Startseite Politik Wie konnte es zum Hamas-Überfall kommen? Israels Armee berichtet über eigenes Versagen

Wie konnte es zum Hamas-Überfall kommen? Israels Armee berichtet über eigenes Versagen

von Max

„Verzeiht, dass wir bei eurer Verteidigung versagt haben.“ Mit diesen Worten eröffnete General Dan Goldfuss die Vorlage des Untersuchungsberichts der israelischen Armee zu den Vorgängen des Angriffs der Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023. Mit 1.200 Ermordeten, 240 Verschleppten und Tausenden Verwundeten.

Fünf Tage erstatteten die Vertreter der Armee vergangene Woche allen Bewohnern in allen angegriffenen Grenzorten ihren militärischen Bericht. Ab Montag auch der Öffentlichkeit: Was geschah an 7/10?

Wie es dazu kommen konnte sowie mit der politischen Dimension muss sich noch ein staatlicher Ausschuss mit gerichtlichen Vollmachten befassen. Der aber wird von Premier Benjamin Netanjahu seit über einem Jahr verhindert.

So ist die Armeeführung mit ihrem Bericht der Regierung wieder einmal voraus. Im Gegensatz zum Premier und seinen Ministern nimmt Armeechef Herzi Halevi noch diese Woche seinen Abschied. Eine lange Reihe an Offizieren steht ebenfalls vor dem Karriere-Aus.

Der Bericht liefert dafür eine lange Reihe an Gründen. Sachlich und minutiös. Mit bislang unveröffentlichten Bildern und Funkaufzeichnungen. Matan Weitz, Bewohner des Kibbuz NirOz: „Wirklich Neues war nicht dabei. Doch mir wurde klar, dass eine kleine Gruppe Soldaten uns bis 9:00 Uhr vor der ersten Angriffswelle verteidigte. Dann wurde sie plötzlich abgezogen. Erst der zweite Hamas-Angriff um 10:00 drang dann bis zu den Häusern vor.“

„Nur Zaungeplänkel. Kein breiter Angriff“

Da ist es – das „Konzept“: Die in der militärischen wie politischen Führung verankerte Auffassung, die militanten Islamisten der Hamas wagen keinen breiten Angriff. Trotz aller Warnsignale vor Ort, den zahlreichen Meldungen der Wachposten in den Tagen zuvor. Trotz des Alarms der hochsensiblen technischen Ausrüstung an der Sperranlage – von Oben hieß es bis zum Mittag: „Nur Zaungeplänkel. Kein breiter Angriff.“

Ein Ex-Oberst unter den Grenzbewohnern konnte es nicht fassen: „Wenn ich weiß, der Feind trifft alle Vorbereitungen zum Angriff, kann ich das doch nicht einfach ignorieren. Selbst wenn der Geheimdienst abwinkt.“ Woher kam der Befehl wenige Tage vor dem Angriff, die Waffen der örtlichen Bereitschaftsgruppen zentral zu lagern? Statt griffbereit zuhause. Der Schriftverkehr zu diesem Vorgang ist unauffindbar.

Israels evakuierte Grenzbewohner kehren nur langsam in ihre Dörfer zurück. Im Posttrauma gefangen, mit zerrissenen Familien und weiterhin 59 Geiseln in den Hamas-Kerkern. Tot oder lebendig. So sollen sie einen zerstörten Alltag wieder aufbauen. 

„Wir haben nur diese eine Armee“

Mit einer Regierung, die bislang keinen überzeugenden Finanzierungsplan vorlegte. Die ihr Versprechen von einer vollständigen Vertreibung der Hamas aus dem Gazastreifen nicht einlösen kann. Dafür mit Ministern, denen eine Beendigung des Waffenstillstands wichtiger ist als die Befreiung der letzten Geiseln. Mit Toten ohne Grab.

Jeder Betroffene hat seine eigene Reaktion. Der Vater einer Geisel forderte Gefängnis für die Verantwortlichen. „Bei Wasser und Brot.“ Doch die Witwe eines Gefallenen sah im Abschlussbericht auch einen Anfang: „Mein Vertrauen zweifelt noch. Aber wir haben nur diese eine Armee, nur diesen einen Staat. Austauschbar sind nur Regierungen.“

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