Startseite Politik „Zeitenwende“ der deutschen Bundeswehr versandet

„Zeitenwende“ der deutschen Bundeswehr versandet

von Max

Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten spricht man in Europa einmal mehr von einem „Weckruf“. Europa müsse, so der Tenor, selbst für seine Sicherheit sorgen. Ginge es nach der berühmten „Zeitenwende“-Rede des deutschen Kanzlers Olaf Scholz (SPD), hätte die größte europäische Wirtschaftsmacht – Deutschland – einen Weckruf nicht mehr nötig.

Die Realität sieht freilich anders aus. „Wir brauchen Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen, und Soldatinnen und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind. Darum geht es, und das ist ja wohl erreichbar für ein Land unserer Größe und unserer Bedeutung in Europa“, hatte Scholz am 27. Februar 2022, drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, gesagt.

100 Milliarden Euro Sondervermögen waren budgetiert, um den 30 Jahre andauernden Investitionsrückstau einer chronisch unterfinanzierten Bundeswehr zu beheben. Die „Zeitenwende“ war in aller Munde. Fast 1.000 Tage und eine gescheiterte Verteidigungsministerin später ist die Euphorie Ernüchterung gewichen. 

Zu wenig, zu langsam

„Ich glaube, [die Zeitenwende] ist gut gestartet, jetzt ist sie versandet“, sagt etwa der ehemalige General Hans-Lothar Domröse zum KURIER. „Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind zwar großteils bis 2027 verplant, aber nicht ausreichend. Es braucht mindestens 300 Milliarden Euro, um die Lücken zu schließen.“ 

Die Munitionslager sind leer, Folgeaufträge verlaufen schleppend und nach Ansicht vieler Experten wird zu wenig bestellt. In den vergangenen 30 Jahren ging die Zahl der Kampfpanzer „Leopard 2“ von 2.125 auf 310 zurück, 18 wurden an die Ukraine geliefert.

Die Wehrbeauftragte des deutschen Bundestags, Eva Högl (SPD), sieht allein für die Kasernen einen Investitionsbedarf von 50 Milliarden Euro. In ihrem Jahresbericht kritisiert sie unter anderem „gesundheitsgefährdende Schimmelbildung in den Duschen“. Es ist einer von vielen Punkten im Bericht, die schon allein in puncto Infrastruktur aufgearbeitet gehörten.

Viele Freiwillige hören sofort wieder auf

Neben Material- und Infrastruktur- plagen die Bundeswehr obendrein Personalsorgen: Ziel der Bundeswehr ist es, 203.000 Soldaten zu erreichen, allerdings gibt es nach wie vor Schwierigkeiten, die 180.000 überhaupt zu halten. 4.960 der 18.770 im Jahr 2022 angetretenen Soldatinnen und Soldaten, das sind rund 26 Prozent, haben die Bundeswehr im Berichtsjahr 2023 wieder verlassen. 

Am Personalmangel sind auch die Freiwilligen Wehrdienstleistenden beteiligt: Im Vorjahr brach mehr als jeder Fünfte von ihnen vorzeitig ab oder wurde entlassen. 

Das ist ein Problem für die ohnehin wackeligen Pläne eines neuen Wehrdienstmodells: Pro Jahr will man mittels eines „verpflichtenden Fragebogens“ 15.000 Freiwillige Wehrdienstleistende gewinnen (Österreich hat jährlich mehr Grundwehrdiener!). Doch das Gesetz wird vor den Bundestagswahlen im kommenden Februar wohl nicht fertig.

Auch oberhalb der Mannschaftsränge gibt es einen eklatanten Personalmangel: Von den 118.709 militärischen Dienstposten oberhalb der Laufbahn der Mannschaften waren zum Jahresende 2023 20.898 Dienstposten nicht besetzt. Das entspricht einer Vakanz von 17,6 Prozent, Tendenz steigend.

Neue Panzer erst 2045

Es ist nicht so, dass in den fast 1.000 Tagen bei der Bundeswehr nichts passiert wäre. Die Errichtung der Brigade in Litauen geht trotz Pannen voran, es wird zumindest über eine Aufstockung der Leopard-2-Panzerflotte auf 400 diskutiert. Das Nachfolgemodell, das man gemeinsam mit Frankreich konzipieren will, soll – mit einiger Verspätung – 2045 eingeführt werden.

Doch es bleibt die Frage, wie und woher eine neue deutsche Regierung zusätzliche Mittel für die Bundeswehr bereitstellen will. Die Union will an der Schuldenbremse festhalten, fordert aber auch eine Etaterhöhung für die Bundeswehr.

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