Startseite Politik Westen muss „planen, wo Krieg aufhören soll“

Westen muss „planen, wo Krieg aufhören soll“

von Max

Der Militärexperte Gustav Gressel fordert angesichts von 1.000 Tagen Krieg in der Ukraine eine konkrete Ausstiegsstrategie. 

Der Westen müsse „durchplanen, wo der Krieg aufhören soll“ und welche Mittel, also Gerät, Waffen, Munition, aber auch Training und Ausbildung dafür nötig seien, die Ukraine „dort hinzubringen“, erklärt Gressel im Gespräch mit der APA. Verzögerte Hilfe würde die Kosten nur erhöhen. Wenn Russland gewinnen sollte, drohe ein noch größerer Krieg in Europa.

Ukraine braucht Fahrzeuge

Die Ukraine brauche dringend gepanzerte Transportfahrzeuge, Munition sowie Jagdflugzeuge, beschreibt Gressel, der seit November wieder beim Institut für Strategie und Sicherheitspolitik an der Landesverteidigungsakademie tätig ist, den dringendsten Bedarf. Das von Russland angegriffene Land verfüge über „ältere F-16-Jagdflugzeuge“ mit Luft-Luft-Raketen, die zwar in der Reichweite besser als die bisherigen seien, aber den russischen dennoch „deutlich unterlegen“. 

Ein oder zwei Staffeln Gripen mit Meteor-Flugkörpern etwa wären hilfreich, um die russischen Streitkräfte „von der Front drängen zu können“. Außerdem habe die Ukraine einen Mangel an Stabsoffizieren, an Offizieren der „oberen Ebene“ sowie an Ausrüstung für Kommandostrukturen. Hier wäre es gut, wenn der Westen im Bereich Offiziersausbildung und strukturierte „Lesson-learnt“-Prozesse der Ukraine unter die Arme greife, weil „wir gut sind darin, Prozesse aufzusetzen“.

Kritik an Biden-Politik

Kritisch beurteilt Gressel die Biden-Politik. Die Administration von US-Präsident Joe Biden hatte nämlich „nicht wirklich eine Strategie“. Die Planung für militärische Unterstützung ging laut dem Experten immer nur für ein paar Monate lang. „Man hat nie durchüberlegt, für welchen Ausgang des Krieges es wie viel Gerät, Ausbildung, etc. braucht und das wirklich durchgeplant. Sondern man hat sich nach der innenpolitischen Decke gerichtet.“ Es sei darum gegangen, wie viele welcher Staat bereit war, zu geben und wie viel an Altgerät zur Verfügung stand. „Die Biden-Administration hat den Ukrainern auch nicht wirklich Wege offengelassen, die Russen so unter Druck zu setzen, dass Russland an ernsten Verhandlungen interessiert sein könnte.“ Der Bedarf sei unterschätzt worden. Ohne entsprechende Hilfe könne es auch 2025 keine ukrainische Gegenoffensive geben.

Die Ukraine ihrerseits wollte die Russen „unkonventionell unter Druck setzen“: mit Schlägen gegen die russische Rüstungsindustrie sowie die Öl- und Gasproduktion. „Dafür brauchen sie aber auch die Erlaubnis, mit westlichen Waffen auf russisches Territorium zu schlagen.“ Wichtig sei, dass ukrainische Drohnen durch den Gürtel an Fliegerabwehrstellungen, die sich rund um die Ukraine befinden, fliegen könnten. Dass die USA und auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz der Ukraine dies nicht erlaube, ist nach Ansicht Gressels „völlig irrational“. Denn: „Das wäre eine Möglichkeit der Ukrainer, auf die Russen Druck auszuüben, die den Ukrainern viel Blut ersparen würde.“

Ende des Krieges „durchplanen“

Weiters bräuchte die Ukraine, um „überhaupt sinnvoll zu einem Ende zu kommen“, laut dem Militärexperten „Sicherheitsgarantien“. Die Ukrainer müssten sicher wissen, dass in dem Moment, wo im Krieg Schluss sei, Russland nicht weitermachen könne. „Die einzigen Sicherheitsgarantien, die die Russen verstehen, ist der NATO-Beitritt.“

Der Westen müsste also das Ende des Krieges „durchplanen“ und auch gewisse Sicherheitsmargen mitberücksichtigen, meint Gressel. Danach sei zu klären, „wer stellt das Zeug her und wer bezahlt’s“. Bisher sei alles eine „freiwillige Spendenaktion“ gewesen. Und „die Kosten wurden dadurch schon gewaltig größer, dass man es verabsäumt hat, die Ukraine früh schlagkräftig zu unterstützen und die Hilfe immer wieder verzögert hat. Je weiter man wartet, desto höher werden die Kosten, um die ukrainische Armee später wieder zu rekonstruieren.“

Unter Trump wird es „nur schlimmer“

Unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump fürchtet Gressel, dass es „nur schlimmer wird“. Die Ukraine sei für Trump lediglich ein „Nebenschauplatz“. Der Militärexperte erwartet außerdem, dass es innerhalb von Trumps Republikanern zu einem Richtungsstreit über die zukünftige Ukraine-Politik kommen könnte. Dies würde zu einem Stocken der US-Waffenlieferungen führen. „Der Ukraine ist am Ende wurscht, wer streitet. Das Problem ist, wenn die Amerikaner blockiert sind, weil sie streiten, dann kostet das der Ukraine täglich Menschenleben.“ Laut UNO-Angaben gab es bis Ende Oktober mindestens 12.162 zivile Todesopfer.

In dem aktuellen Abnützungskrieg gebe es ähnliche Probleme auf beiden Seiten, nur gehe es den Ukrainern „graduell schlechter“. Die „kumulativen Erosionseffekte“ würden auf ukrainischer Seite „jetzt stärker einsetzen“, sagt Gressel: Die Ukraine habe im Frühling, als die erforderliche Artilleriemunition des Westens nicht ankam, sehr viele Soldaten verloren, vor allem erfahrene Streitkräfte. Die Ukraine leide an personellen sowie an Materialproblemen. Sie erhalte aus dem Westen nur „einen Bruchteil“ der zugesagten Waffenlieferungen. Oft erhalte sie sie zu spät und auch teilweise „nicht synchronisiert mit den Kampfhandlungen“, also nicht das, was sie gerade benötige. Auch Russland leide an einem Mangel an Transportfahrzeugen und hohen Personalverlusten, was man etwa in der Anheuerung nordkoreanischer Soldaten sehe. Russland habe aber den Vorteil, in der Luft gut operieren zu können.

Weiterer Krieg, wenn Russland gewinnt

Dass Russland seine Nuklearwaffen auch zündet, glaubt der Experte nicht. Die Bereitschaft des Kreml, Atomwaffen einzusetzen, werde „ständig überschätzt“, meint er. Gressel hält dagegen die Unentschlossenheit des Westens für die größere Gefahr, weil es anderen Staaten den Anreiz gebe, sich auch Atomwaffen zuzulegen. Sie hätten nämlich gesehen, dass eine Nichtatommacht nicht geschützt werde. „Die Gefahr der nuklearen Proliferation ist um vieles höher als die Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes, das haben natürlich Biden und auch Scholz zu verschulden.“

„Wenn die Russen diesen Krieg gewinnen sollten, haben wir eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass wir einen weiteren Krieg in Europa und um Europa haben werden, der flächenmäßig größer sein wird, als den, den wir jetzt sehen“, sagt Gressel. Dafür gebe es mehrere Faktoren: Die Amerikaner würden sich aufgrund der Problemlage im Indopazifik immer weiter aus Europa zurückziehen. Die Russen ihrerseits hätten mit diesem Krieg gelernt, „dass die Europäer nicht beißen, nur die Amerikaner.“ Außerdem neige eine siegreiche Armee zur „Selbstüberschätzung“: „Man traut sich dann mehr zu und Fehleinschätzungen führen zu schnellen Angriffen.“ Viertens hätten viele Russen ein Interesse an einer Fortsetzung der Kriegspolitik: jene, die in der Ukraine an dem „Völkermord“ beteiligt sind, als „Lebensversicherung, nicht in den Knast zu kommen“ und jene, die dort neu angesiedelt werden, die dieser Politik ihr Eigentum und ihren Status verdanken. „Wir hätten ein radikalisiertes militaristisches Russland, das die Chance wähnt, zur dominanten Macht in Europa zu werden und diese Macht militärisch durchsetzen kann. Das alles riecht dann sehr stark nach Krieg“, warnt Gressel.
 

Nordkorea kurbelt Drohnen-Produktion an

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat nach Angaben von Staatsmedien die Massenproduktion sogenannter Kamikaze-Drohnen angeordnet. Wie die staatliche Nachrichtenagentur KCNA meldete, habe Kim „die Notwendigkeit unterstrichen, baldmöglichst ein System zur Serienproduktion von Drohnen aufzubauen und zur vollumfänglichen Massenproduktion“ überzugehen.

Kamikaze-Drohnen sind unbemannte Flugobjekte, die mit Sprengstoff bestückt sind und gezielt in feindliche Ziele einschlagen können. Kim habe zuvor einem Test von solchen Drohnen beigewohnt, die Ziele sowohl an Land als auch im Meer treffen können.

Nordkorea hatte erstmals im August Kamikaze-Drohnen aus eigener Produktion vorgestellt. Experten zufolge könnte Pjöngjang diese Fähigkeit infolge des vertieften Bündnisses mit Russland erlangt haben.

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