Dass die Welt gerettet wird, ist, so müssen sich wohl auch jene eingestehen, die sie gerne retten würden, eher unwahrscheinlicher geworden. Die Demokratien schütteln die Zumutungen der Klimabewahrung an der Wahlurne ab. Trump und Putin sorgen dafür, dass die Mentallast in der Gegenwart zu groß ist, als dass man sich auch noch um die Zukunft kümmern könnte. Selbst die EU rudert zurück in Richtung Verbrennermotor.
Wer sich um nachhaltige Zukunftsfragen bekümmert, darf frustriert sein.
Christoph Thun-Hohenstein jedoch sieht das ganz anders. Schon als Chef des Museums für angewandte Kunst MAK hat er darauf gepocht, dass wir das schon schaffen mit der Zukunft, wenn wir die Kunst als Inspiration nützen, neue Technologien einsetzen und achtsam sind, wie wir mit uns und der Welt umgehen.
Auch als Leiter der Sektion für Auslandskultur im Außenministerium beharrte er darauf. Und nun auch im, hier passt es, Unruhestand: Thun-Hohenstein, der Ende Februar aus dem Außenministerium ausschied, gründet nämlich mit Partnern eine Zukunftsplattform, die sich der Regeneration verschreibt und dafür Kunst, Natur und innovative Wirtschaft zusammenbringen will.
„ReGenerativa“ soll sie heißen, schildert er im KURIER-Gespräch, sie soll ein „Think & Create Tank“ werden, der „künstlerische Vorstellungskraft zur Bewältigung der großen Zukunftsherausforderungen einbringt und mit visionärem Unternehmertum, insbesondere von KMUs und Start-Ups, verknüpft“. In der Bezeichnung steckt auch Generative KI, die „wir stärker für zukunftsweisende Lösungen einsetzen müssen“.
Die Plattform, die im Frühherbst starten soll, steht im Zeichen von „Zukunftsmut“. Fällt ihm der nicht schwer? „Wir brauchen eine neue Balance“, sagt Thun-Hohenstein. „Daran führt kein Weg vorbei. Mit der Regeneration ist die große neue Erzählung da, an der es derzeit fehlt.“ Was heißt denn „regenerieren“? „Die Frage ist: Wie können wir Leben ins Zentrum all unseres Denkens und Handelns stellen und der Erde mehr zurückgeben als wir extrahieren?“, sagt Thun-Hohenstein. Es gehe um ein ganzheitliches Mindset, das wirtschaftliche und soziale Prosperität mit intakter Natur verknüpft. Viele richtige Systemansätze gebe es schon, etwa die Kreislaufwirtschaft. KI müsse uns darin unterstützen, zum Beispiel durch Verbindung von regenerativer Landwirtschaft mit KI-gesteuerten Präzisionstechnologien.
Wie kaputt sind wir?
Regeneration setzt aber doch voraus, dass etwas kaputt ist. Wie kaputt ist denn alles? „Es könnte viel besser sein“, sagt Thun-Hohenstein. „Wir müssen hart arbeiten. Das betrifft alle Bereiche. Denn wir leben in einer Welt, in der alles miteinander verbunden ist.“ Es gehe daher um Klimawandel und Artensterben ebenso wie um den Platz, den wir „im Sinn des Digitalen Humanismus der Künstlichen Intelligenz einräumen. Und die künftige Rolle Europas. Denn obwohl der Klimawandel und all die trüben Zukunftsszenarien weltweite Phänomene sind, fängt deren Lösung in der Nähe an“.
Thun-Hohenstein spricht von „achtsamer Regionalität“: „Wir brauchen viel mehr Regionalität, diese hat eine große Zukunft“, sagt er. „Aber immer mit europäischer Perspektive!“
Thun-Hohenstein plädiert dafür, den erweiterten Donauraum als eine Modellregion zu sehen. Diese ist „ein Schlüsselraum für die Zukunft der EU, in dem man alle Probleme, die wir in Europa haben, durchspielen kann. Und deren Lösung die ganze Welt inspirieren kann.“ Denn „nun hat die Stunde Europas geschlagen“, sagt Thun-Hohenstein. „Wir haben das Potenzial, die Zukunft durch Kreativität und Innovation mitzugestalten. Anstatt zu lamentieren, müssen wir die Ärmel aufkrempeln. Und Kunst und Kultur neue Zukunftsrelevanz verschaffen!“ Aber ist nicht gerade die Kultur in Europa finanziell stark unter Druck? „Für Zukunftsgestaltung muss es immer Geld geben“, sagt er. „Kultur ist eines der allerwichtigsten Zukunftsprojekte. Aber auch dort darf es kein Business as usual geben. Wir brauchen alle regenerativen Kräfte für die Zukunft.“