niederlande seien eigentlich nicht anderes als ein großes Flussdelta, geprägt von den drei größten Flüssen, dem Rhein, der Maas und der Schelde, die in die Nordsee münden. Was das heißt, in Zeiten des Klimawandels, macht Haasnoot in einem kurzen Satz deutlich: „Das Wasser kommt von allen Seiten.“

Der Meeresspiegel in der Nordsee steigt seit Jahrzehnten konstant, momentan nur ein paar Millimeter pro Jahr, aber zum Ende dieses Jahrhunderts sollte es rund 65 Zentimeter sein. Doch die Prognosen sind schwierig, der Klimawandel verläuft nicht konstant, vor allem nicht in einem Flussdelta: „Wir müssen mit diesen Unsicherheiten leben lernen.“

Mit der Natur planen

Vieles hat Kleinhans bei diesen Experimenten überrascht, vielleicht am meisten aber die Rolle, die Pflanzen in diesen Landschaften spielen: „Pflanzen bauen tatsächlich Landschaften, sie formen sie im Wechselspiel mit dem Wasser.“ Für die langfristige Planung für Hollands Küstenlandschaft müsse man die Natur viel mehr einbeziehen: „Mit jeder rein technischen Maßnahme, mit der wir in dieses Ökosystem eingreifen, schwächen wir es – und schwächen damit auch uns.“

Man müsse diesen Naturkräften auch Platz lassen, macht sich Kleinhans auch für unbequeme Antworten stark: „Wir müssen den Flüssen die Chance geben, sich auszubreiten und so auch langsamer zu werden. Wir werden aber auch darauf verzichten müssen, Häuser in immer tiefer gelegene Polder zu setzen, das führt früher, oder später ins Desaster.“

Eines hat ihn die Erforschung dieser Küstenlandschaften auch gelehrt, „der alte Spruch von den Niederländern, die ihr Land gebaut haben, stimmt so nicht. Die Natur hat da lange sehr viel mitgebaut. Das müssen wir für die Zukunft mit einplanen.

Die Flüsse wiederum schwellen nach Starkregen immer heftiger an, Hochwässer sind die Folge und die Niederlande haben die in den vergangenen Jahren immer häufiger erlebt. Wenn dann zugleich Stürme und der ohnehin steigende Meeresspiegel das Meerwasser Richtung Land schieben, „dann läuft unsere Badewanne irgendwann über.“

Doch Fatalismus liegt den Niederländern nicht, besonders nicht, wenn es um das alte Spiel zwischen Wasser und Land geht. Um die Anpassung an den Klimawandel und die Folgen kümmert sich seit einigen Jahren ein wissenschaftlicher Klimarat. Hier kommen Umweltforscher wie Haasnoot, aber auch Ökonomen, Wetterforscher und Bauexperten zusammen, um die Regierung zu beraten.

Längst hat man begonnen, die großen Dämme des Landes höher zu bauen, Pumpleistungen zu erhöhen, Sturmwälle zu verstärken, „Rein technisch betrachtet, könnten wir uns überall vor dem Meer mit Mauern schützen “, meint Haasnoot; „aber nicht nur ist das eine riesige technische und finanzielle Herausforderung, es ist auch ein Denkmuster, das wir nicht ewig fortsetzen können. Wir müssen fundamentale Entscheidungen treffen.“

Naturkräfte simulieren

Die Natur müsse mehr ins Spiel gebracht werden, ihre Kräfte müssten mit der Technik zusammen wirken, vor allem, wenn es darum geht, die Küstenlandschaften an der Nordsee für steigende Meeresspiegel zu rüsten. Es ist ein wissenschaftliches Spiel mit Wasser, Sand, aber auch all der Vegetation, die die Marschlandschaften an der Küste prägt: Spezielle Gräser etwa, die in den salzigen, schlammigen Böden wachsen, ihnen Halt geben gegen das Wasser. Um all das im Detail zu erforschen hat der Geowissenschaftler Marteen Kleinhans eine Maschine gebaut. Das „Metronom“ ist ein rund 20 Meter langes Becken, das mit Motoren bewegt wird, so dass man darinnen die Dynamik einer Küstenlandschaft simulieren kann, mit Ebbe und Flut, aber auch Stürmen und steigenden Meeresspiegeln. Kleinhans kann so quasi im Schnelldurchlauf Entwicklungen der Landschaft simulieren – und was welcher Eingriff in die Natur bewirken kann.

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