Am Sonntagabend überraschte Rapid-Trainer Robert Klauß seinen routinierten Amtskollegen Peter Pacult mit einer Anpassung in seiner Grundformation im Ballbesitz. Das Resultat daraus war eine der spielerisch souveränsten Halbzeiten Rapids in der laufenden Saison.
Der Rapid-Trainer musste aus der Not eine Tugend machen und schaffte dies trotz acht teils sehr schmerzhafter Ausfälle – auch die im Europacup verletzten Bolla und Beljo fehlten – eindrucksvoll. Zwar betonte Klagenfurt-Coach Peter Pacult bei „Talk und Tore“ auf „Sky“, dass er wusste, wie Rapid sortiert sein würde (womit er aber wohl, zumindest im Detail, der Einzige war), aber mit einer kleinen Änderung kamen die Kärntner rein gar nicht zurecht.
Kaygin schiebt nach vorne, Grgic gibt den alleinigen Sechser
Durch die Rotsperre von Mamadou Sangaré rückte Dennis Kaygin in die Mannschaft, der allerdings nicht – wie zuletzt mehrfach und eher selten überzeugend – auf der Acht auflief, sondern auf die Zehnerposition vorschob, die auch eher seinem Naturell entspricht. Die Sechserposition nahm demnach Lukas Grgic alleine ein – wissend, dass es ein wichtiger Faktor sein könnte, dass einer der beiden Innenverteidiger immer wieder aus der Kette heraus nach vorne verteidigen müsste, um situativ und kurzfristig die zweite Sechserposition besetzen zu können.
Die wichtige Rolle des umsichtigen Schöller
Hierbei war es auch eine nicht unwichtige Facette, dass sich Klauß für den 18-jährigen Jakob Schöller als Ersatz für Bendegúz Bolla auf der Rechtsverteidigerposition entschied. Der hochtalentierte Abwehrspieler überzeugte nicht nur aufgrund seiner Technik und Übersicht, sondern kippte situativ auch gegen den Ball immer wieder gut zur Mitte, wodurch er häufig ein größeres Übergewicht schaffte und auch auf neun abgefangene Bälle und fünf Balleroberungen kam. Das war auch gegen die Klagenfurter Ordnung wichtig, zumal diese offensiv nicht primär von Flügelspiel, sondern von einrückenden Spielern wie Wernitznig oder Cvetko geprägt ist.
Rapid überlädt die linke Seite
Das Resultat daraus war, dass Rapid sich sehr früh in der gegnerischen Hälfte festsetzen und die spielerische Überlegenheit in hohe Feldpositionen verlagern konnte. Kaygin übernahm das unmittelbare Zentrum, Seidl, aber vor allem Schaub zeigten sich auf den Halbpositionen sehr spielfreudig und auch gut im Gegenpressing. Rapid baute in der Anfangsphase eine Quote von 70% gewonnenen Zweikämpfen auf und versuchte in der Offensive mit dem hochstehenden Auer vor allem die linke Seite zu überladen.
Auer schob sehr hoch, Grgic hatte zur Absicherung ebenfalls einen Linksdrall in seinem Positionsspiel und neben Seidl war vor allem auch Burgstaller auf links immer aktiv und anspielbar. Mit diesem nominellen Übergewicht kam Klagenfurt nie zurecht, wodurch auch die Zweikämpfe für die Gäste immer schwieriger wurden. Wenn man in Hütteldorf gerade in der Anfangsphase keine Erfolgserlebnisse feiern kann, wird es auch mental ungemütlich. Hinzu kommt, dass der Anteil langer Bälle der Klagenfurtern nach Balleroberungen sehr hoch war.
Rapid baute in der Anfangsphase gute Passwerte in hohen Feldpositionen auf…
…gewann vor allem in der ersten Viertelstunde souverän die Zweikämpfe…
…und zwang Klagenfurt zu zahlreichen langen Bällen, die die Rapid-Defensive recht einfach absammeln konnte [ alle Screenshots von Wyscout S.p.a. ]
Der Plan war hier, den physisch starken Ex-Rapidler Nicolas Binder in Kopfball(verlängerungs)situationen zu bringen, sodass der flinke Bobzien möglichst Chancen auf Tiefenläufe bekommt. Durch das clevere Defensivspiel Rapids konnten diese Bälle aber recht einfach abgesammelt werden und über die gesamte erste Halbzeit betrug der PPDA-Wert der Wiener etwa 5,5 – das bedeutet, dass die Klagenfurter durchschnittlich 5,5 Aktionen am Ball hatten, ehe Rapid eine neuerliche Balleroberung gelang.
Als Klagenfurt aufwachte, führte Rapid bereits mit 2:0
Gerade als Klagenfurt besser in die Zweikämpfe kam, weil Rapid sich aus der extrem hohen Positionslinie zurückzog und wieder in eine Art Verwaltungsmodus verfiel, stand es aber bereits 0:2 aus Sicht der Gäste. Eine Halbfeldflanke von links sorgte für die Rapid-Führung, eine der bereits beschriebenen Überladungssituationen für den schön herausgespielten zweiten Treffer, bei dem aber vor allem Assistgeber Burgstaller nahezu freies Geleit durch die Kärntner Hintermannschaft bekam.
Es waren durchaus spannende Aspekte, die man durch die Umstellungen Rapids in der ersten Halbzeit beobachten konnte – auch vor dem Hintergrund, dass man stark ersatzgeschwächt ins Spiel ging und trotzdem mit leichten Abweichungen von der sonst vorherrschenden Grundidee große Dominanz aufbauen konnte.
Rotation mit sicherer Führung im Rücken
Ab der 60. Minute begann Klauß durchzuwechseln und in der Schlussphase stellte der Rapid-Trainer wieder auf ein klassisches 4-4-2, allerdings mit Thierry Gale als Flügelspieler, um. In der zweiten Halbzeit stabilisierte sich Klagenfurt zwar zusehends, Rapid war aber dank einiger weiterer Chancen in den Schlussminuten faktisch weiterhin die gefährlichere Mannschaft, wenngleich die zweiten 45 Minuten insgesamt eher dahinplätscherten.
Aus Rapids Stammformation standen zum Abpfiff mit Hedl, Raux-Yao, Cvetkovic und Grgic nur noch vier Spieler auf dem Feld. Vor der Länderspielpause, die für einige Rapid-Spieler wieder Reisen mit sich bringt, konnte man dank des überfallsartigen Starts also sogar noch einmal Kraft sparen und ohne große Bedenken durchrotieren.
Rapids „Rumpftruppe“ in der absoluten Schlussphase der Partie
Nach der Länderspielpause – am Samstag, den 23.11. geht es auswärts zur WSG Tirol – sollte sich das grün-weiße Lazarett wieder ein wenig lichten: Sangaré kehrt von seiner Sperre zurück, Bolla sollte wieder fit, auch Jansson erneut zum Thema werden. Bei Toptorschütze Beljo könnte das Comeback in Tirol noch knapp werden, allerdings wurde dieser im Heimspiel gegen Klagenfurt von einem aufopferungsvoll kämpfenden und auch gut spielenden Noah Bischof ersetzt. Somit wird Rapid wohl auch bei den nächsten Aufgaben weiter auf eine gewisse Balance in der Belastungssteuerung setzen.
Daniel Mandl, abseits.at