Gaye Su Akyol wägt diesen Gedanken ab – und widerspricht letztlich. Sie gilt als eine spannende junge Stimme in der Türkei, die sich mit ihrer Musik – die Punk und Grunge im Geiste Nirvanas mit türkischer klassischer und Volksmusik verbindet – für mehr Offenheit einsetzt. Die wird aber zuletzt von immer mehr Menschen abgewählt. Warum? „Angst ist der Schlüssel“, sagt sie. „Wenn man Menschen Angst vor allem macht, beginnen sie, sich auch vor sich selbst zu fürchten.“ Diese Angst werde von den Mächtigen manipulativ eingesetzt, um die Menschen zu kontrollieren. „Sonst würden die Menschen anfangen, sich zu fragen, warum sie arm sind.“
Ihr Musical nun, das kürzlich in Berlin an der Komischen Oper zur Uraufführung kam und ab Freitag im NEST in Wien zu sehen ist (auf Türkisch und Englisch mit deutschen Übertiteln, empfohlen ab 13 Jahren), sei ein Versuch, diesen Kreislauf der Angst und Manipulation zu durchbrechen. „Was uns retten wird, ist, konsequent zu träumen, bewusst zu handeln und Fortschritte zu machen“, sagt sie.
Das Musical erzählt die Geschichte einer Gruppe von Menschen unterschiedlicher politischer Überzeugung, die in einem Minibus ins All fliegen – nicht ganz freiwillig. Dort erkennen sie, dass die Probleme, denen sie begegnen, eng mit denen der Erde verbunden sind, es gibt fiese Politiker, die Farben verschwinden, die Insassen des Minibusses kriegen sich in die Haare – aber: „Wir retten nicht nur den Planeten, sondern wir versuchen auch, die Welt zu retten“, sagt sie.
Das Stück ist eine Adaption ihres Albums „İstikrarlı Hayal Hakikattir“, erweitert um die Musiksprache und die Bedingungen der Bühne. „Singen und Schauspielen sind zwei völlig verschiedene Dinge, und ich habe viel von den professionellen Opernsängern und Schauspielern gelernt“, sagt sie. Besonders berührt zeigt sie sich davon, dass ihre Lieder in Berlin vom Publikum mitgesungen wurden: „Es ist ein Gänsehautgefühl für jeden türkischsprachigen Menschen.“
Gemeinsam träumen
Ihre Einflüsse reichen von Nick Cave bis zu klassischen Sängern der Türkei. „Ich erinnere mich, wie ich als Kind Nirvana im Auto meines Bruders hörte“, erzählt die 1985 geborene Musikerin. „Das war der Moment, in dem sich für mich die Türen zum Rock ’n’ Roll öffneten“, schildert sie.
Die Musikerin hofft, dass ihr Werk die Menschen inspiriert, sich für positive Veränderungen einzusetzen. „Wir können die Realität gemeinsam verändern, wenn wir nur anfangen, gemeinsam zu träumen und zu handeln“, sagt sie.