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Zach Williams droht mit schönen Tagen

von Max

Die Vorhersage angeblich schöner Tage muss man als Drohung verstehen. Eher als schön wird es hier ungemütlich, merkwürdig, unbestimmt unheimlich. Zach Williams führt einen mit seinen bizarren Geschichten direkt ins „Uncanny Valley“.

Es beginnt mit „Probelauf“, wo sich ein Mann allein im Büro seines Social-Media-Unternehmens wiederfindet. Außer ihm ist bloß ein Kollege da, der unterm Schreibtisch übernachtet hat und ihn mit sehr privaten Details überhäuft. Und ein Sicherheitsmann, der ihm antisemitische Verschwörungstheorien aufdrängt. Der Mann heißt Manny Mintauro, so ähnlich wie Minotaurus, was ein schönes Bild für das Labyrinth ist, in dem sich der Erzähler bald befindet. Durch die Berichte der beiden fühlt er sich bald als deren Mittäter. Der eine erzählt ihm von gewalttätigen Ausfällen gegen seine Frau, der andere macht ihn zum Komplizen seiner konspirativen Weltsicht („100 Fake Hate Crimes von linken DemokRATTEN inszeniert“).

Dass es am Ende nicht knallt, sondern man als Leser mit flauem Magen entlassen wird, ist typisch für Williams, dessen Geschichten sich immer wieder um Ahnungen, Gerüchte und vermeintliche Verschwörungen drehen, wo „weißer Genozid“ vermutet und „jüdischer Kulturmarxismus“ geortet wird. Einerseits sind diese Geschichten in ihrem Setting sehr amerikanisch. Andererseits ist der Glaube, dass „die Welt den Bach runtergeht“ heute zum globalen Schlager geworden. In „Der Golfwagen“ fährt ein junger Mann Nacht für Nacht mit einem Golfwagen über das familieneigene Gelände. „Kontrollgang“ nennt er das. Immer dabei: Waffen. Er hält sich für einen Verlierer, am mangelnden Wohlstand kann’s aber nicht liegen. Dass früher oder später etwas passiert, ist klar. Vorerst trifft es nur einen Hirschen.

Haushofer-Vibes

Tiere spielen so gut wie immer mit. Da ist der Hund, der in „Lucca Castle“ einen fieberkranken Finanzmanager in einen Albtraum begleitet. Und da ist die vermutlich uralte Schildkröte in der Geschichte „Das Sauerkleehaus“, die Ronna und Jacob, die sich mit ihrem Sohn Max in einem rustikalen Landhaus einquartiert haben, begegnet. Die Verbindung zur Außenwelt ist fort, ebenso die Erinnerung daran, wie sie dorthingekommen sind und wie viel Zeit seit ihrer Ankunft vergangen ist. Vor allem aber ist da die Frage: Warum altern die Eltern, nicht aber das Kind? Zarte Marlen-Haushofer-Vibes spürt man in dieser Erzählung, die auch Fragen nach Grenzen des Lebens stellt.

Dass Zach Williams einen Namensvetter hat, der christlicher Popsänger ist, ist ein an dieser Stelle passender Zufall. Weder verwandt noch verschwägert ist auch die kultige Kurzgeschichten-Autorin Joy Williams, die mit bald 81 Jahren so etwas wie die Doyenne der sehr, sehr bizarren Kurzform ist. Man erinnert sich an ihre Geschichten über seufzende Schäferhunde und Ehepaare mit Nachttischlampen aus präparierten Hirschhufen.

Ähnlich bizarr, aber nicht ganz so zackig geht es bei Zach Williams zu. Bei ihm sickert das Grauen langsam. Vor allem aber, und das ist das wirklich Beängstigende, sind seine vom vermeintlichen Ende der Welt Getriebenen in Wahrheit keine Fiktion. Und sie alle wissen: „Die Fakten sind online zu finden.“

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