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Wer auf Klimaschutz setzt, verliert die Wahl in Österreich

von Max

In diesem Sommer herrschte Rekordhitze in Österreich, gefolgt von einem der schwersten Unwetter der vergangenen Jahrzehnte. Doch in den Umfragen führen Parteien, die beim Klimaschutz bremsen. Woran liegt das?

Der Klimawandel ist diesen Sommer bis in unsere Schlafzimmer vorgedrungen. Nacht für Nacht legte sich die Hitze bleiern über uns, ohne Aussicht auf Abkühlung. In der Wiener Innenstadt wurden mehr als 50 Tropennächte mit Temperaturen über 20 Grad gemessen. Es war der Sommer mit dem wärmsten August in Österreichs gesamter Messgeschichte. Nur wenige Tage später wird wegen des anhaltenden Starkregens und heftiger Stürme ganz Niederösterreich zum Katastrophengebiet erklärt, Züge fallen aus und im ganzen Land treten Flüsse über die Ufer. Und nun? Wo bleiben die Maßnahmen, um den Klimawandel zu bremsen?

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Die Nationalratswahl am 29. September wäre eine gute Chance, mehr Klimaschutz einzufordern. Die Wähler:innen könnten die Partei wählen, die die wirksamsten Lösungen verspricht.

Doch die meisten Parteien meiden das Thema Klimaschutz – mit Ausnahme der Grünen. Zwar führen ÖVP, SPÖ und Neos den Klimawandel in ihren Wahlprogrammen an, doch andere Themen dominieren ihren Wahlkampf. Die FPÖ stellt sich sogar gegen Klimaschutz, spricht von „Klima-Hysterie“ und bezweifelt, dass der Klimawandel menschengemacht sei. Mit der Schlussfolgerung, man könne ohnehin nichts tun. Und sie haben damit Erfolg.

Straßenbau und Verbrenner vorne

Die Umfragen – wie zuletzt von Profil – zeigen, dass Klimaschutz kein Stimmenmagnet ist. Während die Grünen nicht einmal auf zehn Prozent kommen, liegt die FPÖ bei fast 30 Prozent. Und die ÖVP, die weiter Straßen bauen will und auf Verbrennermotoren setzt, liegt auf Platz zwei bei knapp 25 Prozent.

Wer also Maßnahmen für den Klimaschutz präsentiert, hat einen schlechten Stand bei den Wähler:innen. Wer keine präsentiert, liegt vorn. Warum ist das so?

Es war der Sommer mit dem wärmsten August in Österreichs gesamter Messgeschichte.

© Illustration: WZ

„Ein großer Teil der Bevölkerung hält den Klimawandel für relevant“, sagt Meinungsforscherin Eva Zeglovits zur WZ. „Allerdings haben die Wähler:innen wenig Vertrauen, dass die österreichische Politik in der Lage ist, wirksame Maßnahmen zu ergreifen.“ Der Einfluss eines kleinen Landes wie Österreich werde oft als zu gering eingeschätzt.

Klimaschutz unter Bedingungen

Kritisch wird es, wenn die Menschen das Gefühl bekommen, dass Klimaschutz ihr Privatleben beeinflusst und Verhaltensänderungen nötig wären. „Nur solang die persönlichen Kosten, sei es in Euro oder in Bequemlichkeit, nicht spürbar sind, bleibt Klimaschutz für viele akzeptabel“, sagt Zeglovits. Also Klimaschutz ist okay, solang man sein eigenes Verhalten nicht ändern muss.

Hinzu kommt eine ausgeprägte Wissenschaftsskepsis in Österreich. „Der Satz: ‚Die Wissenschaft sagt‘, funktioniert oft nicht so gut“, betont die Meinungsforscherin, „viele Menschen denken, heiße Sommer und Gewitter habe es immer schon gegeben, und nutzen solche Argumente, um notwendige Verhaltensänderungen abzulehnen.“

Und genau an diesen Punkten setzen die beiden in den Umfragen führenden Parteien, FPÖ und ÖVP an. Die FPÖ leugnet den menschengemachten Klimawandel, während die ÖVP auf Zukunftstechnologien wie etwa den „grünen Verbrennermotor“ setzt, die es noch gar nicht gibt. „Beide vermitteln aber dieselbe Botschaft“, sagt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle: „Wer uns wählt, muss sein Verhalten nicht ändern.“

Kulturkampf und Widerstand

Im Gegensatz dazu fordern die Grünen konkrete Veränderungen: weniger Auto fahren, weniger Fleisch essen, weniger fliegen. „Damit stoßen sie jedoch auf Widerstand und eröffnen einen Kulturkampf“, sagt die Politologin: „Man wird ja wohl noch sein Schnitzel essen dürfen.“

Viele Menschen denken, heiße Sommer und Gewitter habe es immer schon gegeben.

Meinungsforscherin Eva Zeglovits

Die Strategie der Grünen geht daher nach hinten los. Denn die Bereitschaft, sich Regeln zu fügen, hat in den vergangenen Jahrzehnten stark abgenommen. In den 1970er-Jahren gab es an einem Tag in der Woche noch ein Fahrverbot für Autos, an das sich jede:r gehalten hat. „Heute wäre so etwas kaum durchsetzbar“, sagt Stainer-Hämmerle, „die Autoritätshörigkeit hat abgenommen.“

Es ist eine Entwicklung, die eigentlich sehr positiv ist. „In den Schulen lernen Kinder, auf ihre Rechte zu pochen, und soziale Medien bieten jedem die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden“, sagt die Politologin. Die individuelle Freiheit steht im Vordergrund, und viele denken: „Wenn andere sich nicht daran halten, warum sollte ich es tun?“

Der Staat, der eingreift

„Wir leben in einer stark individualisierten Leistungsgesellschaft, in der jede:r auf dem beharrt, was er/sie sich verdient hat“, sagt Stainer-Hämmerle. „Und das gibt niemand gern her.“ Aus diesem Grund sei es besonders schwierig, Verhaltensänderungen durchzusetzen.

Zudem haben seit der Corona-Pandemie viele Menschen erlebt, wie der Staat in ihr Leben eingreift, Verbote erlässt und Vorschriften macht. „Besonders für gesellschaftliche Schichten, die bisher kaum Erfahrungen mit staatlichen Eingriffen gemacht hatten, wie etwa Besserverdienende, war das ein einschneidendes Erlebnis.“

Auch wenn diese Entwicklung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie kritisch gesehen wird, könnte sie im Umgang mit der Klimakrise hilfreich sein. Denn die Klimakrise lässt sich nur gemeinsam bewältigen.


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Infos und Quellen

Genese

Nach diesem Hitzesommer müsste Klimaschutz im Wahlkampf das Thema Nummer eins, dachte sich WZ-Redakteur Bernd Vasari und begann zu recherchieren.

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