In Hainburg an der Donau ist die Freiwillige Feuerwehr ein wichtiger Integrationsfaktor, und zwar schon im Kinder- und Jugendbereich.
Laura ist zehn Jahre alt und trägt ihre Uniform mit Stolz. Unter den 125 Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Hainburg gehört sie zu den Jüngsten, aber auch sie ist an diesem sonnigen Sonntag im Einsatz. Beim jährlichen Florianifest helfen alle zusammen, schließlich ist es der Höhepunkt im Feuerwehrjahr und eine der wichtigsten Einnahmequellen. Grillstation, Bierzelt, Blasmusik, Hüpfburg, ein halbes Dutzend Einsatzfahrzeuge – und mittendrin Laura und ihre Kamerad:innen.
Insgesamt 49 Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 15 Jahren umfasst der Nachwuchs der örtlichen Feuerwehr, berichtet deren Kommandant Christian Edlinger stolz. Die Feuerwehrjugend gibt es schon lang, aber die Kinderfeuerwehr im Volksschulalter wurde in Hainburg erst 2019 gegründet – als erste in Niederösterreich. Dieser Schritt war nicht nur für die Feuerwehr selbst wichtig, sondern auch für die Integration des großen slowakischen Bevölkerungsanteils in der grenznahen Stadt, zeigt sich Bürgermeister Helmut Schmid beim Florianifest im Gespräch mit der WZ überzeugt. Er selbst ist kein Mitglied, aber ein großer Fan der Feuerwehr, deren Nachwuchs inzwischen zu 70 Prozent slowakisch-stämmig ist.
Neue und alte Freundschaften
Einer davon ist der 13-jährige Michal, der noch vor dem Schuleintritt zur Feuerwehr gekommen ist, wie er erzählt. Er betont die Freundschaften, die in der Kinderfeuerwehr und der Feuerwehrjugend entstehen. Umgekehrt bringen gerade die jüngsten Mitglieder manchmal auch Freund:innen mit. So sind die zehnjährige Laura und die elfjährige Emily dazugekommen. Und mitunter treffen alte Bekannte unverhofft aufeinander, so wie Michael und Clemens. Die beiden Zwölfjährigen wussten nichts vom Beitritt des jeweils anderen und waren positiv überrascht, einander im Feuerwehrhaus wiederzusehen. Warum sie bei der Feuerwehrjugend sind? „Es macht Spaß, und man lernt auch viel.“ Es sei zwar mitunter anstrengend, ergänzt Alicia (10), „aber auch cool“. Und die Mädchen, die nun im Pulk auf dem Festgelände vor dem Feuerwehrhaus unterwegs sind, treffen einander dort nicht nur Freitag für Freitag zur Grundausbildung, sondern unternehmen auch in der Freizeit einiges gemeinsam.
Bisher führte der Weg in die Feuerwehr üblicherweise über die Familie. So wie bei Edgar (14), dessen Opa Feuerwehrmann war. Gar nicht so wenige Kinder berichten aber auf Nachfrage der WZ, dass sie die ersten Feuerwehrleute in der Familie seien. Besonders bei den slowakisch-stämmigen ist dies der Fall. „Weil viele aus dem Raum Bratislava hergezogen sind, und da gibt es eine Berufsfeuerwehr. Die kannten das Freiwilligen-System gar nicht; denen mussten wir erst erklären, dass wir das alle ehrenamtlich machen in unserer Freizeit“, erzählt Edlinger.
Der Sportverein ist früher dran
Wie schwierig die Nachwuchsarbeit sein kann, weiß Harald Hauk aus eigener Erfahrung. Der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr im benachbarten Wolfsthal ist beim Florianifest der Kamerad:innen in Hainburg zu Gast. Und er blickt ein bisschen wehmütig auf deren Nachwuchs. Denn in Wolfsthal gibt es lediglich vier Feuerwehrjugendliche, weil eine andere Institution Hauk die Kinder vor der Nase wegschnappt. Dabei wären die Voraussetzungen ähnlich gut wie in Hainburg.
Vor zwanzig Jahren war die Bevölkerung von Wolfsthal auf 720 Personen geschrumpft und überaltert. „Damit war die Ortschaft eigentlich am Ende“, erzählt Altbürgermeister Gerhard Schödinger, der in seiner Amtszeit alles daransetzte, durch Zuzug die Bevölkerung wieder zu vergrößern. Heute hat der Grenzort fast doppelt so viele Einwohner:innen, darunter auch viele Familien mit Kindern, obwohl es im Ort nur einen Nahversorger und kaum Arbeitsplätze gibt. Der örtliche Fußballverein umfasst 75 Jugendspieler:innen, auch der Tennisverein ist gut aufgestellt. Leidtragende ist allerdings die Feuerwehr, weil die Kinder im Sportverein viel früher sozialisiert werden, „die kommen dann nicht mehr zu uns“, sagt Hauk. Dabei hören die meisten Jugendlichen in einem Alter mit dem Fußball auf, in dem die Feuerwehr immer noch froh wäre, sie aufnehmen zu können. Dass die Mitgliedschaft gratis ist, die Mitglieder ihre Ausrüstung gestellt bekommen und durch die regelmäßigen Übungen auch die Fitness gefördert wird, genügt offenbar nicht. Die größte Herausforderung sei der generelle Mangel an Freizeit bei den Kindern und Jugendlichen, meint Edlinger. „Wir haben mehr als 65 Vereine im Ort, da hat jeder zu kämpfen.“ Und Hauk ergänzt: „Wenn man ein paar Jahre im Nachwuchs schwächelt, hat man später ein Problem im aktiven Dienst.“
Keine Jobs in der Nähe – schwierige Diensteinteilung
Die schwierigste Phase ist das junge Erwachsenenalter, wenn sich entscheidet, ob die Mitglieder wegziehen oder doch im Ort bleiben. „Wer dann noch da ist, bleibt uns meistens länger erhalten“, sagt Edlinger. „Und den Jackpot haben wir geknackt, wenn jemand seine Partnerin mitbringt“, ergänzt Hauk. „Es kann uns nichts Besseres passieren, als Paare bei der Feuerwehr zu haben.“ Weil dann auch das gegenseitige Verständnis für nächtliche Einsätze da ist.
Die sind übrigens gar nicht so sehr das Problem in Hainburg und Wolfsthal. Vielmehr sind es die Einsätze unter der Woche untertags. Denn der Großteil der Bevölkerung findet in der Nähe keinen Job und pendelt entweder nach Bratislava oder nach Wien. „Viele sind nur zum Schlafen und am Wochenende daheim. Da eine Einsatzbereitschaft von Montag bis Freitag aufrechtzuerhalten, wird immer schwieriger“, schildert Edlinger. Auch wenn seine Feuerwehr nachwuchsmäßig gut aufgestellt ist, blickt der Hainburger Kommandant ebenso sorgenvoll in die Zukunft wie sein Wolfsthaler Kollege, der vor gut zehn Jahren mit dem seinerzeitigen Bürgermeister Schödinger einen Streit über die Ausstattung der Truppe samt temporären Rücktritten der Feuerwehrführung austrug. Möglicherweise spielt der Hainburger Bürgermeister Schmid darauf an, wenn er seine gute Zusammenarbeit mit der Feuerwehr trotz klammer Finanzlage seiner Stadt betont. Der Disput in Wolfsthal ist längst beigelegt. Was bleibt, sind die Nachwuchssorgen. Und eine Frage, die sich nicht nur Hauk und Edlinger stellen: „Wer weiß, wie lang wir das Freiwilligen-System aufrechterhalten können?“
Laura und Edgar machen sich über all das keine Gedanken. Die Zehnjährige unterhält sich beim Florianifest ausgelassen mit ihren Kamerad:innen. Und der Vierzehnjährige, der schon im Kinderzimmer am liebsten mit den Feuerwehrsets von Playmobil und Lego gespielt hat, fiebert bereits seinem ersten echten Einsatz entgegen. Auch wenn er darauf noch mindestens zwei Jahre warten muss.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner:innen
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Alicia (10), Clemens (12), Edgar (14), Emily (11). Laura (10), Michael (12) und Michal (13) sind in der Feuerwehrjugend in Hainburg an der Donau aktiv.
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Christian Edlinger ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Hainburg.
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Harald Hauk ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Wolfsthal.
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Michael Peterka ist seit 2023 Bürgermeister der Gemeinde Wolfsthal.
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Helmut Schmid ist seit 2016 Bürgermeister der Gemeinde Hainburg an der Donau.
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Gerhard Schödinger war von 2005 bis 2023 Bürgermeister der Gemeinde Wolfsthal.
Daten und Fakten
In Österreich engagiert sich fast die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung ehrenamtlich, also rund 3,3 Millionen Menschen, davon knapp 314.000 bei der Freiwilligen Feuerwehr. Dazu kommen fast 34.000 Kinder und Jugendliche im Feuerwehrnachwuchs. Die Altersgrenze zwischen Kinderfeuerwehr und Feuerwehrjugend liegt üblicherweise bei zehn Jahren, ab 16 Jahren wechseln die Jugendlichen in den aktiven Dienst. In Hainburg findet die Grundausbildung einmal in der Woche statt, auch in den Sommerferien. Alle zwei Wochen gibt es eine Übung. „Es ist immer ein Betrieb, das ganze Jahr“, erzählt der Hainburger Feuerwehrkommandant Christian Edlinger. Wie gut die Feuerwehrjugend ausgebildet ist, zeigte sich jüngst bei der Weltmeisterschaft in Norditalien, wo eine Gruppe aus Österreich unter 22 Nationen den Titel holte.