Eine Million Getränkeflaschen werden jeden Tag im Vöslauer-Werk im namensgebenden niederösterreichischen Ort Bad Vöslau produziert. In lautstarken Streckblasmaschinen werden Plastik-Rohlinge erhitzt und aufgeblasen, eine Halle weiter werden sie in Reinräumen befüllt und verschlossen. Im Lager nebenan sind hunderte Paletten mit verschiedensten Etiketten meterhoch gestapelt.
Wie sich entscheidet, welche Getränkesorten das Unternehmen in sein Sortiment aufnimmt, dahinter steckt ein mehrstufiger Innovationsprozess.
Das Kerngeschäft von Vöslauer ist Mineralwasser, aber aromatisierte Produkte werden immer wichtiger
Trends erkennen und vieles ausprobieren
„Wir müssen am Puls der Zeit bleiben. Wir müssen jung bleiben und vieles ausprobieren“, erzählt Yvonne Haider-Lenz, Marketing-Leiterin bei Vöslauer. Eine eigene Innovationsabteilung beschäftigt sich mit der Suche nach neuen Geschmacksrichtungen, neuen Gebinden und anderen Produktneuheiten. Das kann etwa ein Couchtisch sein, in dem man seine Mineralwasserkiste daheim elegant verschwinden lassen kann, oder eine Fahrradhalterung, die Käufern den Heimtransport der Getränke erleichtert.
Ausgangspunkt für die Produktentwicklung sind genaue Trendanalysen. Dazu, „was wir in Zukunft trinken“, habe man laut Haider-Lenz aktuell mehrere große Richtungen identifiziert. Eine seien etwa Getränke mit gesundheitlichem Mehrwert, mit deren Konsum man „sich etwas Gutes tun“ will. Eine andere Richtung sei Erlebnisorientierung und das Wecken von Glücksgefühlen. Demgegenüber ist aber auch Schlichtheit und Transparenz ein Trend.
Vöslauer füllt in seinem Werk nicht nur eigene Getränke ab, sondern erledigt auch Aufträge von anderen Marken
Große Bandbreite bei „Near Water“-Produkten
Ein weiterer Trend seien so genannt „Soul Drinks“, die Kindheitserinnerungen wecken sollen, ein Zurückdenken an „gute alte, vermeintlich einfachere Zeiten“. Dazu zähle etwa das Trinken von Limonade, ein Belohnungseffekt. In diese Richtung stößt Vöslauer mit seinen „Near Water“-Produkten vor. Im Jahr 2000 hat man mit aromatisiertem Mineralwasser eine eigene Getränkekategorie geschaffen, die sich zwischen reinem Wasser und Limonaden einordnet.
In Österreich bringen die „Near Water“-Produkte derzeit rund ein Drittel des inländischen Umsatzes (2023: 116 Millionen Euro). Auch die drei neuesten Produkte fallen in diese Kategorie: Sie kommen in den Geschmäckern Ananas, Gartenminze-Grapefruit und Marille-Kamille. Letztere beiden kommen mit Zusatzstoffen wie Biotin, Selen, Magnesium und Vitamin B6. Beide sollen Kunden ansprechen, die nach psychischem Wohlbefinden in einem stressigen Alltag suchen.
So klein sehen PET-Flaschen am Produktionsbeginn aus. Die Rohlinge werden angeliefert und in einer speziellen Maschine zu Flaschen geformt
Experten-Verkostung und Fokusgruppen
„Pro Jahr entwickeln wir 200 bis 300 neue Geschmacksrichtungen„, erzählt eine Mitarbeiterin der Innovationsabteilung. Den chemischen Prozess übernimmt dabei ein Partnerunternehmen, das auf Geschmacksentwicklung spezialisiert ist. Eine Gruppe speziell geschulter Experten verkostet die neuen Aromen und trifft eine Vorauswahl für die Marktforschung. Mit Hilfe von Fokusgruppen soll dann herausgefunden werden, welche Geschmacksrichtungen bei Verbrauchern gut ankommen könnten.
Zur falschen Zeit am falschen Ort
In jede Nische könne man aber am Ende nicht vorstoßen, „die Geschmacksrichtung muss auch zu uns als Unternehmen passen.“ Am Ende bleibt eine Handvoll neuer Produkte übrig, die tatsächlich am Markt eingeführt werden. Ihr Schicksal im Supermarktregal ist teilweise sehr unterschiedlich, erzählt Haider-Lenz. Einige werden von Konsumenten sehr gut angenommen, andere werden bald wieder aus dem Programm genommen.
Manchmal komme eine bestimmte Geschmacksrichtung zu früh für einen bestimmten Trend auf den Markt. Ein anderes Mal sei auch ein wenig Pech dabei. 2020 brachte Vöslauer etwa ein Getränk mit Essig-Honig-Geschmack in kleinen, gestauchten Flaschen auf den Markt, das besonders durststillend sein sollte. Während der Corona-Pandemie hatten aber nur wenige Käufer Lust auf Experimente. Das Produkt verschwand bald wieder.
Vöslauer-CEO Herbert Schlossnikl und Marketing-Leiterin Yvonne Haider-Lenz
Bei allen Innovationen wichtig: Nachhaltigkeit
Bei allen neuen Produkten extrem wichtig sei die Nachhaltigkeit, sagt Vöslauer-Geschäftsführer Herbert Schlossnikl. Er ist insofern etwa stolz auf die so genannte „Mündungsverkürzung„, die erst 2024 eingeführt wurde. Bei den PET-Flaschen wurde dabei der Flaschenhals verkürzt, dadurch wird viel Material eingespart. Das Unternehmen versuche an vielen Stellen möglichst ressourcenschonend und effizient zu arbeiten. U. a. wird versucht, Abwärme zu nutzen, wo es möglich ist – bei einem Hochdruckkompressor etwa.
Einwegpfand weckt Lust auf Mehrweg
Das Einwegpfand, dessen Einführung Vöslauer im November noch mit Spannung erwartet hatte, sieht das Unternehmen derzeit positiv. „Viele Leute wollen jetzt auf Mehrwegflaschen umsteigen, weil sie nun ohnehin alle Flaschen zurückgeben“, sagt Haider-Lenz. Und Mehrwegflaschen seien noch viel umweltfreundlicher als recycelte Einweggebinde, merkt Schlossnikl an. Genaue Zahlen zum Umgang der Konsumenten mit dem Einwegpfand habe man noch nicht. Aber man hoffe, dass das Geschäft mit Mehrwegflaschen dadurch neuen Schwung erhält.
Der Aufwand und die Kosten für das Einwegpfand halten sich für den Getränkehersteller in Grenzen. Größte Veränderung durch das Pfandsystem war eine Neugestaltung der Etiketten. Für Handelsunternehmen bedeute das Einwegpfand sicherlich eine größere Umstellung.