Zu jung für die Spitze
„Ich bin im Restaurant meiner Großmutter aufgewachsen“, berichtet Can Vural auf Englisch. Er hat viel von ihr gelernt, sie beobachtet. Dann wurde das Kochen zu seiner Leidenschaft.
An der Okan Universität in Istanbul begann er Kochkunst zu studieren. Diesen Monat reichte er seine Masterarbeit ein – der Grund, warum noch nicht genügend Zeit blieb, Deutsch zu lernen, erklärt er fast entschuldigend. Can Vural ist ambitioniert und stolz auf seine bisherige Laufbahn. Er arbeitete zwei Jahre als Forschungsassistent an der Uni, kochte in Restaurants mit Michelin-Empfehlung. Das bekannteste darunter: „Aqua“ im „Four Seasons“-Hotel am Bosporus.
Es war sein letzter Arbeitgeber in der Türkei, bevor sich Vural nach Österreich aufmachte. Denn der Betrieb, in dem er arbeitete, war groß. Doch die Möglichkeiten, die er bot, waren zu klein. Rund 140 Leute standen in der Küche des „Aqua“. Mit nur einer Person, Chefkoch Görkem Özkan, an der Spitze. „Alle wollten in seiner Position sein“, erzählt Vural. Aber der Platz war besetzt. Ein Grund, die Fühler nach Europa auszustrecken. Nur nicht der Hauptgrund.
Can Vural ist 25. Zu jung oder unerfahren, um bereits ganz oben zu stehen, dachten viele. Der Kochprofi sah das anders. „Wer ambitioniert ist, kann heute in einem Jahr lernen, wofür man früher zehn Jahre gebraucht hat“, sagt er.
Er erzählt von älteren, eigentlich erfahreneren Kollegen, die keine Lust hatten, sich weiterzuentwickeln. Ein Mindset, das Vural nicht teilt. Er wollte nicht haltmachen. Sich mit Menschen umgeben, die die Wissenschaft hinter der Zubereitung von Speisen verstehen und so Neues kreieren wollen. Und stieß dann in den Sozialen Medien auf die Werbung des österreichischen Personalvermittlers.
Ankunft in Österreich
„Zuerst dachte ich, es wäre nicht echt“, sagt er. Die Instagram-Seite von Alva hatte gerade einmal 200 Follower. Heute sind es immerhin über 3.000. Bei einem Kennenlerntermin wurde klar: das ist echt. Und die Vermittler höchst professionell.
Nur zwei Tage später wurde er mit Alexander Knoll vernetzt, bekam Videos vom Restaurant, von der Umgebung. Sie blieben in täglichem Kontakt bis zu seiner Ankunft, zwei Monate später. Um die notwendigen Dokumente – Stichwort Rot-Weiß-Rot-Karte – kümmerte sich Alva. „Es gab nie offene Fragen“, so der Koch, der nur wenige Bedingungen an den Vermittler stellte.
Er wollte seine Freundin mitnehmen, was er dann auch durfte. Und natürlich musste das Geld auch stimmen. Aber mit dem ist er zufrieden. Zwar verdiente er als Koch in New York weit mehr, berichtet er, aber sparen konnte er dort kaum. Lebenshaltungskosten waren hoch. Die Versicherung nicht inkludiert. „Für einen Covid-Test zahlte ich einmal fast 500 Dollar. Als ich hier in Graz krank wurde und ein Medikament brauchte, kostete es mich drei Euro.“
Die ersten zwei Monate in Österreich fühlte er sich, auch wenn alles reibungslos verlief, verloren, erzählt er. „Das wird jeder kennen, der ins Ausland geht.“ Schließlich war alles neu, die Umgebung und die Gepflogenheiten. Er musste sich finden, doch man gab ihm die Zeit. „Geht man positiv auf die Menschen zu, zeigt, dass man bereit ist, die Kultur kennenzulernen und ist freundlich, bleibt nur ein Prozent, das einen nicht akzeptiert“, ist der Koch sicher.
Drei Sterne und mehr
Wie lange Can Vural plant, in Österreich zu bleiben? Solange man ihn braucht, sagt er. Schließlich würde sein Lebenslauf zeigen, ein loyaler Mitarbeiter zu sein. Jedoch wird man ihm die Chance zur Weiterentwicklung geben müssen. Denn der 25-Jährige hat große Träume. „Mein Spitzname an der Uni war Michelin.“ Angelehnt an die begehrten Sterne des Guide Michelin nahm er sich damals vor, der jüngste Küchenchef Europas mit Stern zu werden.
Bis es ihm als Student wortwörtlich den Boden unter den Füßen wegriss. „Durch die Nähe zum Nahen Osten passieren in der Türkei manchmal schlimme Dinge“, erklärt er knapp. Es war ein Attentat auf einen Bus. Can Vural saß darin und verlor fast sein Bein. Ein Jahr lang konnte er nicht arbeiten oder studieren. Musste darauf achten, wieder gesund zu werden, physisch wie psychisch.
Sein größtes Ziel seitdem? Die beste Version seiner selbst zu sein. Und Küchenchef eines Restaurants mit drei Michelin-Sternen zu werden. Plus einem grünen Stern für Nachhaltigkeit. Klingt unrealistisch, sagt er, aber warum nicht?