Startseite Politik Wie die AfD die Windkraft-Proteste unterwandert

Wie die AfD die Windkraft-Proteste unterwandert

von Max

Oben macht es: Swisch. Swisch. Swisch.

Winfried Ludwig schaut rauf zum Windrad, schiebt seine bunte Haube zurecht. „Eigentlich ist das Ding lauter“, sagt er, „aber die Autobahn übertönt das Wummern.“

Ludwig, 66, ist seit Jahren Kommunalpolitiker. Er ist ein Naturschützer alter Schule; die Grünen von heute sind ihm fremd, er ist bei einer Bürgerliste. Ludwig weiß, wie Politik funktioniert, im Kleinen wie im Großen. Eigentlich dürfte es ihn nicht wundern, dass sich in seinem Beelitz immer mehr Windräder drehen. „Aber hier, mitten im Wald? Hier baut doch auch keiner eine Würstchenbude“, sagt er.

Da fließen Milliarden

Brandenburg, das fünftgrößte deutsche Bundesland, ist wie gemacht für die Energiewende. Es ist flach, es ist groß, und es geht viel Wind. Kein Wunder also, dass in dem seit Jahrzehnten rot regierten Land immer mehr Windräder aus dem Boden wachsen: Deutschlandweit kommt ein Drittel des Stroms aus Windkraftanlagen, in Brandenburg ist es bereits doppelt so viel. Mehr als 9.000 Jobs hängen an der Branche, Politik und Wirtschaft investieren seit Putins Überfall auf die Ukraine vor drei Jahren Milliarden. Das heißt auch: Mit Windkraft lässt sich ziemlich gut Geld verdienen. Und da beginnt das Problem.

„Windmühlen der Schande“

Seit 14 Jahren wehrt sich Ludwig mit seiner Bürgerinitiative Wildkleeblatt gegen den Wildwuchs, der Investoren aus aller Welt anlockt. Seit Kurzem hat der Boom aber auch Gegenwind in der großen Politik. Vor ein paar Wochen schimpfte AfD-Chefin Alice Weidel bei ihrem Parteitag über die „Windmühlen der Schande“, die ganz Deutschland „zerspargeln“ . Sie versprach ihrem Wahlvolk, die „hässlichen Dinger“ allesamt niederzureißen.

Keine Fernsehshow mit der AfD-Chefin kommt seither ohne Windkraft aus. Man hat das Gefühl: Hier tobt schon wieder ein Kulturkampf. Nur: Diejenigen, die da mittendrin sind, die wirklich neben den Windrädern wohnen, haben damit keine Freude. Mehr noch: Sie sind sogar ziemlich angefressen.

„Was Frau Weidel sagt, ist völliger Schwachsinn, ökonomisch wie rechtlich“, sagt Winfried Ludwig später am Küchentisch, seine Frau nickt. Er legt Wert darauf, dass er und sein Verein – „da sind Linke wie Konservative dabei“ – keine Windkraftgegner seien; „wir sind Kritiker“, sagt er. Diese Unterscheidung ist wichtig in Zeiten wie diesen, in denen alles in schwarz, weiß, links oder rechts eingeteilt wird: „Klar sind Windräder eine Verschandelung der Landschaft. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, was sinnvoll ist und was nicht.“

Alice Weidel beim AfD-Parteitag in Riesa: „Windmühlen der Schande“

Sein Ärger, und da ist er nicht allein, richtet sich gegen die Orte, an denen sie in Beelitz stehen. Die Stadt nahe Berlin, 15.000 Einwohner, hat enorm viel Wald, mittendrin stehen acht 250-Meter-Kolosse, nochmal so viele sollen hinzukommen. „Dabei gäbe es viele Alternativen“, sagt Ludwig. Truppenübungsplätze etwa. Oder Felder. „Doch der Wald, der ist danach hin.“

Doch der Gesetzgeber erlaubt das und erlaubt noch mehr. „Hat die Industrie ein Windrad genehmigt bekommen, gilt das als ‚Vorbelastung‘“, sagt Ludwig. Und das erleichtert den Bau neuer Anlagen. „Viele Firmen bauen darum anfangs nur zwei Windräder, da brauchen sie auch keine Umweltverträglichkeitsprüfung – und die Öffentlichkeit muss ebenso wenig eingebunden werden.“ Mit Bürgerbeteiligung habe das „herzlich wenig zu tun“.

An Proteste angedockt

Diesen Ärger, dieses Sich-Überfahren-Fühlen, das kanalisiert die AfD, sagt Markus Klein. „Sie hat verstanden, dass jeder kommunale Konflikt für sie von Nutzen sein kann – vor allem dann, wenn er nicht gut gelöst werden kann“, sagt er. Klein ist Chef des Instituts für Gemeinwesenberatung in Potsdam, seine Leute helfen bei lokalen Konflikten. Die AfD ist da Dauergast: Sie protestiert gegen die Teslafabrik, gegen Asylunterkünfte, und jetzt dockt sie bei den Windkraftgegnern an.

Doch während es Leuten wie Ludwig um die Sache geht – „bei uns haben sie es auch versucht, wir haben aber alle AfDler abgewiesen“, erzählt er – stelle die Partei immer die Systemfrage. „Sie sagt: Hier ist etwas grundsätzlich nicht in Ordnung“, sagt Experte Klein. Das verfängt. In Regionen mit vielen Windrädern ist der Anteil an AfD-Stimmen deutlich höher als anderswo.

Winfried Ludwig schüttelt da den Kopf. Einfach sei es nicht, gegen die Windmühlen da drüben zu kämpfen, sagt er; er deutet aufs Fenster. „Die andere Seite ist immer die stärkere, sie hat mehr Geld.“ 40.000 Euro hat sein Verein gebraucht, um nur eines der vielen Projekt aufzuhalten, und die Spenden kommen nur tröpfchenweise.

Aber Schützenhilfe von rechts? Auf die kann er getrost verzichten. „Wir machen das aus Prinzip. Denn irgendwer muss es ja machen.“

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