Südkoreas „reiche Sippen“: Familienkonzerne, die das Land beherrschen
Samsung ist die größte der sogenannten „Chaebol“, was auf Deutsch etwa „reiche Sippen“ heißt. So nennt man in Südkorea die gewaltigen Familienunternehmen, die das Land bis heute prägen. Der Autobauer Hyundai und der Elektronikriese LG sind weitere Beispiele.
Ihren Aufstieg ermöglichte einst der südkoreanische Diktator Park Chung-hee. Er schuf in den Sechziger- und Siebzigerjahren ein Wirtschaftssystem, das heimische Firmen stark bevorzugte: Sie erhielten günstigere Kredite, Steuererleichterungen und große Infrastrukturprojekte.
Die Chaebol wuchsen rasant und machten aus dem Land eine Industrienation. Parks Tod 1979 leitete zwar das Ende der Militärdiktatur ein, machte die Chaebols aber so gut wie unantastbar. Kaum eine demokratisch gewählte Regierung kann es sich seither erlauben, gegen die Firmen vorzugehen.
Sie dominieren fast alle Wirtschaftsbereiche und geben dem Großteil der Koreaner eine Arbeit. Umgekehrt flossen immer wieder Gelder aus den Konzernzentralen in das Blaue Haus, den Präsidentenpalast in Seoul, um sicherzustellen, dass die Regierung nach ihrem Willen handelt.
Der Patriarch und sein Kronprinz
Kaum jemand übte dabei nachweislich so viel Einfluss auf die Politik aus wie der 2020 verstorbene Samsung-Patriarch Lee Kun-hee. Im Verlauf der Jahre wurde er zweimal wegen Korruption verurteilt, 1996 und 2008. Beide Male legte er als Konsequenz seine Posten im Konzern ruhend, wodurch Samsung vermeintlich handlungsunfähig wurde.
Beide Male begnadigten ihn die Präsidenten innerhalb eines Jahres.
Lee herrschte über seine Dynastie wie ein mittelalterliches Familienoberhaupt. Seinen einzigen Sohn Lee Jae-yong erzog er von klein auf zum Kronprinzen. Doch der Moment der Übergabe kam früher als gedacht: 2014 erlitt der Vater einen Herzinfarkt, lag anschließend sechs Jahre lang im Koma. In diese Zeit fällt der größte Skandal um die Samsung-Familie.
Samsungs heutiger Chef Lee Jae-yong saß wegen Bestechung im Gefängnis
Kronprinz Lee Jae-yong übernahm die Konzernführung, doch gesichert war die Nachfolge noch nicht: Ohne das Erbe des noch lebenden Vaters besaß er im verstrickten Firmengeflecht nicht genug Anteile. In einem höchst umstrittenen Übernahme-Deal ließ die Familie 2015 zwei Samsung-Firmen zusammenlegen und baute damit die Macht von Lee Jae-yong im Mutterkonzern aus.
Gelingen konnte das nur, weil die Regierung zustimmte. Wie sich im Nachhinein herausstellte, tat sie das, weil Samsung insgesamt 40 Millionen Dollar an eine Stiftung im Umfeld der damaligen Präsidentin Park Geun-hye bezahlt hatte – übrigens die Tochter des einstigen Diktators.
Lee Jae-yong wurde 2021 zu insgesamt zweieinhalb Jahren Haft verurteilt und saß im Gegensatz zu seinem Vater tatsächlich im Gefängnis. Wenn auch nicht lange: Nach nur sechs Monaten, in denen alle wichtigen Entscheidungen bei Samsung aufgeschoben worden waren, drängte sogar die US-Regierung auf seine Freilassung – der Konzern sei wegen seiner Halbleiterchips zu wichtig für die globalen Lieferketten.
Im August 2022 wurde Lee vom südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol begnadigt – und führte diesen nur Wochen später gemeinsam mit US-Präsident Joe Biden durch ein Samsung-Werk.