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Wo man noch alles sagen darf

von Max

Ungefiltert, unkritisch

Die „Joe Rogan Experience“ – so nennt der einstige Stand-up-Comedian, libertär eingestellte Kampfsport-Kommentator und Befürworter von Psychedelika zur Selbstfindung seinen Podcast. Es ist der meistgehörte der Welt. Legendär ist etwa die Folge, in der Rogan mit Trumps künftigem Effizienzberater Elon Musk bei laufender Kamera Marihuana konsumiert. Rogan ist das prominenteste Beispiel für ein politmediales Phänomen, das digitale Plattformen erobert – und, während herkömmliche Medien Konsumenten verlieren, immer mehr Menschen erreicht.

Journalisten sind Joe Rogan oder Ex-Fox-News-Moderator Tucker Carlson, einer der ersten, der das Format etablierte, keine (mehr) – wollen sie, mit betonter Ablehnung den herkömmlichen Medien gegenüber, auch gar nicht sein. Viel mehr seien sie „politische Influencer“, sagt Kommunikationswissenschafterin Sophie Lecheler von der Universität Wien. „Sie verwenden journalistische Methoden wie Interviews, folgen aber keinen journalistischen Kriterien wie Objektivität oder Transparenz.“

Dafür ist Unterhaltung wesentlich. Viele der großen Namen der Szene, neben Rogan etwa Theo Von, haben Comedy-Hintergrund. Im entfernteren Sinn ist das eine Weiterentwicklung der in den USA populären Late-Night-Shows, die seit Jahrzehnten Comedy und politische Schlagzeilen kombinieren.

Lieber beim Influencer als im TV

Was fehlt, ist der journalistische Filter – kritische Fragen, Faktenchecks, Ausgewogenheit bei den Gesprächspartnern. Es gehe um reine Meinungsverbreitung. Das mache solche Formate auch für Politiker attraktiv, sagt Lecheler.

Umgekehrt wird dieser Filter des Journalismus von vielen politischen Influencern als etwas Negatives verunglimpft, als Werkzeug der Manipulation dargestellt. Die vermeintlich absolute Wahrheit, die gäbe es nur bei ihnen, so das Allheilversprechen. In den USA, wo Medien extrem politisiert sind – vom rechtskonservativem Fox News über den den Demokraten nahestehenden Nachrichtensender MSMBC bis zu den New York Times, die eine Wahlempfehlung für Kamala Harris abgegeben hatten – trifft dieser Vorwurf auf fruchtbaren Boden.

Trump hat im Wahlkampf erstmals extrem auf Plattformen wie die von Rogan gesetzt, klassische Medien gemieden und im Vergleich zu den Demokraten weitaus weniger Millionen Dollar in Fernsehwerbung investiert. Mit Erfolg? Das Publikum von Joe Rogan ist dem Marktforschungsinstitut YouGov zufolge zu über 80 Prozent unter 30 Jahre alt und männlich; in dieser Wählergruppe lag Trump überraschend 14 Prozentpunkte vor Harris.

In der Echokammer?

Trotzdem, betont Lecheler, „hat Rogan die Wahl nicht entschieden. Damit würden Journalisten die eigene Verantwortung negieren“. Auch dürften derartige „Echokammern“ nicht überschätzt werden: Jener Anteil der Bevölkerung, der ausschließlich dort Informationen konsumiere, sei gering. Zudem seien Echokammern auch keine neue Entwicklung: „Wir haben uns schon immer die Informationen gesucht, die zu uns und unseren Meinungen passen“, so Lecheler. Auch junge Leute konsumierten nach wie vor herkömmliche Medien – allerdings in neuen Formen, wie Kurzvideos oder Podcasts. Und: „Nicht jeder, der Joe Rogan hört, vertraut dem Gesagten unhinterfragt.“

Rogan hat einen Tag vor der Wahl wenig überraschend seine Unterstützung für Trump öffentlich gemacht. Vor acht Jahren galt er noch als großer Fan des altlinken Senators Bernie Sanders. Der war zuletzt vor fünf Jahren Gast in seinem Podcast, und hat im Wahlkampf dafür plädiert, dass auch die Demokraten mehr auf diese Plattformen setzen sollten. Harris hatte aus Angst vor einer Gegenreaktion ihrer Anhänger eine Einladung bei Rogan ausgeschlagen.

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