Startseite Sport Wieso Rapids Punktgewinn auch eine Kampfansage an Sturm war » abseits.at

Wieso Rapids Punktgewinn auch eine Kampfansage an Sturm war » abseits.at

von Max

Der SK Rapid knöpfte dem SK Sturm Graz am Samstagabend nach langer numerischer Unterzahl auswärts ein 1:1 ab. Für die Hütteldorfer war es am Ende ein gewonnener, für die Grazer ein verlorener Punkt – und doch war es eine Kampfansage Rapids an den Meister und Tabellenführer.

Rapid und Sturm – das sind aktuell die beiden Teams, die in Österreich am meisten polarisieren. Die beiden Teams mit den stärksten Fankurven spielen derzeit den besten Fußball der Liga – und das ist für ebendiese auch gut so. Demnach war das Duell zwischen dem Zweiten und dem Ersten gebührend als Spitzenduell zu bezeichnen. Was die Platzierungen in der Bundesligatabelle betrifft sowieso, aber auch gefühlt.

Rapid, die Müdigkeit und die Cup-Blamage

Rapid hatte zuletzt dennoch Probleme. Die Verletzungen einiger Leistungsträger, aber auch von in der Kaderbreite sehr wichtigen Spielern hingen sich ein wenig hinein. Gegen Hartberg siegte man dank eines späten Fehlers der Oststeirer, beim darauffolgenden 1:0 gegen Noah Yerevan sah man den Grün-Weißen die Müdigkeit über weite Strecken der zweiten Halbzeit an. Auch beim 1:1 beim GAK sah man den Grün-Weißen die mangelnde Frische an.

Robert Klauß rotierte – notwendigerweise. Aber der zweite Anzug, aufgrund von Verletzungen von wichtigen Peripheriespielern wie Börkeeiet, Oswald oder Mmaee ebenfalls geschwächt, zeigte eine blutleere, teils arrogante Leistung auf der Hohen Warte gegen Stripfing und sorgte für die erste große Blamage der Saison. Rapid flog nach einem Stripfinger Doppelschlag aus dem Cup.

Die Fans forderten Wiedergutmachung. Angesichts dessen, dass mit Hedl und Schaub nur zwei Spieler gegen Stripfing in der Startelf standen, die dann auch gegen Sturm begannen, fast schon paradox. Die meisten der Kicker, die in Graz aufliefen, hatten eigentlich nichts verbrochen und waren eher von ihrem zweiten Anzug um eine realistische Titelchance gebracht worden. Dass im neuen grün-weißen Selbstverständnis der erste Anzug allerdings bemüht sein würde, die Cup-Niederlage für den ganzen Verein und Kader auszumerzen, war zu erwarten.

Sturm erwartete Rapid unsicherer – und Rapid wurde immer stärker

Und das kam nach den oft etwas unkonkreten Leistungen der letzten Wochen vielleicht etwas überraschend für den SK Sturm Graz, der zwar in der Champions League auslässt, auf nationaler Ebene aber sechs Spiele in Serie nicht verlor, fünf davon gewann. Nach einem Abtasten in der Anfangsphase wurde aber schnell klar, dass Sturm fußballerisch in der aktuellen Konstellation nicht besser ist als Rapid.

Beide Mannschaften benötigten ein wenig um ins Spiel zu kommen und nach knapp 20 Minuten stand es sogar nach Expected Goals noch 0:0. Viel Kampf und Gegenpressing dominierte das Geschehen, die Passgenauigkeit war auf beiden Seiten noch verbesserungswürdig, Sturm kam im zweiten Drittel zunächst zu schnelleren Ballgewinnen als Rapid.

Sicherheit über den Spielaufbau holen

Die Hütteldorfer allerdings zeigten ein taktisches Muster, das man schon in den letzten Wochen immer wieder beobachten konnte. Die Wiener starteten den Spielaufbau sehr tief, teils an der eigenen Grundlinie. Was beim Publikum oft für leichte Herzprobleme sorgt, hat bei Rapid allerdings System und ist so gewollt. Man will den Gegner herauslocken und zum hohen Pressing einladen. Wenn die vorderste Reihe dann Bewegungen macht, die die zweite Pressinglinie nicht korrekt antizipiert, dann tun sich Räume im Zentrum auf, die Rapid im Aufbau bespielen kann.

Es handelt sich hierbei um eine riskante Herangehensweise, wenn man nicht die richtigen Spieler dafür hat. In den letzten Jahren versuchte Rapid unter anderen Trainern und mit anderen Aufbauspielern Ähnliches und wurde des Öfteren durch gut und choreografiert pressende Gegner überrumpelt. Mit einem Aufbauspieler wie Raux-Yao wird die Sache allerdings einfacher und der Franzose fand immer wieder den idealen Vertikalpass.

Rapid verbindet die Spielphasen – und schwächt sich selbst

Das Resultat daraus: Sturm, das unter der Woche im Cup weit weniger durchrotierte als Rapid, musste weite Wege gehen, die vor allem für die Offensivspieler häufig umsonst waren und somit an die Substanz gingen. Und Rapid begann sich in einen Rhythmus zu spielen und am Ball immer weiter zu stabilisieren. Speziell ab der 20. Minute begann Rapid die Spielphasen auch noch gut zu verbinden: Zur Passsicherheit und gerade im zweiten Drittel auch hohen Passqualität kam schließlich auch noch gutes Gegenpressing hinzu.

Ab hier hatte Rapid Sturm grundsätzlich im Griff und die Hausherren wurden erst nach 42 Minuten durch einen Kopfball von Tochi Chukwuani erstmals gefährlich. Da war Rapid aber schon zu zehnt. Wie es in der Vergangenheit ebenfalls schon mehrmals der Fall war – etwa bei Bolla in Krakau oder Grgic in Braga – lässt sich die durchaus „wild“ agierende Rapid-Mannschaft schon mal von Übermotivation bremsen. Diesmal in Person von Mamadou Sangaré, der nach einem bösen Foul an Dimitri Lavalee vom Platz flog. Es war durchaus erwartbar, dass etwas solches auch mal bei Sangaré passieren würde – und Sturms belgischer Verteidiger blieb dabei glücklicherweise unverletzt.

Rapid verteidigt die Box und setzt auf lange Bälle

Wer aber dachte, dass Sturm die Wiener nun einschnüren würde, der irrte. Rapid-Trainer Robert Klauß reagierte auf den Ausschluss erst in der 62. Minute erstmals, indem er Kaygin und Bischof für Schaub und Burgstaller brachte. Gefährlich wurde Sturm bis dahin nur situativ, auch weil Rapid den eigenen Strafraum leidenschaftlich verteidigte und der Meister der defensiven Wucht von Cvetkovic und Raux-Yao, aber auch der Kampfkraft von Auer und der Cleverness von Bolla wenig entgegenzusetzen hatte.

Während Rapid in der Phase vor der Pause auf einen starken PPDA-Wert (Passes pro Defensive Action) von etwa 5 kam, stieg der Wert in der zweiten Halbzeit auf über 20 an. Klarerweise konnte Rapid gewonnene Bälle in Unterzahl nicht mehr so gut festmachen und ein gruppentaktisch geschlossenes Gegenpressing ließ man weitgehend komplett aus. Zu groß war die Gefahr, Sturm damit Räume zu öffnen. Die Passgenauigkeit sank natürlich auch – einerseits, weil im Mittelfeld trotz der Umstellung auf ein 4-4-1 jemand fehlte, andererseits, weil Rapid Ballgewinne entweder ausputzte oder auf lange Bälle in Richtung Dion Beljo ging.

Sturm trifft erwartungsgemäß, Klauß setzt alles auf eine Karte

Die Spielhöhe, die sich über die zweite Hälfte entwickelte, legte aber dennoch nahe, dass Sturm früher oder später in Führung gehen würde. In Minute 82 war es nach einem gut vorgetragenen Angriff, bei dem Sturm endlich einmal den sonst gut stehenden Auer aushebeln konnte, soweit und der eingewechselte Erencan Yardimci traf per Knie zum 1:0 für die Gastgeber.

Rapid gab sich aber nicht auf und brachte nach 87 Minuten Schöller (der statt Grgic auf der Sechs einsprang) für die Lufthoheit und Wurmbrand, der noch mehr Tiefgang im Konter reinbringen sollte. Für den Ausgleich sollte nur wenige Minuten später aber einer sorgen, der von Beginn an am Platz stand und zudem der beste Rapid-Spieler war.

Überragender Beljo erzwingt Ausgleich

Dion Beljo bewies in den vergangenen Wochen immer wieder, wie wichtig er für die Hütteldorfer ist und welch großes (noch immer ungeöffnetes) Potential in ihm schlummert. Da und dort noch etwas fahrig, manchmal nicht konkret genug im Abschluss, wird er von manchen Fans immer noch kritisch beäugt. Aber die Körpersprache des Kroaten hat sich in den letzten Wochen massiv verbessert und er beginnt gerade Selbstvertrauen aufbauen. Dass er auch den nötigen Stürmerriecher für heikle Situationen hat, zeigte er schließlich in der Szene, die für Rapid zum Lucky Punch werden sollte.

Nach einem hohen Ball nach vorne drückte Beljo geschickt Geyrhofer weg, köpfte Ex-Rapidler Emanuel Aiwu auf die Hand und zog so einen Elfmeter, den er selbst verwandelte. Die Fähigkeit ein Spiel dermaßen im Alleingang kippen zu lassen – und das noch in Unterzahl – ist etwas, das man nur schwer lernen kann und spricht für Rapids 22-jährigen Leihspieler.

Wurmbrand verpasst Kitschsituation um Zentimeter

Noch einer, der etwas hat, was man nicht lernen kann, ist Nikolaus Wurmbrand. Der 18-Jährige hatte danach sogar noch den Siegtreffer am Fuß, ließ den Ball nach einem Solo, bei dem sich Sturms Kicker uneins waren, wer das Rapid-Talent nun attackieren solle, an die Stange kullern. Ein 2:1 für Rapid wäre aber wohl des Kitschs zu viel gewesen. Das Remis ist leistungsgerecht und entspricht dem Gezeigten, wenngleich es sehr interessant gewesen wäre, wie Rapid in der zweiten Halbzeit gegen einen weitgehend ideenlosen Gegner zu elft agiert hätte.

Rapid baute in Unterzahl xG-Vergleich aus

Als Mamadou Sangaré vom Platz ging hieß es nach Expected Goals 0.00 : 0.15 zugunsten Rapids. Der finale xG-Wert wies laut Wyscout 0.78 : 1.24 aus. Natürlich ist hier der Elfmeter mit einem hohen xG-Wert dabei, aber Rapid schaffte es dennoch den xG-Vergleich auswärts beim Meister in Unterzahl über eine ganze Stunde noch auszubauen. In der Gesamtheit der Leistung ist das durchaus als Kampfansage an den SK Sturm zu werten, denn gegen die mit Abstand beste Offensive der Liga ist dies keine Selbstverständlichkeit.

Sturm darf Königsklasse genießen, Rapid muss punkten

Während es für Sturm glamourös mit einem Auswärtsspiel in Dortmund weitergeht, trifft Rapid zunächst auf Petrocub aus der Republik Moldau, dann zu Hause auf Klagenfurt und nach der Länderspielpause auswärts auf die WSG Tirol und zu Hause auf die Shamrock Rovers. Zum ersten Mal hat die Klauß-Elf nun auch auf nationaler Ebene gezeigt, dass sie gegen „Große“ auswärts bestehen kann. In den kommenden Wochen, die aufgrund von Sangarés Sperre und der einen oder anderen Rückkehr von verletzten Spielern wieder von etwas mehr Facetten in den Aufstellungen geprägt sein werden, gilt es für Rapid, so viele Punkte zu hamstern wie möglich. Das nächste „große“ Spiel wartet auf Rapid erst am 7. Dezember auswärts in Salzburg…

Daniel Mandl, abseits.at

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