Viel Lob für den ORF und nur wenig Kritik gab es am Donnerstag im letzten Publikumsrat vor der Nationalratswahl am 29. September. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann erläuterte die Eckpfeiler der neuen Strategie 2030, „Ein ORF für alle“, und informierte über Programmneuerung. Mit dem Start von ORF ON und der „ZiB“ auf Youtube ist Weißmann zufrieden. Letzteres nannte er auch als Beispiel dafür, wie Geld intern umgeschichtet wird, um neue Zielgruppen zu erreichen.
Mit der ORF-Strategie 2030 strebt das öffentlich-rechtliche Medienhaus jedenfalls einen ORF an, der für alle relevant ist. Derzeit ist in etwa ein Viertel der Bevölkerung wenig zufrieden mit dem ORF-Programm. Mit einer neuen Zielgruppen-Landkarte wird Programmmachern ein Werkzeug in die Hand gegeben, das sicherstellen soll, dass künftig alle Zielgruppen zufriedenstellend abgedeckt werden – und nicht manche mehrfach und andere gar nicht.
Deshalb erfolgt derzeit auch eine finanzielle Umschichtung in den Streamingbereich, um verstärkt junge, bislang unterversorgte Zielgruppen zu erreichen. Derzeit stünden in etwa acht bis neun Millionen Euro für Streaming-First-Programme mit „ganz anderem ‚look-and-feel'“ zur Verfügung, sagte Weißmann. Auch wird überlegt, Kurznachrichten in verschiedenen Sprachen anzubieten.
Auch Akzeptanz und Relevanz als Leistungswerte
Neben Reichweite und Marktanteilen fokussiert der ORF zur Leistungsüberprüfung künftig verstärkt auch auf Akzeptanz und Relevanz. Die Effizienz im ORF soll weiter gesteigert und durch die Implementierung von KI-Technologien die Innovationsführerschaft übernommen werden.
Ein strategischer Schwerpunkt ist weiterhin Multimedialität. Nach mehreren Ressorts, darunter war auch die Wetterredaktion, wird die Kultur als nächstes multimedial und damit zusammengeführt. „Ö1 und ORF III bleiben als starke Marken erhalten“, versicherte Weißmann.
Erfreut blickt Weißmann auf die Entwicklung des Onlineauftritts des ORF. Die Nettoviews im ORF.at-Netzwerk – das auch die vor wenigen Monaten gestartet Streamingplattform ORF ON umfasst – seien wie auch die Nutzungszeit gegenüber dem Vorjahr gestiegen. ORF ON sei „gut gestartet“, habe aber „natürlich“ noch Verbesserungsbedarf. Mit Berater Matthias Settele seien 50 Punkte erarbeitet worden, die man nun umsetzen werde.
Eine App für den Kids-Kanal
Der ORF strebt zudem ein länderübergreifendes „Public-Value-Streaming-Netzwerk“ an. Erste Gespräche mit ARD und ZDF würden „ganz gut“ laufen. Im Fokus stehe, Kräfte zu bündeln und die digitale Souveränität Europas zu stärken.
Im Oktober wird die App „ORF Kids“ gestartet. Erste in der Publikumsratssitzung präsentierte Bilder zeigen mehrere Lanes – darunter etwa „News für Kids“ – vor blauem Hintergrund. Bereits seit wenigen Wochen online ist der „ZiB“-Youtube-Kanal. Innerhalb von ein paar Tagen habe man mehr als 10.000 Abos verzeichnet. „Und es steigt stark“, so Weißmann, der versicherte: „Wir erreichen hier völlig neue Publikumsschichten.“
Der ORF-Chef gab auch einen Ausblick auf die eine oder andere Programmneuerung. So wurde bereits die 2. Staffel von „Biester“ abgedreht und rollt der ORF „Ein Ort am Wort“ in jedem Bundesland aus. „Ein regelmäßiger Stammtisch, wo jeder ohne Maulkorb reden darf“, beschrieb Weißmann das Diskussionsformat.
Im Datingbereich wurde bereits das Format „Herzblatt-Taxi“ angekündigt, für das die Dreharbeiten bereits gestartet sind. Im kommenden Jahr soll „Willst du mit mir gehen?“ hinzukommen. Dabei wandern Personen auf der Suche nach der großen Liebe Seite an Seite durchs Land, um sich näher kennenzulernen. Auch eine „Astroshow“ mit Sasa Schwarzjirg ist für das ORF 2-Nachmittagsprogramm in Arbeit.
Kritik „unter der Gürtellinie“
Lob gab es von Publikumsräten etwa für die Hochwasserberichterstattung des ORF, die – wie Weißmann herausstrich – mit ihren rund 70 Stunden Infoberichterstattung fast fünf Millionen Menschen zumindest kurz erreicht hat. Kritik daran, dass der ORF zu spät umfassend berichtet habe, wies er zurück. „Nein, auf keinen Fall“, meinte er.
Die harschen Worte von Wettermoderator Jörg Kachelmann („Wenn Menschen in NÖ sterben, hat sie auch das (sic!) ORF auf dem Gewissen“) bezeichnete Weißmann als „eindeutig unter der Gürtellinie“. „So eine deftige Wortwahl trägt nur zur Polarisierung bei“, sagte der ORF-Generaldirektor, der weitere Schritte gegen den Schweizer prüfen lässt. Gut angelaufen ist die vom ORF gestartete Aktion „Österreich hilft Österreich“. Man habe bereits acht Millionen Euro für Betroffene des Hochwassers gesammelt, freute sich der ORF-Chef über die Spendenbereitschaft der Bevölkerung.
Nutzwertjournalismus“ fürs Publikum
Ein Themenschwerpunkt befasste sich in der Sitzung mit der Konsumentenschutz-Berichterstattung des ORF. Johannes Bruckenberger, ORF-Chefredakteur für Sendungs- und Plattformteams, sprach von „Nutzwertjournalismus“, bei dem man das Publikum „bei allen Berichten im Auge“ haben müsse. Mit den gegenwärtigen Sendungsgefäßen wie etwa „Konkret“ ist er zufrieden. „Wir müssen aber mehr danach trachten, die Inhalte auch stärker ins Digitale zu transferieren, um dort mit Konsumenten- und Serviceinhalten präsenter zu sein“, sagte Bruckenberger.
Der Publikumsrat sprach in der Sitzung auch Empfehlungen zu den Themenbereichen Kunst und Kultur sowie Barrierefreiheit aus. So solle Barrierefreiheit bei der Konzeption von neuen ORF-Angeboten stärker berücksichtigt und „erhebliche Qualitätsunterschiede“ bei Angeboten in einfacher und leichter Sprache mit einer einheitlichen Herangehensweise und gemeinsamen Standards bekämpft werden. Im Kunst- und Kulturbereich empfiehlt das Gremium u.a. mehr Angebote für Kinder und Jugendliche und mehr Kultur aus den Regionen.