Startseite Kultur Wie Juliette und ihre Geister auf die Leinwand kamen

Wie Juliette und ihre Geister auf die Leinwand kamen

von Max

„Jeder kann sich in dem einen oder anderen Aspekt dieser Familie wiederfinden“, sagt Blandine Lenoir, die Jourdys Graphic Novel so originell fand, dass sie sie fürs Kino verfilmte und eine wunderbar leichtfüßige Komödie schuf. „Sie hat etwas Allgemeingültiges. Ich finde, jede Familie hat etwas Wunderbares, aber sie kann auch die Hölle sein. Dieses Nahesein, das man sich nicht aussuchen kann, das Sich-Entfernen und Wieder-Zusammenfinden, das kennen doch alle. In keiner Familie ist immer alles eitel Wonne. Auch diese Zerrissenheit, die da ist, wenn man von dem Ort der Kindheit weggeht und dann als ganz andere Person zurückkommt, finde ich spannend.“

Auch für sie persönlich ist die Familie ein Fels in der Brandung: „Natürlich. Ich liebe sie alle. Aber es ist nicht immer leicht.“ Sie muss lachen: „Aber das sagen wahrscheinlich alle“.Juliettes Probleme, ihre zeitweise depressiven Phasen, entschärft Lenoir mit Humor. „Wenn du einem schweren Thema eine komische Note gibst, ist es leichter, sich damit zu beschäftigen. Wer will sich schon einen ernsten Film über Depressionen sehen? Oder eine Bestandsaufnahme der Probleme einer Mittfünfzigerin in der Menopause so wie bei ,Aurore“, meinem letzten Film? – Eben, keiner. Lachen ist befreiend. Es entschärft und entspannt. Außerdem erreiche ich mit Humor viel mehr Menschen als mit einer nüchternen Problemanalyse“.

Ein Fels in der Brandung ist für Blandine Lenoir auch Jean-Pierre Darroussin, der Léonard, den liebenswerten Vater Juliettes, spielt. Darroussin ist eines der bekannten Gesichter des französischen Films – jeder, der ihn im Kino sieht, sagt sofort: „Ach der, den kenne ich doch!“. Für Lenoir war es ein Glücksfall, dass Darroussin zusagte: „Ich habe sofort an ihn gedacht, als ich die Rolle besetzte. Hatte dann das große Glück, dass er Zeit hatte und ihm die Rolle gefiel. Am Ende des Drehs meinte er, das sei eine seiner schönsten Rollen gewesen, was mich unbeschreiblich freute“.

Auch Izïa Higelin, die Lenoir für die Titelrolle der Juliette entdeckte, ist eine interessante Persönlichkeit. „Izïa ist die Tochter von Jacques Higelin, einer Sängerlegende in Frankreich. Jacques Higelin, der 2018 starb, wurde stets in einem Atemzug mit den Kult-Chansonniers Georges Brassens und Jacques Brel genannt. Izïa ist wie ihr Vater Sängerin, sie singt vor Tausenden Menschen und ist in Frankreich ein Star. Als Schauspielerin ist sie nicht so bekannt“.

Hobby-Handwerker

Bevor Blandine Lenoir ins Regiefach wechselte, war sie eine erfolgreiche Schauspielerin. Ihren ersten Film, „Carne“, drehte Lenoir mit Skandalregisseur Gaspar Noë. „Er war damals 20, ich 15 Jahre alt. Wir standen beide ganz am Anfang unserer Karriere und der Film wurde ein großer Erfolg. Wir waren jung und unbeschwert, werkten einfach drauf los. Wie Hobby-Handwerker, denen ein ganz tolles Werkstück gelingt. Auch wenn Gaspar heute sehr kontrovers gesehen wird, ich finde, er kann wirklich was. Ja, er behandelt heikle Themen wie Pädophilie und zeigt viel nackte Haus in seinen Filmen wie in ,Irreversible“, aber er ist immer respektvoll und freundlich zu seinen Schauspielern. Ich lasse nichts über ihn kommen“.

Ein aktuell sehr präsentes Thema in Frankreich ist die sexuelle Belästigung von Frauen am Filmset. Hat auch Lenoir schlechte Erfahrungen gemacht? „Als ich ganz jung anfing, war ich schon der Obszönität älterer Produzenten ausgeliefert. Aber ich habe mir das von Anfang an nicht gefallen lassen. Ich bin gegangen und habe lieber auf ein Engagement verzichtet, als mich demütigen zu lassen. Aber auch wenn es keine negativen sexuellen Erfahrungen gab, blieben Tonnen an sexistischen Bemerkungen. Bei meinem ersten Langfilm ,Zouzou“ meinte ein wichtiger Mann in einer Festivaljury, mein Film sei so gut, als hätte ihn ein Mann gemacht. Bumm, das saß. Also, auch wenn kein sexueller Missbrauch im Spiel ist, die Beleidigungen bleiben“.

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