Startseite Wirtschaft Wie viel man Kanzler und Ministern in der Privatwirtschaft zahlen würde

Wie viel man Kanzler und Ministern in der Privatwirtschaft zahlen würde

von Max

Der KURIER hat diese Fragen zwei Profis gestellt, ihnen die Lebensläufe der Mitglieder der aktuellen Bundesregierung übermittelt, Lobbyistenfunktionen ausgeklammert und fundierte Einschätzungen retour bekommen. Von Headhunter Julian Maly und einem international tätigen Personalexperten, der lieber anonym bleiben will. Headhunterin Charlotte Eblinger-Mitterlechner hat einer Bewertung eine klare Absage erteilt. Und das auch begründet.

Politik trifft auf Wirtschaft: Ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen?

Lebensläufe, die in der Politik geschrieben werden, lesen sich atypisch, erklärt die Personalexpertin. Gesammelte Qualifikationen ließen sich nicht auf jene ummünzen, die in der Wirtschaft gefragt sind. Schließlich könne nur ein Teil berufliche Erfahrungen außerhalb der Partei vorweisen. 

Ein Hochschulabschluss ist selbst als Kanzler kein Muss – auf die Shortlist für die Besetzung eines Managementpostens in einem Konzern schafft man es ohne akademischen Titel für gewöhnlich aber nicht. Außer man überzeugt im persönlichen Gespräch oder mit anderen Qualifikationen, die nur Politiker haben können.

Denn ist ein Unternehmen bereit, sich jemanden an Bord zu holen, dessen Wertvorstellungen und politische Positionen offenkundig sind, decken Politiker mehrere Faktoren ab. Verhandeln und Taktieren, die Bereitschaft, 24 Stunden erreichbar zu sein und die Fähigkeit, enormem Druck standzuhalten, von innen und von außen, erklärt Julian Maly: „Zwischen den Stühlen zu sitzen, trotzdem etwas weiterzubringen und alle Stakeholder unter einen Hut zu bringen, ist eine enorme Managementaufgabe und letztlich etwas, das in der Führung gefragt ist.“ 

Wirklich gebraucht wird dieses Geschick jedoch nur in wenigen Positionen, ordnet Charlotte Eblinger-Mitterlechner ein. Das viel größere Asset, auf das Betriebe schielen, wäre ein anderes.

Erfolge im Privatsektor: Von Viktor Klima bis Sebastian Kurz

Wenig überraschend geht es ums Netzwerk, das Politiker mitbringen. Doch das hat ein Ablaufdatum und müsste schnellstmöglich jenen Firmen unterbreitet werden, für die es relevant sein könnte. Manche bekämen die Chance, sich zu beweisen, so die Headhunterin. Ganz wenigen gelingt es sogar.

Schillernde Beispiele gibt es einige, quer durch die Parteienlandschaft. Viktor Klima, der als glückloser Bundeskanzler die Regierungsbühne verließ und als erfolgsverwöhnter VW-Manager in Argentinien reüssierte. Sein Lebenslauf hätte es vermuten lassen können: Ein Magister in Betriebswirtschaft, ein Vorstandsposten bei der OMV vor Antritt der Politkarriere. 

Dass es weder Vorerfahrung noch Titel braucht, um in der Wirtschaft Erfolg zu haben, bewies Sebastian Kurz. Ebenfalls unglücklich aus der Politik geschieden und seitdem als Berater, Gründer und Investor unterwegs. Mit einem vermuteten Salär, das deutlich über seinem Bezug als Kanzler liegt (siehe Kasten unten).  

Ermöglicht hat ihm das die steile politische Karriere, doch das war nicht immer klar. Als der KURIER 2011 ebenfalls den Marktwert der Regierungsmitglieder prüfte, landete Kurz, damals 24 Jahre alt und Staatssekretär für Integration, auf dem letzten Platz. Mit einem geschätzten Marktwert von 35.000 Euro brutto pro Jahr und einer potenziellen Jobaussicht als Assistenz der Geschäftsführung. 

Wie lautet nun der Marktwert von Österreichs Spitzenpolitikern?

Was man daraus schließt? Nicht jede Beurteilung der Headhunter muss sich in der freien Wirtschaft auch bewahrheiten. Und doch waren sich beide Experten dieses Mal sehr einig.  Die Reihenfolge, also wie attraktiv die Politiker für die Wirtschaft sind, fiel fast ident aus. Bei den möglichen Jahresgehältern klafften Prognosen vereinzelt auseinander. 

Zur Veranschaulichung wurde der Mittelwert beider Beurteilungen herangezogen – Bandbreite inklusive. Das erste Fazit: Die meisten obersten Staatsdiener könnten in öffentlichen und stark regulierten Bereichen bedeutende Rollen übernehmen. Manche wären laut Maly sogar ordentliche „Kapazunder im Lebenslauf“. 

Allen voran: Finanzminister Magnus Brunner. Sein Karriereweg ist zwar seit dieser Woche beschlossene Sache (er wird EU-Kommissar für Migration, mit einem Einkommen von 26.000 Euro brutto im Monat), in der Privatwirtschaft wäre aber weit mehr zu holen. Man sieht ihn als CEO bei den großen österreichischen Playern in Finanz oder Energie. Auch eine internationale Karriere ist denkbar. In großen Konzernen könnte das ein Jahresgehalt in Millionenhöhe bedeuten. Neben umfangreicher Erfahrung in Politik und Verwaltung bringt Brunner einen starken Bildungshintergrund mit, u. a. einen Doktor in Rechtswissenschaften.

Im Recht verankert sind auch Justizministerin Alma Zadić und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Sie reihen sich bei einem prognostizierten Marktwert zwischen 250.000 und 500.000 Euro ein, mit Boni sogar darüber hinaus. Minimal die Nase vorne in der Bewertung hat Zadić, beide könnten jedoch in großen Kanzleien oder als General Counsel in multinationalen Unternehmen Fuß fassen. 

Martin Kochers Karriereweg ist fixiert: Er löst Robert Holzmann als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank ab. Hier verdient er rund 300.000 Euro pro Jahr, in etwa das, was auch die Headhunter dem Wirtschaftsminister an Marktwert zuschreiben. „Kocher verfügt über eine beeindruckende akademische Karriere“, so unser Experte. Seinen Fokus auf Verhaltensökonomie und experimentelle Wirtschaftsforschung könnte er in der Marktforschung oder Strategieentwicklung als Chief Economist einsetzen. „Zudem wäre er ein idealer Kandidat für Führungspositionen in Thinktanks oder Forschungsinstituten.“

Das Schlusslicht bilden trotz prestigeträchtiger Posten und langjähriger politischer Erfahrung Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Johannes Rauch. Zwar wäre laut dem einen Experten, ein Marktwert bis zu 250.000 Euro drin, den NGOs oder Beratungsunternehmen zahlen könnten. Doch Julian Maly schiebt dem einen Riegel vor. 

Rauch habe das Pensionsantrittsalter erreicht, Kogler stünde knapp davor. In der Privatwirtschaft würde man somit nicht auf sie warten, höchstens als selbstständiger Berater. Und davon gibt es bereits viele.

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