Bei den Konsumgewohnheiten von Österreicherinnen und Österreichern hat es im vergangenen Jahr einige Veränderungen gegeben. Der Handelsverband hat am Dienstag die Ergebnisse einer genauen Untersuchung über das Einkaufsverhalten der Bevölkerung präsentiert und einen branchenweiten Ausblick gegeben. Einer von vier großen Trends, die man zuletzt beobachtet habe, sei das Wachsen des immateriellen Konsums, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
Mehr Ausgaben für persönliche Dienstleistungen
„Menschen sind Erlebnisse zunehmend wichtiger als Produkte. Freizeit, Wellness und persönliche Dienstleistungen boomen“, so Will. Die Erlebnisorientierung zeige sich auch an mehr Gelegenheitskäufen, etwa auf Weihnachtsmärkten.
Im vergangenen Jahr wurden von Haushalten 78,5 Milliarden Euro im Einzelhandel ausgegeben. Das ist ein Plus von 1,7 Prozent. „Im selben Zeitraum gab es aber Lohnanpassungen von plus 3,3 Prozent. Man sieht also, dass zusätzliches Einkommen nicht auf Ausgaben durchschlägt.“
In einigen Bereichen gab es im Vorjahr dennoch ein sattes Plus, sagt Andreas Kreutzer, dessen Beratungsunternehmen einen detaillierten Bericht angefertigt hat. Für persönliche Dienstleistungen wurden 1,28 Milliarden Euro mehr ausgegeben als 2023, etwa für Pflege, Kinderbetreuung oder Haushaltshilfe. Deutlich mehr wurde auch für Urlaube ausgegeben. Zuwächse gibt es auch bei Gastronomie, aber weniger als in den Jahren zuvor. Kreutzer: „Viele Gäste sagen: Das wird mir mittlerweile zu teuer.“
Diskrepanz bei Brot und Gebäck
Bei den Zuwächsen im Warenbereich dominieren Nahrungsmittel und Getränke. Mineralwasser und Soda verzeichnen ein Plus von 11 Prozent. Insgesamt sei ein Trend weg von Alkohol hin zu gesünderen Getränken zu verzeichnen. Der Umsatz mit Butter sei wegen hohen Preisen um 16 Prozent gestiegen. Zuwächse gab es auch bei Brot und Gebäck. Hier habe es laut Kreutzer einen deutlichen Preisansteig zu Beginn des Ukrainekrieges gegeben. Weizenpreise und auch Energiepreise seien jedoch mittlerweile gesunken, nicht aber die Preise für Brot und Gebäck: „Was die Bäcker hier aufführen, verstehe ich nicht ganz.“
Die Mitte bricht weg
Ein großer Trend, den man im vergangenen Jahr beobachten konnte, sei eine Polarisierung zwischen Diskont und Luxus, sagt Will. Im Mittelsegment komme es schwerpunktmäßig zu Schließungen. Überhaupt, sei der Handel die Branche mit den meisten Insolvenzfällen, sagt Norbert Scheele, Vizepräsident des Handelsverbands. „Das geht auch dieses Jahr so weiter.“ Die Stimmung in der Branche sei eigentlich optimistischer als im Vorjahr. Aufgrund der schwierigen Geschäftslage seien die Aussichten aber nur „mittelgut“.
Asiatische Onlineplattformen auf dem Vormarsch
Der dritte große Trend ist das Wachsen des Onlinehandels. E-Commerce sei auf einem Rekordhoch, sagt Will. „12,3 Prozent der Einkäufe werden rein online getätigt. Fernost-Plattformen profitieren am meisten davon. Heimische Händler verlieren Marktanteile.“ Laut Kreutzer sehe man an den durchschnittlichen Warenwerten pro Paketlieferung, dass Webseiten wie Temu oder Shein auf dem Vormarsch sind. Der stationäre Handel sei aber nicht in jedem Segment bedroht. „Es gibt Möglichkeiten, dagegenzuhalten, aber in einzelnen Segmenten ist die Schlacht möglicherweise verloren„, sagt Kreuzer. Bei Erotikartikeln beträgt die Onlinequote etwa 71,7 Prozent.
Ein Resultat des Online-Booms sei eine Erhöhung der Leerstandsquote, berichtet Andrea Hiotu, Mitglied der Geschäftsleitung von dm Drogeriemarkt. Besonders dramatisch sei die Lage in Kleinstädten. „Hier beträgt die Leerstandsquote 15,6 Prozent. Im letzten Jahr ist sie so stark gestiegen wie nie.“
Entlastung durch weniger Bürokratie gefordert
Im Handel seien aktuell 326.000 Personen beschäftigt. Fachkräfte werden kaum mehr gesucht. „Es gibt unter 10.000 offene Stellen“, sagt Will. „Das liegt aber auch an den Optimierungserfordernissen der Branche.“ Um die wirtschaftlich schwierige Lage nicht zu verschlimmern, sei es notwendig, Handelsunternehmen zu entlasten. Hohe Steuern und Abgaben, etwa Mietvertragsgebühren, zählen zu den größten Sorgen der Branche. Für Bürokratie sei der Aufwand viel zu hoch.
Außerdem sei es unfair, welche Anforderungen an heimische Unternehmen gestellt werden, und welche Anforderungen Konkurrenten aus Fernost erfüllen müssen. Ein Beispiel sei die erweiterte Herstellerverantwortung. Hersteller aus Europa seien für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte verantwortlich, also auch für deren Entsorgung und Recycling. „Wir werden für asiatische Online-Händler mitzahlen müssen“, sagt Scheele. Das gefalle der Branche nicht.
Um den heimischen Handel zu unterstützen, appelliert Will an Konsumenten, regional zu kaufen und daran zu denken: „Jeder fünfte Job ist im Handel und ist primär weiblich.“