Österreich hat ein Budgetproblem: Das Defizit wird in den kommenden Jahren höher sein als die die von der EU vorgegebenen Richtlinie. Ökonom:innen geben der zukünftigen Regierung Spartipps.
Es war eine Warnung, die kein Regierungsmitglied vor der Nationalratswahl bestätigen wollte: Das Budgetdefizit liegt höher als erwartetWenige Tage danach informierte Finanzminister Magnus Brunner, dass die Defizitquote 2024 3,3 Prozent statt wie bisher prognostiziert 2,9 Prozent betragen wird. Genau das hatten Ökonom:innen befürchtet. Diese Quote zeigt das prozentuale Verhältnis zwischen dem öffentlichen Defizit – also vereinfacht gesagt die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung von Bund, Ländern und Gemeinden – und dem Bruttoinlandsprodukt, also der Wirtschaftsleistung.
Die Konsequenzen des Budgetlochs
Die Europäische Union gibt ihren Mitgliedstaaten vor, dass die Defizitquote unter drei Prozent liegen muss (das sind die sogenannten Maastricht-Kriterien), ansonsten droht ein Defizitverfahren. Dann müssen die betroffenen Staaten einen Finanzplan vorlegen, sonst drohen Strafzahlungen, die nicht mehr rückerstattet werden, wenn die Ziele nicht erreicht werden.
Österreich ist auf dem besten Weg zu einem Defizitverfahren, denn laut dem Fiskalrat wird die Defizitquote noch bis 2028 über drei Prozent liegen. Und auch ohne Sanktionen der EU würde eine hohe Verschuldung teuer kommen: Wie bei Privatpersonen oder Unternehmen sind für Staaten Kredite höher verzinst, wenn sie eine schlechte Bonität haben. Zusätzlich belasten der demografische Wandel und die sozioökologische Transformation den öffentlichen Haushalt: „Die aktuelle Budgetsituation ist echt nicht leicht”, warnte Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, bei einer Pressekonferenz vergangene Woche. Das Thema müsse deshalb auch hohe Priorität für die nächste Regierung haben.
Effiziente Organisation
Die Handlungsempfehlungen haben der Fiskalrat und das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) schon vorgelegt. Im Grund sollte die Verwaltung schlanker aufgestellt werden, statt nur neue Steuern einzuführen. Potenzial sehen Badelt und WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller beim Förderwesen, hier sollten Bund, Länder und Gemeinden besser koordiniert sein, Treffsicherheit überprüft und Doppelgleisigkeiten vermieden werden. Ebenso müsse eine Anhebung des Pensionsalters diskutiert werden und außertourliche Pensionszahlungen vermieden werden. Auch im Gesundheitssystem gebe es Bedarf, die Kompetenzen neu zu verteilen. „Es braucht nicht nur mehr Geld, sondern eine effiziente Organisation“, so Schratzenstaller.
„Kurzfristig kann man bei den Ausgaben nicht viel sparen, vor allem wenn man die Konjunktur nicht belasten will”, sagt sie im Hinblick auf die andauernde Rezession. Fiskalratschef Badelt ergänzt, dass eine hohe Sparquote aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll sei. In der aktuellen Diskussion um ein Sparpaket hat sich der Klimabonus zum politischen Spielball entwickelt. Badelt will ihn nicht ganz abschaffen, aber zwei Jahre aussetzen. Immerhin sei die Sonderzahlung auch eine Konsumförderung, sie hilft also theoretisch auch dem Wirtschaftswachstum.
Bis zu 20 Prozent Einsparungspotenzial
Zur Einführung neuer Steuern wie der vieldiskutierten Vermögens- oder Erbschaftssteuer sagt Badelt: „Da wird man nie zur Umstrukturierung kommen, sondern haut immer nur oben was drauf.” Eine Erbschaftssteuer würde keine raschen Effekte bringen, weil sie Vorlaufzeit braucht, ergänzt Schratzenstaller vom WIFO. Es gebe andere Maßnahmen, die schneller umgesetzt werden können, etwa die Abschaffung des Dieselprivilegs, also der niedrigeren Besteuerung von Diesel, oder die Ökologisierung des Pendlerpauschale. Auch mehr Prävention im Gesundheitssystem würde mittelfristig Einsparungen bringen, als Beispiel nennt die Ökonomin eine Zuckersteuer, wie es sie schon in Großbritannien gibt.
Wie hoch sind die Chancen, dass Strukturreformen kommen und dann auch noch das Budgetdefizit wieder unter die Drei-Prozent-Grenze rutscht? Hier sind sowohl Badelt als auch Schratzenstaller zurückhaltend mit ihrer Einschätzung, da es sich um mittelfristige und nicht kurzfristige Empfehlungen handelt. Das Einsparungspotenzial sieht die WIFO-Expertin bei zehn bis zwanzig Prozent. Der Fiskalratspräsident erwartet nicht, dass große Entscheidungen schon während der Koalitionsverhandlungen getroffen werden: „Die großen Reformen können nicht bis Jänner ausverhandelt werden.”
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner
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Christoph Badelt, Präsident des österreichischen Fiskalrates
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WIFO-Ökonomin Margit Schratzenstaller (Beide im Rahmen einer Pressekonferenz am 9. Oktober 2024 in Wien.)