Die Britin Daniela isst eigentlich kein Fast Food. Doch an diesem Novemberabend sitzt sie mit ihren Freundinnen in einem Schanigarten in Südengland vor einem Plastiktablett mit Chicken Wings und Pommes. „Wir wollten es endlich einmal ausprobieren“, sagt sie, nimmt einen ersten Bissen und nickt. „Jap. Genau so habe ich es mir vorgestellt.“
Die Chicken Wings und die Pommes sind, wie die riesigen illuminierten Letter hinter ihr verraten, von WingStop. Die US-Fastfood-Kette aus Texas mit Fokus auf paniertem Huhn hat in den vergangenen sechs Jahren in Großbritannien 56 Filialen eröffnet. Allein in den letzten zwei Monaten sind sechs weitere dazugekommen.
Vom Rückzug in die Offensive
Und WingStop ist nicht alleine. Eine südenglische Kleinstadt weiter verlassen Kunden die Filiale einer anderen US-Fastfood-Kette mit deren ikonischem quadratischen Burgern. Wendy’s hatte sich 2001 eigentlich aus England zurückgezogen; Immobilienkosten und andere Ausgaben hatten die Expansion unrentabel gemacht. Doch seit 2021 ist das US-Unternehmen zurück – und betreibt mittlerweile 40 Filialen. Auch die mexikanisch-inspirierten Gerichte von Taco Bells waren nach Versuchsjahren in den 1980ern lange Zeit verschwunden; nun stellt die Kette sogar 135 Zweigstellen.
Aber der Hunger der Briten auf schnelle, fettige Küche ist noch nicht gesättigt. Als im Sommer die 50. Filiale von Popeye (wie WingStop mit Fokus auf Huhn) in Glasgow eröffnet wurde, standen Fans 23 Stunden an; ein neuer Popeye-Drive-in in Yorkshire legte im Oktober den Morgenverkehr lahm.
Werbewunder Influencer
Doch wieso erliegen die Engländer ausgerechnet in einer Zeit steigenden Gesundheits- und Nachhaltigkeitsbewusstseins dem vermeintlichen Genuss amerikanischer Fastfood-Ketten?
Bei Britin Daniela war TikTok entscheidend. „Da essen Influencer ständig diese Chicken Wings“, sagt sie. „Das hat uns neugierig gemacht.“ Wingstop nutzt die Werbemacht der sozialen Medien gekonnt, hat etwa Rapper Stormzy eine Geburtstagsparty geschmissen und konnte sich den Austragungsort der Speeddates von YouTuber Chunkz sichern; seine Video-Serie kam auf 40 Millionen Aufrufe. Wendy‘s hat sich unterdessen selbst zum Star gemacht: Fast täglich erscheinen neue Reels; der auf England zugeschnittene TikTok-Account hat 150.000 Follower.
Doch die Fastfoot-Restaurants treffen in England auch den Zahn der Zeit, meint Wirtschaftsprofessorin Sabina Crowe vom Londoner Campus der Northeastern Universität: „Die Menschen haben sich während der Pandemie Deliveroo und UberEats zugewandt“, sagt sie zu Northeastern Global News, „und sich nun an die Bequemlichkeit gewöhnt.“
Dazu kommt die Lebenskostenkrise: Die Briten gehen immer weniger in Restaurants mit teurem Essen und Servicegebühr; das Land verliert im Schnitt 50 Pubs pro Woche.
Steuer auf ungesunde Speisen
Doch Gesundheitsorganisationen macht das ständige Zuviel an Salz und Zucker, vor allem bei Kinder, zu schaffen. In einem offenen Brief wandten sich 35 NGOs nun an Finanzministerin Rachel Reeves und Gesundheitsminister Wes Streeting und forderten eine Steuer auf ungesunde Lebensmittel.
„Der Schaden, den die Lebensmittelindustrie der Gesundheit von Kindern zufügt, ist die größte Bedrohung für das Wohlergehen unseres Landes“, meinte Anna Taylor vom Verein „The Food Foundation“ zum Guardian. Das Vereinigte Königreich weist nach Rumänien und Kroatien die dritthöchste Fettleibigkeitsrate in Europa auf.
Doch in den nächsten Jahren könnte die Versuchung von Burger, Pommes und Cola noch einmal größer werden. Wendy’s möchte die Zahl der Filialen von 40 auf 400 erhöhen. Und mit mit Dave’s Hot Chicken, Chicken-Fill-A und Carl’s Jr planen kommendes Jahr gleich drei weitere Amerikaner ihren Einstig in den britischen Markt.