Startseite Kultur Zuerst befreites Lachen, dann Beklemmung in Zeitlupe

Zuerst befreites Lachen, dann Beklemmung in Zeitlupe

von Max

Rollenwechsel

Der Clou dieses Textes ist, dass immer wieder die Rollen gewechselt werden und so alle Aspekte einer Beziehung durchgespielt werden.

Thomas Jonigk hat das großartig inszeniert, in Höchsttempo, mit viel Mut zum Tür-auf-Tür-zu-Spiel und zum absurden Körperspiel und zum Slapstick. Wie etwa zwei Gläser und eine Flasche in Hochgeschwindigkeit zwischen beiden Personen hin und her wandern, bietet großen Unterhaltungswert.

Caroline Peters und Michael Wächter spielen das alles einfach großartig und haben sichtlich Spaß an dem, was sie tun. Die ersten 90 Minuten verfliegen derart nur so, man lacht viel, aber niemals unter Niveau – der Text bietet viel kritischen Wiedererkennungswert aus dem eigenen Beziehungsleben.

Tragödie

Dann gibt es die Pause, das Publikum stärkt sich und geht frohgemut wieder zu den Plätzen. Jetzt kommt aber mit „Ellen Babić“ der tragische Teil des Abends. Dieser Bruch erweist sich als Problem, denn das Publikum ist warmgelacht und viel sich weiter vergnügen. Die Folge: Es gibt zu Beginn viele falsche Lacher.

„Ellen Babić“ erzählt gleich mehrere Me-Too-Geschichten aus drei Perspektiven. Die Lehrerin Astrid soll Schülerinnen missbraucht haben. Sie lebt mit der ehemaligen Schülerin Klara zusammen, die darauf besteht, selbst die Täterin und Verführerin gewesen zu sein. Und dann ist da noch der Schuldirektor Wolfram, der offenbar selbst unangemessene Annäherungen an Astrid unternommen hat.

Täter

Der Text ist ausgezeichnet, man befindet sich auf schwankendem Boden, ständig wechselt die Perspektive, man weiß nie, wer ist hier Täter und wer Opfer? Vermutlich sind alle Täter.

Dieses Stück aber leidet unter der Regie von Thomas Jonigk. Denn diesmal versucht er, Spannung herzustellen, indem er in Zeitlupe spielen lässt. Das macht die mehr als 90 Minuten teilweise sehr mühsam, man möchte fast hinausschreien: Tut’s weiter, bitte!

Dörte Lyssewski als Astrid, Maresi Riegner als Klara und Jörg Ratjen als Wolfram spielen allerdings großartig, vor allem Jörg Ratjen stattet seine Figur mit einer atemberaubenden Schmierigkeit aus.

Am Ende gibt es Jubel und langen Applaus für zwei bemerkenswerte Stücke.

KURIER-Wertung: Vier von fünf Sternen

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