Warum mich eine Jahresrückschau nicht so deprimiert, wie ich dachte.
Das war es also mit 2024. Was für ein Jahr. Es war das wärmste Jahr der Messgeschichte, die Temperaturen lagen um 3,1 Grad über dem Durchschnitt. Im Sommer hatten wir in Wien 52 Hitzetage – also Tage, an denen es über 30 Grad hat (vor genau 20 Jahren, im Jahr 2004, waren es nur neun gewesen). Gleich danach, im September, spülte das Hochwasser halb Niederösterreich und Wien weg, der normalerweise minimal vor sich hinplätschernde Wienfluss wurde zur reißenden Gefahr, der Metallgitter verbog und in die U-Bahn-Baustelle Pilgramgasse entlang der U4 eindrang. Kurz: Der Planet gibt uns bereits sehr deutliche Antworten auf die Art, wie wir ihn behandeln – und in Österreich spüren wir diese Antworten besonders stark.
Auch ich war 2024 sehr oft frustriert. Dennoch: Es GEHT was weiter.
Durch die fehlende Reaktion der Weltpolitik und der österreichischen Politik kann man im Grund dauerdepressiv werden, und auch ich war 2024 sehr oft sehr frustriert. Dennoch: Es GEHT was weiter. Immer mehr Länder verstehen, dass wir alle gemeinsam etwas tun müssen. Darum: Heute mal ein paar gute Nachrichten, damit wir halbwegs positiv gestimmt ins neue Jahr gehen können.
China baut PV-Anlagen, zweimal so groß wie Wien
Zunächst mal zu einem der größten Länder der Erde, das weithin auch als einer der größten Umweltverschmutzer gilt: China. Über weite Strecken, vor allem im Produktionsbereich, ist das sicher gültig, aber: In China wurde 2024 die weltgrößte Photovoltaik-Anlage ans Netz genommen. Eine 81.000 Hektar große Anlage liefert seither Strom aus Sonnenenergie. Zum Vergleich: Wien hat eine Größe von 41.487 Hektar – die Anlage ist also fast doppelt so groß wie ganz Wien.
Brasilien reduziert die Regenwald-Abholzung
Die Lunge der Welt liegt auf einem anderen Kontinent: In Brasilien wurde die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes signifikant reduziert. Während der rechtspopulistische Präsident Jair Bolsonaro bis 2022 scheinbar nicht einmal wahrnehmen wollte, dass ein Raubbau am Regenwald massive Auswirkungen aufs Weltklima hat, sorgte sein Nachfolger Lula da Silva dafür, dass die Entwaldung um fast fünfzig Prozent zurückging (in Gebieten, in denen indigene Völker leben, sogar um fast drei Viertel).
In Skandinavien haben sie das ja schon länger verstanden mit dem Klimaschutz, aber Dänemark hat 2024 nochmal wirklich einen Durchbruch erzielt: Dort sollen mehr als zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche wieder in natürliche Lebensräume umgewandelt werden. Nachdem gut fünfzig Prozent Dänemarks landwirtschaftliche Fläche sind, reden wir hier von fünf Prozent des Landes. Auch hier habe ich wieder ein bisschen herumgerechnet und: Das ist fünfmal die Fläche von Wien, die renaturiert wird.
Wort des Jahres: Renaturierungsgesetz
Moment mal: Renaturierung – dieses Wort ist 2024 ja auch einige Male gefallen. In einem unglaublichen Boss Move stimmte die inzwischen leider scheidende Klimaschutzministerin Leonore Gewessler auf EU-Ebene für die Renaturierungs-Richtlinie, obwohl sich die Landeshauptleutekonferenz dagegen ausgesprochen hatte. Sie hatte sich durch Rechtsgutachten abgesichert und was folgte, war nicht nur der EU-weite Beschluss des Gesetzes, der ohne ihre Zustimmung nicht hätte stattfinden können, sondern auch eine unglaubliche Demaskierung der ÖVP. Der Kanzler sprach ihr das Misstrauen aus, zeigte sie wegen Amtsmissbrauch sogar an (was erwartungsgemäß kläglich scheiterte), beließ sie aber im Amt. Wie unfassbar peinlich.
Der gute alte Aktivismus funktioniert noch
Was auch wirklich gut war: Der gute alte Aktivismus funktioniert noch. Greenpeace deckte nach entsprechenden Hinweisen durch Anrainer:innen auf, dass in St. Pölten trotz einem seit 2008 geltenden nationalen Deponieverbot Restmüll komplett unzureichend gelagert und teilweise vergraben wurde. Ich kenne diesen Ort, er liegt am Weg zu Verwandten von mir. Fährt man an der Bundesstraße direkt daran vorbei, würde man nicht glauben, dass es sich um eine Deponie mit solch üblen Zuständen handelt – erst die Drohnenbilder von Greenpeace brachten die Wahrheit ans Licht. Gut so. Gut, dass man mit solchen Aktionen einfach nicht mehr so einfach durchkommt.
Und trotzdem lasse ich Optimismus walten
Manche Dinge aus 2024 würde ich lieber unter den Tisch fallen lassen – ich erinnere an die COP24, deren Ergebnis aus Klimasicht sehr unzureichend ist, an die Wahl von Donald Trump, die uns noch gewaltig beschäftigen wird, oder an den Erfolg der FPÖ, die beim Klimathema ihr klassisches „Hauptsache dagegen“ durchzieht – doch insgesamt lasse ich dennoch den Optimismus walten, hab’ ich beschlossen. Es passiert nicht viel, aber es passiert definitiv nicht nichts. Noch nie habe ich so oft mitbekommen, dass den Menschen klar ist, dass der Klimawandel da und ein Problem ist. In kaum einem Jahr zuvor wurde so deutlich, dass die produzierende Weltmacht China das Klimathema ernst nimmt. Mein Video des Jahres? Das Hochwasseropfer, das bekennender Blauwähler war, aber Gewessler recht gab.
Diese Position sollte Vorbild für 2025 sein: Es muss wurscht sein, WER was sagt. Wenn es das Richtige ist, dann ist es das Richtige. In diesem Sinn: Guten Rutsch!
Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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