Südamerika, Südkorea, Skandinavien – von überall auf der Welt habe sie Nachrichten zu ihrer Darstellung von Kaiserin Elisabeth bekommen, erzählt Devrim Lingnau im KURIER-Gespräch. „Es waren überwiegend junge Frauen, die sich sehr mit der Figur identifizieren konnten. Das hat mir viel Aufschwung gegeben“, so die Schauspielerin. Denn gerade junge Frauen habe sie mit ihrer Interpretation auch erreichen wollen.
Seit Freitag ist die zweite Staffel der Emmy-prämierten Serie „Die Kaiserin“ bei Netflix zu sehen, die in sechs neuen Episoden aus dem Leben von „Sisi“ erzählt. Erneut gehe es darum, „dass Elisabeth wie in einem goldenen Käfig gefangen ist und stark gegen die Zwänge und Dogmen, die ihr auferlegt werden, rebelliert.“ Gesellschaftliche Zwänge, die Frauen auch spüren würden, wenn sie nicht Kaiserin sind: „Dagegen aufzubegehren ist für viele heute wichtiger denn je“, meint Lingnau. „Wir leben immer noch in einem patriarchalen System und die reaktionären politischen Tendenzen machen keine Hoffnung, dass sich das bessert.“ Als Filmschaffende wolle sie „patriarchale, sexistische und rassistische Strukturen hinterfragen und im besten Fall verändern“.
Existenzielle Themen
Die Serienfortsetzung von „Die Kaiserin“ startet mit einem Zeitsprung von zwei Jahren. Da ist die Phase der großen ersten Verliebtheit zwischen Elisabeth und Franz (gespielt von Philip Froissant) vorbei. Tochter Sophie ist bereits auf der Welt und ein weiteres Kind unterwegs – das endlich der ersehnte Thronfolger sein soll. Denn ohne einen solchen, das wird man in Elisabeths Umfeld nicht müde zu betonen, sei das Kaiserreich verloren. Zusätzlich erhöht wird der Druck durch politische Turbulenzen.
Zur Person
Devrim Lingnau wurde 1998 in Mannheim geboren. Ihr Vater stammt aus der Türkei, sie ist zweisprachig aufgewachsen.
Die Serie
Staffel 2 von „Die Kaiserin“ ist ab sofort bei Netflix abrufbar. Neben Devrim Lingnau und Philip Froissant standen u. a. Melika Foroutan als Schwiegermutter und Almila Bagriacik als Elisabeths Vertraute vor der Kamera. Aus Österreich sind etwa Johannes Nussbaum als Erzherzog Maximilian und Margarethe Tiesel als Hebamme dabei
Der Nachschub
Mitte Dezember geht dann auch die Serie „Sisi“ mit Dominque Devenport und Jannik Schümann im ORF und bei RTL+ in die vierte und letzte Staffel
„Die Themen, die wir in der zweiten Staffel besprechen, sind existenzieller – es geht um Elternschaft, eine schwierige Geburt und letzten Endes den Kindesverlust“, sagt Lingnau. „Die romantische Beziehung zwischen Franz und Elisabeth wird durch diese Krisen enorm strapaziert, aber auch erwachsener und diskursiver.“ Klar sei für die beiden auch, „dass sie zusammenbleiben müssen. Das unterscheidet diese Beziehung von ersten romantischen Begegnungen, wie wir sie heutzutage im 21. Jahrhundert haben, zumindest in Westeuropa – wo wir uns ausprobieren können, bevor wir uns vielleicht entscheiden, länger in einer Beziehung zu bleiben. Im 19. Jahrhundert ging das natürlich so nicht.“
Herausfordernde Szenen
Gedreht wurde vorwiegend in Tschechien, wo Schlösser und Burgen regelmäßig als Kulisse für historische Produktionen dienen, und in den Prager Filmstudios Barrandov. Besonders anstrengend sei für Lingnau die Geburtsszene gewesen, „weil sie über drei Tage hinweg gedreht wurde“. Mit einer befreundeten Hebamme habe sie sich darauf vorbereitet, eine wichtige Vorlage sei zudem der Film „Pieces of a Woman“ gewesen. Aber auch der Tod von Tochter Finchen habe sie beim Dreh emotional gefordert.
Dennoch sei es positiv, dass diese Ereignisse Teil der Serie sind: „Ich habe selten zuvor gesehen, dass eine schwierige Geburt so explizit gezeigt wird oder auch die Trauer um ein Kind“, so Lingnau. „Ein unerfüllter Kinderwunsch, Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten sind immer noch sehr tabubesetzte Themen in unserer Gesellschaft. Man redet nicht öffentlich darüber, und Menschen zweifeln und trauern meistens alleine, ohne professionelle, therapeutische Unterstützung. Ich finde es sehr gut, dass wir diese Themen mit aller Emotionalität darstellen.“ Es könne im besten Fall auch feministisch sein, „wenn man Leben zeigt, die von einer gesellschaftlichen Norm abweichen – so sind wir weniger alleine mit unserer Ohnmacht“.