Startseite Kultur Wer ist ein Trottel? „Die Tiere sind alle keine Trotteln“

Wer ist ein Trottel? „Die Tiere sind alle keine Trotteln“

von Max

Sie behaupten, einander stets nur zufällig zu treffen. Und hin und wieder im Wirtshaus zu landen. Wie lange das schon so geht, darüber sind sie sich uneins. Fest steht, sie schreiben einander seit einem Jahr E-Mails. Früher oder später musste daraus dann ein Buch namens „Trotteln“ werden. Der Zeichner und Satiriker Marcus Weimer aka Rattelschneck und der Schriftsteller Robert Seethaler („Der Trafikant“) über „Trotteln“ (sic!) und Troddeln.

KURIER: Sie machen den Trottel zum Kernthema Ihres neuen Buches. Wer von Ihnen beiden, würden Sie sagen, ist der größere Trottel?

Robert Seethaler: Wollen Sie uns hier beleidigen? Das Buch heißt „Trotteln“, das ist alles.

Aha, das war ein Missverständnis. Gut, dass wir das geklärt haben. Wie sind Sie denn auf das Thema Trottel gekommen?

Seethaler: Wenn man alles begründen könnte! Ich weiß es nicht, es fiel uns halt ein. Wie soll man denn über so ein Buch reden? Ehe wir überhaupt begonnen haben, habe ich Marcus aus einer Sekundenlaune geschrieben: „Hab schon ein Thema, nämlich „Glückliche Trotteln“.

Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit? 

Rattelschneck: Robert behauptet, wir kennen einander seit einem Jahr, ich behaupte, wir kennen uns seit sechs Jahren. Seit einem Jahr jedenfalls schreiben wir einander Mails – im Buch sieht das ja aus wie WhatsApp, ist aber Mail. Er antwortet immer sehr schnell. Ich schreibe ja auch anderen Leuten Mails und da dauert das Stunden oder Jahre, bis da wieder was kommt. Bei ihm hatte ich den Eindruck, er sitzt immer zuhause, so wie ich. Das fand ich sehr angenehm. Persönlich begegnen wir einander nie. Eher zufällig. Wir verabreden uns auch nicht.

Seethaler: Wir haben uns im Wirtshaus getroffen. Ich wohne in Berlin Kreuzberg, er in Neukölln, das ist ja nicht weit weg. Wir haben ein paar Bier getrunken und gezeichnet. Irgendwann später haben wir einander geschrieben und mein Verleger hat dann gesagt: Machen wir ein Buch draus.

Wir sollten über die Grammatik des Trottels sprechen. „Trotteln“ ist nämlich eine unkorrekte Mehrzahl. Ist es also vielleicht als Verb gedacht – im Wirtshaus vor sich hintrotteln?

Seethaler: Jeder soll das so lesen, wie er möchte. Wir haben uns nicht so viel gedacht dabei. Es gibt keine Dramaturgie. Für uns war das ein großer Spaß. Wir wissen nicht, ob das auch für irgendjemand anderen auf dieser Welt ein Spaß ist. Das Witzige war hier das sprachliche Missverständnis zwischen mir als Österreicher und ihm als Deutschen: Er dachte, ich mache einen Rechtschreibfehler und hat deswegen Troddeln gezeichnet.

Aber man kennt das Wort Trottel in Deutschland schon? Rattelschneck: Ja klar.

Robert Seethaler und Rattelschneck im KURIER-Gespräch   

Auch Abstufungen der Trotteligkeit sind hier ein Thema. „Dodeln sind feinere Trotteln“, schreiben Sie, Herr Seethaler. Warum?

Seethaler: Das ist eine Belehrung an den Deutschen. Trotteln sind für ihn Quasteln. Dodeln kann er schon überhaupt nicht einordnen. Jetzt muss ich ihm sagen, dass es noch eine Abschwächung von Trotteln gibt. Ein Dodel ist nicht ganz so vertrottelt oder vertrampelt wie der Trottel.

Wo kann man da den Depp einordnen?

Rattelschneck: Das wär nochmal ein anderes Buch.

Auf manchen Zeichnungen sehen Sie, Herr Seethaler, aus wie Benjamin Stuckrad-Barre.

Seethaler: Sehr schön, der Stuckrad-Barre.

Es kommen auch immer wieder Einschübe des Lektorats vor, sind die echt?

Rattelschneck: Ja, das kann man den Leuten auch mal unter die Nase reiben, was da so abgeht. Der Lektor kommt dann mit so komischen Sachen wie „Kann man das Stäbchenparkett noch mehr betonen…“

Also der ganze Mailverkehr ist komplett authentisch?

Rattelschneck: Ja, aber das ist natürlich nicht alles.

Seethaler: So Sachen wie „Wie geht’s dir?“ wurden rausgekürzt.

Also Sie schreiben einander auch ganz Normales?

Seethaler: Wenig.

Wer ist ein Trottel? "Die Tiere sind alle keine Trotteln"

Rattleschneck: „Ich weiß genau, was ich kann und was ich nicht kann. Deswegen mache ich auch nichts falsch. Alles, was ich nicht kann, das macht meine Frau. Onlinebanking zum Beispiel.“

Sie erwähnen im Buch Personengruppen, die bei Ihnen latent unter Verdacht des Trotteltums stehen: Touristen, Fix und Foxi, Kinder… Rattelschneck: Irgendwo steht auch, dass Frauen keine Trotteln sein können.

Seethaler: Tiere können auch keine Trotteln sein.

Da muss ich widersprechen. Ich hab erst vor wenigen Tagen eine Frau gesehen, die hat zu ihrem Dackel „du Trottel“ gesagt.

Seethaler: Nur weil die Frau das sagt, muss der Dackel ja kein Trottel sein.

Er hat eh indigniert weggeschaut.

Rattelschneck: In unserem Buch sind die Tiere alle keine Trotteln.

Seethaler: Und jeder, der was anderes behauptet, kriegt Post vom Anwalt.

Wie verwenden Sie das Wort Trottel denn ganz persönlich? Manche Leute sagen ja zum Beispiel auch zu sich selbst Trottel, wenn sie etwas falsch machen. Was sagen Sie in so einem Fall?

Seethaler: Da sage ich ganz einfach: „Ach Robert, warum hast du das jetzt wieder falsch gemacht?“

Rattelschneck: Ich weiß genau, was ich kann und was ich nicht kann. Deswegen mache ich auch nichts falsch. Alles, was ich nicht kann, das macht meine Frau. Onlinebanking zum Beispiel.

Seethaler: Ich habe keine Frau. Deswegen muss ich mich selbst beschimpfen.

Was hat es mit dem Karl Kraus-Zitat auf dem Buch auf sich?

Seethaler: Wir hatten die Wahl zwischen Helge Schneider und Karl Kraus und haben uns für Karl Kraus entschieden.

Weil es sich damit besser in Österreich verkauft?

Seethaler: Nicht nur in Österreich, auch in Frankreich ist Karl Kraus bekannter als Helge Schneider.

Rechnen Sie mit vielen Übersetzungen?

Seethaler: Meine bisherigen Bücher sind in 42 Sprachen übersetzt worden. Ich rechne diesmal mit mehr.

Wer ist ein Trottel? "Die Tiere sind alle keine Trotteln"

Robert Seethaler: „Humor ist, wenn man lacht. Und nicht mal das muss sein.“

Um ein derartiges Buch zu schreiben, muss es so etwas wie ein gemeinsames Humorverständnis geben. Oder haben Sie vielleicht gar keinen gemeinsamen Humor und dieses Buch ist ein einziges Missverständnis?

Rattelschneck: Das ist eine gute Frage. Ich arbeite ja schon seit 35 Jahren mit anderen Leuten zusammen. Und immer frage ich mich, ob ich das eigentlich lustig finde, was der andere macht. Ich habe etwa mit Max Goldt viel gemacht. Da habe ich manchmal überhaupt nicht verstanden, was das soll. Und Wiglaf Droste finde ich auch nicht so lustig. Bei Robert weiß ich das gar nicht. Über Humor habe ich mit ihm überhaupt nicht geredet.

Auch wenn wir jetzt alle ernst dreinschauen und ernst reden, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Buch „Trotteln“ heißt und daher natürlich ein gewisses gemeinsames Humorverständnis voraussetzt.

Seethaler: Humor ist, wenn man lacht. Und nicht mal das muss sein.

Die Welt ist ja auch diesbezüglich auch voller Missverständnisse. Und dann gibt es natürlich auch ganz viele Klischees über deutschen Humor versus österreichischen. Seethaler: Das wäre zu billig. Es gibt etwas, das über das Verständnis hinausgeht. Das Wort Verständnis ist auch nicht ganz stimmig. Bei uns geht es um etwas anderes: Wir sagen ja zum anderen. Er macht etwas und ich nehme es. Und umgekehrt auch. Das muss man gar nicht verstehen. Da gibt es keine Metaebene. Und das hat vielleicht auch etwas sehr Kindliches.

Gibt es eine Berufsgruppe, in der das Trottelaufkommen besonderes groß ist?

Seethaler: Die Trotteldichte ist weltweit über alle Gesellschaftsschichten immer gleich.

Prozentsatz?

Seethaler: Nahezu hundert Prozent. Ein bissl ein Trottel steckt in jedem.

Wer ist ein Trottel? "Die Tiere sind alle keine Trotteln"

Robert Seethaler, Rattelschneck:
„Trotteln“
Ullstein.
112 Seiten.
26,50 Euro

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